Die weltweite Jagd nach Ressourcen

6. Mai 2011
Barbara Unmüßig
Wo kommen die Rohstoffe her für die Computer, Fernsehflachbildschirme, die mobilen Telefone, Energiesparlampen und die vielen Batterien? Und was passiert mit ihnen, wenn wir sie ausmustern? Wo sie herkommen und hingehen – der Umgang mit ihnen findet noch weitgehend gedankenlos statt. Die Informations- und Kommunikationstechniken, die erneuerbaren Energien, die automobile oder militärische High Tech Sparte – sie alle sind zu einem erheblichen Teil auf sogenannte strategische Rohstoffe angewiesen. Sie heißen Indium oder Tantal, Lithium, Coltan oder Seltene Erden. Auch sie sind nicht unendlich vorhanden und ihre Gewinnung wie Entsorgung sind nicht ohne erhebliche ökologische, soziale und menschenrechtliche Probleme zu haben. Neue Regulierungsschritte und öko-soziale Standards sind deshalb gefragt.

Die steigende Nachfrage der Industrie- und Schwellenländer nach Rohstoffen verschärft die Konkurrenz um fossile Rohstoffe wie Öl, Gas und Kohle und um klassische Rohstoffe wie Holz, Gold, Kupfer, Eisennerz oder Bauxit. Kein Wunder also, dass die Rohstoffpolitik dabei ist, sich vom Nischen- zu einem Topthema internationaler Politik zu verwandeln. Lange Zeit richtete sich die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Verfügbarkeit der energetischen Rohstoffe, jetzt verlagert sie sich auch auf die neuen strategischen Rohstoffe. Die Sorge um die Rohstoffzufuhr dominiert die offizielle politische Debatte, ob in Europa, Deutschland oder China. Umwelt- oder entwicklungspolitische Herausforderungen werden nachrangig behandelt.


Ressourcenpolitik und ökologische Transformation

Manche Zukunftstechnologie, die als Ausweg aus der fossilen Krise oder im Rahmen einer Grünen Ökonomie als Job- und Wachstumsmotor gelten, wie Solar- und Windenergie, Elektro- oder Hybridautos, – brauchen leistungsstarke Batterien und Magnete oder Rohstoffe für Dünnschichttechnologien, und selbst die Energiesparlampe kommt nicht ohne diese strategischen Rohstoffe aus. Die kleinen und leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien sind für die Hybrid- und Elektroautos essentiell. Der Bedarf an Lithium könnte bei günstiger Marktentwicklung bis 2050 rund 27-mal so hoch sein wie noch im Jahr 2008. Dann wären allerdings schon 2045 alle weltweit verfügbaren Reserven aufgebraucht.  Und US-amerikanische Wissenschaftler schätzen, dass die weltweiten Indium-Vorkommen (wichtiges Element für Touch Screens) bereits 2020 erschöpft sein könnten.

Bei der Diskussion um eine grüne industrielle Revolution müssen wir uns die Frage stellen, welche neuen Abhängigkeiten von strategischen Rohstoffen grüne Technologien verursachen und welche Probleme in den Abbauregionen für Mensch und Umwelt entstehen. Effizienz, Recycling und die Substitution von Rohstoffen müssen deshalb zentrale Handlungsfelder werden. Die Recyclingquote beim elektronischen Schrott ist niedrig und allein das verweist auf ein politisches Versagen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen landen mehr als 40 Millionen Tonnen Elektrogeräte im Müll, inklusive der wertvollen Rohstoffe. In einer Tonne Handyschrott finden sich 60-mal mehr Gold als in einer Tonne Golderz. Es ist ein politischer und unternehmerischer Skandal, wie wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird, um Rohstoffe effizient zu nutzen und wieder zu verwerten.

Material- und Ressourceneffizienz sind ein ganz wichtiges Ziel, sie reichen aber alleine nicht aus. Es braucht auch neue Handels- und Investitionsregeln und sozial-ökologische Standards. Und es braucht Verbote oder einen Verzicht z. B. auf den Abbau von Rohstoffen in der Arktis oder in den Tropenwäldern als weitere wichtige Optionen, die spätestens dann keine mehr sind, wenn die endlichen Ressourcen verbraucht sein werden.


Herausforderungen und Probleme des Rohstoffbooms

In der Rohstoff- und Ressourcenpolitik bündeln sich wirtschafts- und außenpolitische, ökologische, demokratische und entwicklungspolitische Fragestellungen, die nach einer kohärenten Strategie geradezu «schreien». Dabei müssen Umwelt und Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte als gleichrangige Ziele betrachtet werden und dürfen nicht den wirtschaftspolitischen Interessen der Industrie- und Schwellenländer untergeordnet werden. Preissteigerungen im Rohstoffsektor machen Investitionen in immer risikoreichere, teurere und schädlichere Formen der Ausbeutung lukrativ – von Ölexplorationen auf Hoher See oder in der Arktis, die Gewinnung von Öl aus Teersanden und Ölschiefer in ökosensiblen Regionen. Einzigartige Ökosysteme bisher unberührter Gegenden – ob in den Anden oder im Kongo-Becken werden erschlossen und dem Raubbau preisgegeben. Direkte Auswirkungen auf die Menschen in den Abbauregionen, ob sie nun als Gesundheitsgefährdung, Menschenrechtsverletzung oder auch Vertreibung erfahren werden, verschärfen sich.

Rohstoffgewinnung und der Handel mit Rohstoffen ist längst ein Milliardengeschäft und wird von wenigen globalen Unternehmen dominiert. Viele der Entwicklungsländer, die aus heutiger Sicht reelle Chancen hätten, extreme Armut zu beseitigen, gründen ihr Wirtschaftswachstum vor allem, oft auch ausschließlich, auf den Export von Rohstoffen. Ausgerechnet ressourcenreiche Länder gehören überproportional zur Gruppe der besonders armen und korrupten Länder. Das «Paradox of the Plenty» auch «Ressourcenfluch» genannt, sind alt bekannte Phänomene. Damit ist gemeint, dass die Erlöse und «Renten» aus dem Ressourcenreichtum nur zur Bereicherung einer kleinen Elite führen, darüber hinaus auch zu wachsender Korruption, fragiler Staatlichkeit und gewaltsamen Konflikten. Das gilt von Russland bis Kongo.


Wer profitiert? Wer regelt was?

Wie können die Menschen der rohstoffreichen Länder von deren natürlichem Reichtum profitieren? Das ist eine politische Schlüsselfrage. Dort, wo derzeit Rohstoffstrategien beschlossen werden, etwa von der deutschen Bundesregierung, der Europäische Union und auch von manchen Unternehmen, sind sie einseitig auf Rohstoffsicherung ausgerichtet und politisch wie ökologisch eindimensional.

Ressourcenreichtum kann dann zur Entwicklung beitragen, wenn Nutzungsrechte, Verteilung und der Umgang mit den Rohstoffen durch funktionierende Institutionen geregelt werden, die Wertschöpfungsketten Wohlstand auf lokaler Ebene hervorbringen und die Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft in zukunftsfähige Entwicklungen investiert werden. Doch es mangelt an globalen und nationalen Regulierungs- und Steuerungsansätzen. Anders als beim
Klimawandel oder beim Verlust der Biodiversität gibt es im Ressourcensektor keine internationale Konvention auf UN-Ebene und kein globales Regelwerk, auf das man sich beziehen kann. Einzelne Ansätze – etwa zum Verhalten Transnationaler Konzerne (OECD Guidelines) oder zum Einhalten von Menschenrechten (Business and Human Rights) – sind zwar vorhanden, aber nicht bindend und damit quasi wirkungslos.

Ähnlich ist es bei den freiwilligen Standards und Verhaltensnormen von Konzernen, die auf die Bekämpfung von Korruption, Erhöhung von Transparenz, Einhaltung von Menschenrechten und die Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards abzielen. Unterschiedliche Zertifizierungsansätze für einzelne Branchen sind in Vorbereitung. Generell lässt sich aber feststellen, dass diese freiwilligen Standards nur mangelhaft umgesetzt werden und es zahlreiche Schlupflöcher gibt, die den Unternehmen ein business as usual bei gleichzeitigem Imagegewinn ermöglichen. Ressourcen- und Rohstoffpolitik stehen erst an ihren Anfängen. Die Versorgung mit Rohstoffen war bislang den Wirtschaftsunternehmen selbst überlassen. Ein ökologisch, sozial und menschenrechtlich verantwortlicher Umgang mit Ressourcen muss kohärent sein. Dafür braucht die Politik ganz andere staatliche Regulierungsmaßnahmen und Standards als Anreiz zum Sparen, zur Wiederverwertung oder auch zum Verzicht. Ressourcen sind endlich, das sollten sich auch die Verbraucher und Verbraucherinnen klar machen, wenn sie im Durchschnitt alle 18 Monate ein neues Handy kaufen.

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht. 

Böll.Thema 2/2011: Grenzen des Wachstums - Wachstum der Grenzen

Die Lektionen aus der atomaren Katastrophe in Japan, die weltweite Jagd nach Rohstoffen oder die Diskussion um den Wachstumverzicht - das aktuelle Heft erörtet die Utopie einer „ökologischen“ Moderne aus unterschiedlichen Perspektiven und diskutiert die Alternativen eines auf Selbstbeschränkung zielenden grünen Puritanismus.

Special zur deutschen Rohstoffstrategie / Related Articles on strategic resources

Am 26.10.2010 hat die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategie vorgestellt. Hierzu soll dieses Spezial Hintergründen und Analysen liefern: 

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