Christian Fundamentalism and Civic Education – Analysing Challenges and Possibilities of Support for Children and Adolescents
In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Unsicherheiten, globaler Konflikte und eines wachsenden Kampfes um Deutungshoheiten suchen viele Menschen nach stabilen Gemeinschaften. Verschwörungsideologien, autoritäre Strukturen und Denkmuster fungieren als Auffangbecken für Unzufriedenheit und Unsicherheit, oft als Gegenbewegung zu liberal-demokratischen Impulsen. Christlicher Fundamentalismus, ähnlich wie andere ideologisch geprägte Strukturen, bietet klare Weltbilder und Orientierung, steht jedoch häufig im Spannungsfeld zu demokratischen Werten und der freien und unterstützten Entwicklung von Autonomie. Erkennbar wird dies an der Verknüpfung von zugrunde liegenden Epistemologien mit Erziehungsstilen, die häufig auf Konformität, Autoritätsgläubigkeit und eine binäre Weltsicht abzielen.
Ausgehend davon untersucht diese Dissertation die Auswirkungen von Sozialisation in christlich-fundamentalistischen Gemeinschaften auf die demokratische Bildung von Kindern und Jugendlichen. Ziel der Arbeit ist es, die Voraussetzungen und Ziele demokratischer Bildung im Kontrast zu den sozialen und pädagogischen Mustern in christlich-fundamentalistischen Milieus zu analysieren. Dabei wird auf theoretischer Ebene der aktuelle Forschungsstand zu demokratischer Bildung, Sozialisation und religiösem Fundamentalismus aufgearbeitet. Es werden sozialisationstheoretische Ansätze herangezogen, um die Wechselwirkungen zwischen den präskriptiven Strukturen fundamentalistischer Erziehung und der Förderung von demokratischen Kompetenzen zu beleuchten.
Weiterführend wird gefragt, wie die Entwicklung eines demokratischen Verständnisses und demokratischer Partizipationskompetenzen bei Kindern und Jugendlichen aus christlich-fundamentalistischen Gemeinschaften gefördert werden kann. Ziel der Arbeit ist es Wege aufzuzeigen, wie Kindern und Jugendlichen gleichberechtigte Chancen auf Bildung, persönliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet werden können. Durch die Fokussierung auf die politische Bildung dieser jungen Menschen kann ein Beitrag zur langfristigen Stabilität einer demokratischen Gesellschaft geleistet werden.
Im empirischen Teil der Arbeit wird eine qualitative Studie durchgeführt, die auf narrativen Interviews mit ehemaligen Mitgliedern christlich-fundamentalistischer Gemeinschaften basiert. Ziel ist es, vertiefte Einblicke in individuelle Sozialisationsverläufe zu gewinnen und jene Faktoren zu identifizieren, die die Entwicklung demokratischer Partizipationskompetenzen begünstigen oder behindern. Im Zentrum der Analyse stehen die subjektiven Erfahrungsdimensionen der Teilnehmenden, aus denen sich Rückschlüsse auf strukturelle Bedingungen von Demokratiebildung unter restriktiven religiösen Einflüssen ziehen lassen.
Der aktuelle Forschungsstand zeigt deutliche Lücken im Verständnis sowohl der Erfahrungen des Aufwachsens in christlich-fundamentalistischen Gemeinschaften als auch der darin eingebetteten Prozesse demokratischer Bildung. Insbesondere im europäischen Kontext ist die Auseinandersetzung mit christlichem Fundamentalismus bislang selten. Diese Forschungslücke – insbesondere im Hinblick auf bildungswissenschaftliche und interdisziplinäre Perspektiven – unterstreicht die Notwendigkeit qualitativer empirischer Untersuchungen.