„Eine erneuerbare Wärmeversorgung ist umsetzbar und wirtschaftlich“

Interview

Kommunen können die Wärmeversorgung der Bürgerinnen und Bürger als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge selbst übernehmen. Ein Beispiel dafür ist das Wärmenetz der Stadt Steinheim – ein Modell, das in vielen Kommunen in Deutschland umgesetzt werden könnte. Wir sprachen mit Raphael Gruseck, Projektleiter Wärmewende der Energieagentur Kreis Ludwigsburg.

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Großflächige Solarthermieanlage mit Reihen geneigter Kollektoren, im Hintergrund Bäume, ein Turm und Baukräne.
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Solarthermieanlage in Steinheim.

Das Land Baden-Württemberg hat seine Großstädte bereits früher als die Bundesregierung zur Wärmeplanung verpflichtet. Wo steht die Wärmeplanung in Baden-Württemberg und was können die Kommunen anderer Bundesländer davon lernen?

Tatsächlich hat das Land von der ehrgeizigen Gesetzgebung profitiert: Die großen Kreisstädte haben bereits Ende 2023 ihre kommunale Wärmeplanung (KWP) abgeschlossen. Auch viele kleinere Kommunen, für die die Wärmeplanung freiwillig war, haben die auskömmliche Förderung des Landes genutzt und einen Wärmeplan erstellt. Da nach der Bundesgesetzgebung nun zwar die Erstellung der KWP verpflichtend ist, aber nicht die Umsetzung, muss eine breit getragene Strategie für die Wärmewende entwickelt werden, damit alle Betroffenen ein gemeinsames Interesse an der Umsetzung haben. 

In unserem Beratungsalltag sehen wir, dass es sehr wichtig ist, dass die Bürgerinnen und Bürger realistische Erwartungen haben, denn die Wärmeplanung bewegt sich auf einer strategischen Ebene. Daher ist eine entsprechende Kommunikation über die Bedeutung der Wärmeplanung und der nachfolgenden Maßnahmenumsetzung sehr wichtig. Gerade in kleineren Kommunen ohne Stadtwerke hat sich zudem gezeigt, dass bereits während der Erstellung der KWP die Diskussion über mögliche Betreiber der Wärmenetze essentiell ist, denn ohne Betreiber kein Wärmenetz.

Als ein Leuchtturmprojekt der Energieagentur Kreis Ludwigsbug gilt das Wärmenetz in Steinheim. Warum sind Sie sicher, dass das Projekt ausstrahlen wird?

Für ein Wohngebiet aus den 1970er und 1980er Jahren mit rund 400 Häusern wurde eine zukunftsfähige Wärmeversorgung gesucht. Schnell war klar, dass dort ein Wärmenetz sinnvoll wäre. Eine dezentrale Versorgung mittels Luft-Wärmepumpen kam aufgrund der dichten Bebauung nicht in Betracht. Die Wärmeversorgung der Bürgerinnen und Bürger wollte die Kommune selbst als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge übernehmen. Dafür wurde eine Wärmenetzgesellschaft als 100-prozentige Tochter der Stadt gegründet. Dies ermöglicht Steinheim die Entscheidungs- und Gestaltungshoheit und die Stadt profitiert zudem von einer hohen Projektförderung. 

Person mit Bart steht vor metallischen Rohrleitungen in einem Technikraum und blickt in die Kamera.

Raphael Gruseck ist Projektleiter Wärmewende der Energieagentur Kreis Ludwigsburg und Geschäftsführer der Wärmenetz Steinheim GmbH. 

Neben der Umsetzung konkreter Projekte zur Wärmeversorgung engagiert sich Gruseck auch in der Weiterbildung und hält Vorträge über die Möglichkeiten des Gebäudeenergiegesetzes oder der kommunalen Wärmeplanung.

Mit einem intelligenten Mix aus Wärmepumpe, Solarthermieanlage, Holzhackschnitzelkessel und Blockheizkraftwerk in Kombination mit einem großen Wärmespeicher kann langfristig ein günstiger Wärmepreis gesichert werden. Für den effizienten Betrieb der erneuerbaren Wärmeerzeuger eignen sich geringe Vorlauftemperaturen im Wärmenetz. In Steinheim werden sich diese auf nur 55°C belaufen. Durch eine gute Kundeninformation kann sichergestellt werden, dass die Leute auch im vorhandenen Gebäudebestand trotz relativ niedriger Vorlauftemperaturen ihre Häuser warm bekommen. Das Wärmenetz der Stadt Steinheim ist ein Modell, das in vielen Kommunen in Deutschland umgesetzt werden könnte.

Eine Heizung auf erneuerbare Quellen umzustellen, das ist manchmal nicht ganz einfach. Wie können Kommunen die Haushalte dabei unterstützen?

Die Kommunen können durch die kommunale Wärmeplanung Planungssicherheit und Orientierung bieten. Sie können, wie beispielhaft in Steinheim und vielen anderen Kommunen, durch den Bau und den Betrieb von Wärmenetzen die Wärmeversorgung als kommunale Daseinsvorsorge gestalten. Und die Bürgerinnen und Bürger, die nicht in einem Wärmenetzeignungsgebiet wohnen, wissen am Ende der kommunalen Wärmeplanung: „Ich muss mich selber um meine erneuerbare Heizung kümmern, der erneute Einbau einer fossilen Heizung ist eine verlorene Investition.“ 

Die heutigen erneuerbaren Lösungen sind umsetzbar und wirtschaftlich (Stichwort: Wärmepumpe im Bestand), aber vielen fehlt das notwendige Wissen. Auch die Sanierungsberatung ist essenziell und kann von der Kommune durch entsprechende Angebote gefördert werden. Denn nicht zuletzt gilt: Je weniger Heizbedarf wir haben desto besser!


Das Interview führte Jörg Staude.

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