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Mein Land Zion

Lesedauer: 4 Minuten

18. November 2008
Dokumentarfilm, Israel 2004, 57 min, Regie: Yulie Cohen Gerstel

Yulie Cohen Gerstel, Israelin in der 6. Generation, feierte ihr Debut auf ARTE mit ihrem ersten längeren und preisgekrönten Dokumentarfilm „Mein Terrorist“ (Israel 2002). Ihr zweiter Film („Mein Land Zion“) stellt die schwierige Frage, was Land für Israelis bedeutet und zielt mit einem mutigen und provokativen persönlichen Essay mitten ins Herz der israelischen Identität. Cohen will ihre eigene Entscheidung verstehen, nach Israel zurückgekehrt zu sein, um ihre beiden Töchter in einem vom Krieg zerrütteten Land groß zu ziehen. Was geschah mit der palästinensischen Bevölkerung, die früher in den Dörfern lebte? Yulie Cohen hinterfragt die Mythen des Zionismus, unter deren Vorzeichen ihre eigenen Eltern sie erzogen haben. Welche Zukunft erwartet ihre Töchter in einem Land, das dauerhaft in einen Krieg verwickelt ist?

Zerrissen zwischen Scham und Loyalität
Die Regisseurin fühlt sich zerrissen zwischen ihrer Liebe und Loyalität zu ihrer Heimat und der Scham, die sie für die israelische Politik empfindet. Dabei war sie lange eine „gute“ Israelin. Sie durchlief eine erfolgreiche militärische Karriere. Dann versuchte sie, den Terroristen zu befreien, der sie zwanzig Jahre zuvor bei einem Attentat fast erschossen hätte. Die Menschen außerhalb Israels waren bewegt von dieser Geschichte und vor allem von der Geste, von dem Zeichen der Versöhnung, die sie hinter der Geschichte erkannten. Doch in Israel selbst wurden ihr anti-zionistische Umtriebe vorgeworfen, sie wurde des Verrats beschuldigt.

Warum hast Du geschwiegen?
Wo ist ihr Platz in der heutigen israelischen Gesellschaft? Möglicherweise liegt in ihrem radikalen Hinterfragen der Mythen und Sichtweisen in ihrem Land bereits ein Teil der Antworten, die sie sucht. Es wird höchste Zeit für sie, die für sie überlebenswichtigen Grundfragen zu stellen. Denn bald wird ihre älteste Tochter zum Militär eingezogen werden, wird sie eventuell gezwungen sein, militante Siedler in den besetzten Gebieten zu schützen. Allein der Gedanke daran lässt die Mutter frösteln. Yulie Cohens größte Angst ist es, eines Tages gefragt zu werden: „Warum hast Du geschwiegen?“.
Ihre Suche nach Antworten ist eine Reise, eine Recherche, bei der sie in bewegenden Szenen ihre Eltern zu ihrer Rolle innerhalb der Palmach Miliz befragt und mit einer Überlebenden des Holocaust über ihr Zuhause spricht, das auf dem enteigneten Land palästinensischer Familien erbaut worden ist. 

Yulie Cohen Gerstel wurde in Tel Aviv geboren und lebt dort. Bevor sie als Journalistin zu arbeiten begann, studierte sie Soziologie und Anthropologie an der Universität von Tel Aviv. Während der 80er Jahre arbeitete sie im Filmbusiness in New York und L.A. Sie ist Mutter zweier Töchter. 1993 wurde sie unabhängige Filmemacherin und realisierte mehrere kürzere Dokumentarfilme. „Mein Terrorist“, Yulie Gerstel’s erster längerer Dokumentarfilm, erhielt beim Jerusalem Film Festival den Special Jury Prize, wurde für den Silver Wolf Award beim Internationalen Dokumentarfilmfestival in Amsterdam nominiert und weltweit auf über 80 Festivals gezeigt.


Buch und Regie:
Yulie Cohen Gerstel
Kamera: Oded Kirma
Ton: Ravid Dvir, Rasmus Winther Jensen
Musik: Yair Dalal

Pressestimmen

„Gerstel scheut sich nicht Mythen zu erschüttern und laut Fragen zu stellen“ Goel Pinto, Haaretz Tageszeitung

„Es ist einfach, mit einigen der provokativen Gedanken, die von Yulie Gerstel in ihren suchenden Filmen aufgeworfen werden, nicht einverstanden zu sein. Aber es fällt schwer, die Ehrlichkeit und den Mut ihrer persönlichen Reise nicht zu bewundern.“ The Jerusalem Report

„Bewundernswert tapfer und gescheit.“  London Telegraph

„In „My Land Zion“ konfrontiert (Yulie Cohen Gerstels) Freunde und Familie mit einem zentralen israelisch jüdischen Dilemma. Was ist wichtiger: das Leben oder das Land?... Von ihrer eigenen Lebenssituation und ihren eigenen persönlichen Beziehungen ausgehend, setzt sie sich auf sehr einfühlsame Weise mit komplexen Gefühlen und Themen, die die Bewohner Israels betreffen und berührt bei ihrer Suche nach einem tieferen Verständnis viele sensible Stellen.“ Dox Magazine

„Yulies Filme sind ein kritischer und notwendiger Ausdruck davon, wie wichtig Dissens ist, besonders jüdischer Dissens innerhalb des Diskurses über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Ethik des Dissens und seine zentrale Bedeutung für die Erneuerung einer Welt, die aus den Angeln geraten ist eine zentrale Lehre des Judaismus. Dissens hängt eng mit Gerechtigkeit zusammen und Gerechtigkeit mit Würde. Dem Leid entgegen zu treten, ist ein tief greifender Teil der jüdischen Tradition, und einer, der eingefordert werden muss, wie Yulies Filme es tun...“ Dr. Sara Roy – Senior Research Scholar Centre für Nahost-Studien, Harvard University, 26.Oktober 2005