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Mit der Finanz- und Klimakrise umgehen

Baustelle des RWE-Kraftwerkes Neurath: Immerhin wird laut RWE "das neue BoA-Kraftwerk [...] pro Jahr bis zu sechs Millionen Tonnen CO2 weniger ausstoßen als die Altanlagen".
Foto: Kateer. Dieses Foto steht unter einer GNU-Lizenz.

8. Dezember 2008
Von Roderick Kefferpütz
Von Roderick Kefferpütz

Die US-Hypothekenkrise und eine Reihe weiterer Faktoren hat die Welt in ein finanzielles Chaos gestürzt. Die Kreditgewährung ist auf ein Minimum gesunken, während sich die finanziellen Institutionen auf der Suche nach verzweifelt benötigter Liquidität in die Haare geraten. Die westlichen Regierungen haben eilig reagiert und das Geld der Steuerzahler in „Rettungspakete“ umgemünzt, die sich auf mehrere hundert Milliarden Euro belaufen. 

Gleichwohl schwappen die Verluste der Wall Street auf die Main Street über. Aktuelle, recht optimistische Voraussagen für 2009 rechnen mit einer Rezession für Großbritannien, Estland und Lettland, während Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien mindestens ein Nullwachstum erwarten. Experten warnen vor einem Anstieg der Arbeitslosenrate in der EU.

Unter diesen Bedingungen steht die Klimapolitik unter zunehmendem Druck. Ohne Frage besteht ein enormer Handlungsbedarf, um das globale Finanzsystem zu stabilisieren. Dennoch, es ist nicht an der Zeit, von notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel abzurücken, wie sie unter dem EU-Energie- und Klimapaket vorgesehen sind. Und das nicht nur wegen der Dringlichkeit des Klimawandels und der Notwendigkeit, die Emissionen zu reduzieren, sondern schlicht wegen klar institutioneller und ökonomischer Faktoren.

Düstere Zukunft für das EU-Klimapaket?

Sollte es der französischen EU-Präsidentschaft im Dezember misslingen, ein Abkommen zu erzielen, sieht die Zukunft des Energie- und Klimapakets düster aus. Die tschechische Präsidentschaft, schon jetzt ohne Begeisterung für das Paket, hat bereits angekündigt, diesbezüglich kein Interesse an der Wiederaufnahme unerledigter Aufgaben zu haben. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009, kombiniert mit einer neuen EU-Kommission, könnten die Entscheidung erheblich behindern.

Gewisse Staaten würden eine solche Entwicklung begrüßen, da Maßnahmen wie das System des Emissionshandels (EU-ETS) die finanziellen Lasten ihrer Industrien durch die Internalisierung der Kosten für den Ausstoß von CO2 vergrößern. Eine solche Betrachtung ist allerdings kurzsichtig und versäumt es, einer zukünftigen, nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen.

Der Stern-Report zum Klimawandel hat klar aufgezeigt, dass die Kosten einer heutigen Minderung des Klimawandels erheblich niedriger wären, als solche, die wir in Zukunft zu schultern haben, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.

Der rechtliche Schwebezustand, in dem sich das EU-Energie- und Klimapaket gegenwärtig befindet, ist mit nachteiligen Auswirkungen auf die Investitionssicherheit verbunden.

Heutige Investitionen müssen sich in der Zukunft auszahlen

Eine große Anzahl an europäischen Kraftwerken nähert sich dem Ende ihrer betrieblichen Laufzeit. In diesem Zusammenhang brauchen Investoren, die bereits durch die eingeschränkte Kreditgewährung behindert sind, eindeutige politische Signale, dass sich ihre heutigen Investitionen in der Zukunft auszahlen werden. Gleichzeitig müssen politische Entscheidungsträger in der EU sicherstellen, dass diese neuen Investitionen einen so genannten „carbon lock-in“ vermeiden, sprich den Neubau von hoch emittierenden Kraftwerken verhindern, die für die nächsten 30 bis 50 Jahre laufen sollen. Dieses finanziell-ökologische Tandem, welches Investitionssicherheit verschafft und gleichzeitig einen „carbon lock-in“ verhindert, kann mit den richtigen politischen und ökonomischen Instrumenten erreicht werden.

Der EU-Emissionshandel mit seiner geplanten Versteigerung von Emissionsrechten für alle Stromerzeuger bis 2013 könnte ein solches Instrument sein. Er versieht CO2-Emissionen mit einem Geldwert, welchen Investoren einkalkulieren können, und obwohl der Wert schwankt, wird er in Übereinstimmung mit der Notwendigkeit ansteigen, Emissionen in der Zukunft zu reduzieren. Ein solches System bietet die Möglichkeit, durch Innovation Emissionen zu senken, unnötige Emissionsrechte zu verkaufen und dadurch innovative, zukunftsorientierte Unternehmen zu belohnen.

Durch Energieeffizienz zur langfristigen Stabilität der Finanzmärkte

Eines der bedeutendsten Instrumente ist allerdings die Energieeffizienz, welche gleichzeitig Kosten und Emissionen senkt. Eine Studie des McKinsey Global Institute (MGI) hat beispielsweise vorgerechnet, dass eine jährlich globale Investition in die Verbesserung der Energieeffizienz von 170 Milliarden US-Dollar über die nächsten 13 Jahre - eine Zahl weit unterhalb der Dimension der Rettungspakete - ab 2020 bis zu 900 Milliarden US-Dollar jährlich einbringen könnte.

Maßnahmen zur Energieeffizienz würden nicht nur Europas internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Sie könnten ebenso eine wichtige und innovative Rolle bei einer langfristigen Stabilität der Finanzmärkte spielen. Ein robustes finanzielles Rahmenwerk für den Handel mit Energieeffizienzzertifikaten und beispielsweise die Schaffung von Energieeffizienzfonds könnten jene Institutionen mit der erforderlichen Sicherheit ausstatten, die Kapital benötigen, um ihren langfristigen Verbindlichkeiten entsprechen zu können (u. a.  Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder souveräne Vermögensfonds).

Grüner New Deal

Die Antworten der Politik auf die Finanz- und Klimakrise sollten nicht als diametral entgegengesetzt wahrgenommen werden. Vielmehr sind sie in vielerlei Hinsicht verflochten und sollten auf eine ergänzende Art und Weise angegangen werden. Wir brauchen starke Finanzsysteme mit ausreichender Regulierung, wenn wir eine reibungslose Funktion eines Emissionshandelssystems und die Finanzierung von grüner Technologie sicherstellen wollen. Solche Technologien könnten Finanzmärkten immense Möglichkeiten bieten und uns aus der wirtschaftlichen Flaute reißen.

Ein Grüner New Deal, beruhend auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, mit gewaltigen Investitionen in arbeitsintensive Infrastrukturen, könnte unsere Wirtschaft wiederbeleben und unser altmodisches, kohlenstoffbasiertes Energiemodell ersetzen. Auf diese Art und Weise könnte die Versteigerung von Emissionsrechten insbesondere in Bezug auf ihre Fähigkeit, die Einnahmen klammer Regierungen zu erhöhen, interessant werden.

Politische Entscheidungsträger müssen sicherstellen, dass die Restrukturierung des Finanzsystems und die Konjunkturprogramme den Boden für eine ökologische Transformation bereiten, welche unsere Wirtschaft beleben kann.

Europa muss diese Chance nutzen - anstatt die Industrien von gestern zu schützen

Roderick Kefferpütz ist verantwortlich für Energiepolitik im EU-Regionalbüro der Heinrich-Böll-Stiftung. Er ist regelmäßiger Kommentator zu Energiesicherheit, Klimawandel und EU-Russland-Beziehungen in den internationalen und deutschen Medien. Roderick Kefferpütz hat einen Abschluss in Internationale Beziehungen und einen MPhil mit Auszeichnung in Russland- und Osteuropastudien der Universität Oxford.