11. Wie demokratisch sind die Verhandlungen? Wer muss an welcher Stelle zustimmen?

Demonstrantinnen auf einer Kundgebung gegen TTIP und CEFTA unter dem Motto "Zivilgesellschaft macht Dampf gegen den Konzern-Deal" vor dem Brandenburger Tor in Berlin (6. Mai 2014)
Teaser Bild Untertitel
Demonstrantinnen auf einer Kundgebung gegen TTIP und CEFTA unter dem Motto "Zivilgesellschaft macht Dampf gegen den Konzern-Deal" vor dem Brandenburger Tor in Berlin (6. Mai 2014)

Noch ist unklar, ob es sich bei TTIP europarechtlich gesehen um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird. Wenn dies der Fall sein sollte, müsste auch jedes der 28 EU-Mitgliedsländer das Abkommen ratifizieren – in Deutschland wäre dafür eine Zustimmung des Bundestags erforderlich.

Die Verhandlungen werden auf EU-Seite von der Kommission, auf US-Seite vom Office of the United States Trade Representative geführt. Auf der EU-Seite ist die Kommission dabei an das ihr vom Rat erteilte Verhandlungsmandat(PDF) gebunden; auch auf US-Seite gibt es durch den Kongress gemachte gesetzliche Vorgaben (PDF) für die Verhandlungen.

An den eigentlichen Verhandlungen sind die Parlamente auf beiden Seiten nicht beteiligt. Die EU-Kommission berichtet dem zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments jedoch regelmäßig; das Europäische Parlament hat sich in verschiedenen Stellungnahmen, zuletzt im Sommer 2015, zu den TTIP-Verhandlungen geäußert.

Bevor das verhandelte Abkommen auf der EU-Seite ratifiziert werden und damit rechtlich wirksam werden kann, müssen das Europäische Parlament und der Rat dem verhandelten Entwurf als ganzem zustimmen. Unklar ist noch, ob es sich bei TTIP europarechtlich gesehen um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird, in dem Bereiche berührt sind, die in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen. Wenn dies der Fall sein sollte, müsste auch jedes der 28 EU-Mitgliedsländer das Abkommen ratifizieren – in Deutschland wäre dafür eine Zustimmung des Bundestags erforderlich. Auf US-Seite kann ein internationales Handelsabkommen nur nach Zustimmung des Kongress (PDF) ratifiziert werden.

Im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung zu TTIP stellt sich die Frage nach der Rolle von Parlamenten auch deswegen, weil TTIP als „living agreement“, also ein sich auch nach seinem Inkrafttreten weiter entwickelbares Abkommen konzipiert ist. So soll z. B. der Austausch darüber, in welchen Bereichen und wie die EU- und US-Rechtsordnung weiter angeglichen werden könnten, in einem Gremium mit Vertreter/innen u.a. der EU-Kommission und von US-Behörden stattfinden. Teilweise wird befürchtet, dass damit parlamentarische Entscheidungswege umgangen werden können. So wird zum Beispiel Dr. Till Holterhus, Institut für Völkerrecht und Europarecht, Georg-August-Universität Göttingen auf der Website der NGO Foodwatch wie folgt zitiert: „Legt man die bekannten Formulierungen im Entwurf des Freihandelsabkommens CETA zwischen Kanada und der EU und das nun bekannt gewordene interne TTIP-Verhandlungsdokument zu Grunde, so kann nach heutigem Stand nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation in einigen Bereichen völkerrechtlich verbindliche Bestimmungen – etwa durch die Änderung von Annexen – begründet oder geändert werden können, ohne dass es einer erneuten Ratifikation und damit der Zustimmung des Europäischen Parlamentes sowie im Regelfall der Parlamente der Mitgliedsstaaten bedürfte.“ Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel schreibt dagegen in einem offenen Brief (PDF), dass es durch TTIP keine Absenkung der in Deutschland und Europa erreichten Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards geben könne. „Darüber entscheiden auch in Zukunft ausschließlich demokratisch gewählte Parlamente“, heißt es weiter.

Ein kontroverses Thema ist auch die Transparenz der Verhandlungen und der Zugang zu den Verhandlungsdokumenten – auch für deutsche Parlamentarier/innen. So sagte zum Beispiel Peter Ramsauser (CDU), Vorsitzender des Wirtschafts- und Energieausschusses des Bundestages im Januar 2015: „Ich glaube der EU-Kommissarin Cecilia Malmström und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kein Wort, wenn sie sagen, sie würden sich für mehr Transparenz einsetzen. Die Dokumente zu TTIP sollten von uns Parlamentariern in den Räumlichkeiten des deutschen Parlaments oder der Bundesregierung eingesehen werden können. Für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses ist es nahezu unmöglich, auf Basis der gefilterten Second-Hand-Informationen weiter zu arbeiten mit dem Ziel einer Zustimmung für TTIP.“ Inzwischen wurde im Bundeswirtschaftsministerium allerdings einen Leseraum eingerichtet, in dem Abgeordnete die konsolidierten TTIP-Verhandlungstexte lesen können; Eine wörtliche Abschrift sowie das fotografieren der Texte ist allerdings nicht erlaubt. Auch ist die Besuchszeit auf zwei Stunden beschränkt und die Weitergabe der erworbenen Informationen verboten.

Ob die Verhandlungen über TTIP zu einem bindenden Abkommen führen, ist derzeit vor allem auch wegen des Kongresses in den USA unsicher. Zahlreiche Abgeordnete, darunter führende Vertreter/innen der Partei des US-Präsidenten sprechen sich öffentlich gegen TTIP aus.

Aktualisierte Version vom 26. Februar 2016.