Zum Verständnis ethnischer und politischer Konflikte in Burma/Myanmar

Ein geschichtlicher Überblick über die ethnischen und politischen Konflikte in Burma/Myanmar. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Asien.

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1. Überblick
2. Das Konfliktpotential ethnischer Vielfalt
3. Die Macht der Kultur / Die Kultur der Macht
4. Krise und Konsolidierung des Autoritarismus in Burma

 

 

Überblick

Seit 1962 wird Burma (Myanmar) vom Militär regiert. Nach mehr als 40 Jahren ununterbrochener Herrschaft ist es gegenwärtig das am längsten regierende Militärregime der Welt. Zudem ist es das letzte in der Region Südostasien, da hier alle anderen Länder mittlerweile wenigstens formell einer zivilen Regierung unterstehen.

Mehr als ein Vierteljahrhundert lang führte das Militär das Land auf dem ideologisch höchst eigenwilligen „Burmesischen Weg zum Sozialismus“ in die politische und wirtschaftliche Isolation, bis sich im Jahr 1988 überraschend das burmesische Volk mit der Forderung nach Demokratie gegen die Herrschaft der Generäle erhob. Daraufhin legten die Generäle kurzerhand den ideologischen Mantel des Sozialismus ab und schlugen als „Staatsrat zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung“ (State Law and Order Restoration Council: SLORC) den landesweiten Protest mit massiver Waffengewalt nieder. Seither legitimiert sich das Militärregime als Übergangsregierung auf dem Weg zu einer „disziplinierten“ Demokratisierung.

Cover Perspectives Asien

Perspectives Asien ist eine Publikationsreihe, die einem deutschen und europäischen Publikum asiatische Perspektiven vorstellt, Analysen zu globalen Trends liefert sowie vertiefte Einblicke in die Entwicklungen und politischen Debatten in Asien gibt. 

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Während dieses ereignisreichen Jahres 1988 besuchte Aung San Suu Kyi, die in England lebende Tochter des burmesischen Nationalhelden Aung San, das Land und setzte sich dort an die Spitze der Demokratiebewegung. Mit ihrer Partei, der Nationalen Liga für Demokratie (National League for Democracy; NLD), erreichte sie im Jahr 1990 in den ersten freien Wahlen seit 30 Jahren, die absolute Mehrheit der Stimmen. Von dieser eindeutigen Demonstration des Volkswillens unbeeindruckt, hat die Führung des burmesischen Militärs die Übergabe der Regierungsverantwortung an die charismatische Symbolfigur der Demokratiebewegung, die 1991 für ihr Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, bislang verweigert. Das im Jahr 1997 in „Staatsrat für Frieden und Entwicklung“ (State Peace and Development Council; SPDC) umbenannte Gremium der Generäle hat die unbequeme Opposition unter Einsatz massiver Repressalien zwischenzeitlich nahezu gänzlich von der politischen Bühne des Landes gedrängt.

Bereits seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1948 hat der multiethnische Staat mit der Forderung nach mehr politischer Autonomie seitens seiner zahlreichen ethnischen Minderheiten zu kämpfen, die 40 Prozent der Bevölkerung und rund 60 Prozent des Landes besiedeln. Dieser Konflikt wurde anfangs nur von zwei Minderheiten mit Waffengewalt ausgetragen. Ab dem Ende der 50er/ Anfang der 60er Jahre hat sich der bewaffnete Widerstand aber auf praktisch alle Minderheiten des Landes ausgeweitet, nachdem die von der Mehrheitsethnie der Burmesen dominierte (Militär-)Führung des Landes die Forderungen der Minderheiten nicht nur abgewiesen, sondern bereits vorhandene Rechte schrittweise beschnitten hat.

Erst ab dem Jahr 1989 bemühte sich das Militärregime ernsthaft darum, mit einem Großteil der ethnischen Rebellenarmeen Waffenstillstandsverträge abzuschließen. Weil aber darüber hinaus noch keine grundlegende Einigung zum politischen Status der ethnischen Minderheiten erzielt werden konnte, gelten diese Waffenstillstandsvereinbarungen als brüchig. Zudem sind einige der ethnischen Rebellenarmeen - unter ihnen ist die Nationale Union der Karen (Karen National Union; KNU) die bekannteste - noch immer in schwere Kämpfe mit dem burmesischen Militär verwickelt.

Besonders in abgelegenen, von verschiedenen Minderheiten bewohnten Gebieten im Shan-Staat, die als Grenzland zu Laos und Thailand den burmesischen Teil des berüchtigten „Goldenen Dreiecks“ bilden, wurde schon länger über den traditionellen Eigenbedarf hinaus Opium angebaut. Die (relative) Befriedung dieses Landesteils durch die mit dem Militär geschlossenen Waffenstillstandsverträge hat dazu beigetragen, dass in diesen Gebieten der Opiumanbau so rasant angestiegen ist, dass Burma mittlerweile als weltweit größter Produzent dieser Droge gilt.

In diesem Kontext wird vermutet, dass auch das Militär in die lukrativen Geschäfte mit dem Opium verwickelt ist. Immerhin kann man davon ausgehen, dass mit dem Opium, bzw. seinem Raffinat Heroin, mindestens ebensoviel Geld verdient wird, wie mit allen anderen legalen Exportgütern des Landes zusammen. Seit das Regime nicht nur zwei mit internationalem Haftbefehl gesuchten „Drogenbaronen“ aus dem Shan-Staat ganz offiziell Zuflucht gewährt, sondern auch die Re-Investition ihrer offensichtlich illegal erwirtschafteten Gelder in Joint Ventures mit militäreigenen Gesellschaften ermöglicht hat, lässt sich eine indirekte Verwicklung des Regimes in das Geschäft mit dem Opium nicht mehr leugnen.

Da geschätzte 60 Prozent des in den USA vertrieben Heroins aus dem Goldenen Dreieck stammen bereitet die unkontrollierte Produktion von Opium, Heroin und neuerdings auch synthetischen Drogen (Mettamphetamine) nicht mehr nur amerikanischen Drogenfahndern Kopfzerbrechen. Auch die unmittelbaren Nachbarländer China (Yünan) und Thailand haben mittlerweile mit einem Drogenproblem in ihrer Gesellschaft zu kämpfen, für das immer unumwundener die Drogenschwemme aus dem Nordosten Burmas/Myanmars verantwortlich gemacht wird.

In Burma selbst scheint sich - ausgehend von den Opiumanbaugebieten, in denen bereits jeder vierte süchtig sein soll - vor allem der Missbrauch von Heroin zu einem landesweiten Problem zu entwickeln. Bislang hat die Militärregierung jedoch ebenso wenig geeignete Maßnahmen gegen das wachsende Drogenproblem in der burmesischen Gesellschaft ergriffen, wie gegen die von der UN bestätigte rasante Ausbreitung des HI-Virus in der Region.

Ein Blick auf den burmesischen Haushalt macht deutlich, wo trotz brennender sozialer Probleme die Prioritäten des Regimes liegen. Offiziellen Angaben der burmesischen Regierung nach ist der Verteidigungshaushalt von 1989 bis 1995 von 4,1 Mrd. auf 14,1 Mrd. Kyat angestiegen, während der Sozialhaushalt im gleichen Zeitraum von 5 Mrd. auf nur 9,2 Mrd. Kyat angewachsen ist und damit weit unter dem Niveau des Verteidigungshaushaltes liegt.

Die unverhältnismäßig hohen Verteidigungsausgaben erklären sich mit einer nach 1988 von dem Regime angestrengten Modernisierung des burmesischen Militärs. Im Rahmen dieser Modernisierungsmaßnahmen wurden nicht nur für mehrere Milliarden US$ Waffen aus China angeschafft, auch die Personalstärke des burmesischen Militärs wurde beträchtlich erhöht. Mit einer geschätzten halben Millionen Soldaten könnte Burma mittlerweile Vietnam als personalstärkste Armee in Südostasien überholt haben.

Mit der Kombination aus den drei genannten Faktoren - den Waffenstillstandsabkommen mit einem Großteil der ethnischen „Rebellenarmeen“, der massiven Unterdrückung der demokratisch gewählten Opposition und der ambitionierten Modernisierung der Streitkräfte - gelang es dem Regime, die nach den Protesten von 1988 und dem Wahlergebnis von 1990 ins Schwanken geratene Stellung des Militärs in der burmesischen Gesellschaft signifikant zu festigen. Heute dominiert das Militär die politische Bühne des Landes so unbestritten wie nie zuvor.

Dass die Herrschaft des Militärs dennoch nicht unangefochten ist, dafür ist vor allem die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verantwortlich. So war den Protesten von 1988 eine stetige Abwärtsentwicklung der burmesischen Wirtschaft vorausgegangen, die Ende des Jahres 1987 ihren Höhepunkt gefunden hatte. Die vom SLORC initiierte wirtschaftliche Öffnung, mit der das Land den Anschluss an den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region finden sollte, brachte bis heute keine entscheidende Verbesserung der Lage. Für die Masse der Burmesen hat sich die wirtschaftliche Lage - ablesbar vor allem an den kontinuierlich steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel - eher noch verschlechtert.

Eine in grundsätzlichen Fragen verfehlte Wirtschaftspolitik und fehlende Investitionen aus dem Ausland haben dazu geführt, dass offenbar alle positiven Effekte der wirtschaftlichen Öffnung von der teuren Modernisierung des Militärs absorbiert wurden. Die wirtschaftliche Lage des Landes genau einzuschätzen gestaltet sich schwierig, weil die von Seiten des Regimes veröffentlichten Zahlen nicht als verlässlich gelten. Eine Reihe von Indikatoren weist aber darauf hin, dass sich der burmesische Staat am Rande einer Pleite bewegt.

Nun wird vermutet, dass das Regime deswegen den verschiedenen internationalen Akteuren und potentiellen Investoren zugestimmt hat. Dennoch ist eine Belebung der burmesischen Wirtschaft auch in nächster Zukunft nicht absehbar. Seitdem die USA sich zu einem Verbot von Neuinvestitionen und gemeinsam mit der EU und der UN zu einer signifikanten Begrenzung der Entwicklungshilfezahlungen entschlossen haben, hat sich nichts grundlegend an dieser restriktiven Haltung der internationalen Gemeinschaft geändert. Auch die Investitionen aus der ASEAN, in die das Land im Jahr 1997 aufgenommen wurde, sind während der Asienkrise dramatisch gefallen und trotz des neuerlichen Aufschwungs in der Region in keinem nennenswerten Ausmaß wieder angestiegen.

Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung ist die Zukunft des Landes nach allen Extremen hin offen. So bewegt sich die Diskussion seit dem Jahr 1988 zwischen der Hoffnung auf eine friedliche Liberalisierung/Demokratisierung und der Furcht vor erneuten gewaltsamen Zusammenstößen zwischen dem burmesischen Volk und dem Militär, ohne dass bis heute einer der beiden Fälle eingetreten wäre.


 

Das Konfliktpotential ethnischer Vielfalt

Mit 135 verschiedenen linguistischen Gruppen, die gewöhnlich den sieben ethnischen Obergruppen der Karen, Karenni, Shan, Kachin, Chin, Arakanesen und Mon zugeordnet werden, existiert eine Vielfalt ethnischer Minderheiten in Burma/Myanmar. Geschätzte 40% der Gesamtbevölkerung sind den Minderheiten zuzurechnen, die aber rund 60% der Fläche Burmas/Myanmars bewohnen.

Eine der Besonderheiten der zwischenethnischen Beziehungen in Burma/Myanmar ist die geographische Verteilung von Mehrheitsethnie und Minderheiten. Während die Mehrheitsethnie in der zentralen Ebene siedelte, wo sie im Jahr 1044 das erste burmesische Reich von Pagan begründete, ließen sich die Minderheiten größtenteils in den Bergketten und Hochebenen nieder, die diese Ebene in Form eines Hufeisens umgeben. Somit ist die Beziehung zwischen Birmanen und Minderheiten bereits geografisch die zwischen Zentrum und Peripherie.

Vor der Ankunft der Kolonialmacht Großbritannien, die das Land in drei Kriegen zwischen 1824 und 1886 schrittweise besetzte und dem Indian Empire angliederte, waren die burmesischen Königreiche zwar die dominierende politische Kraft, ihre Herrschaft über die Minderheiten blieb aber beschränkt. Im Austausch für die Anerkennung der Herrschaft des burmesischen Königs, für Tributzahlungen und das zur Verfügung stellen von Soldaten lebten die Minderheiten relativ unabhängig von der burmesischen Monarchie. Sie hatten ihre eigenen Herrscher, ihre eigenen Gesetze, ihre eigenen Glaubensvorstellungen und ihre eigene Kultur, und sie sprachen ihre eigenen Sprachen.

Zu keinem Zeitpunkt in der vorkolonialen Geschichte bemühten sich die burmesischen Monarchen darum, die Minderheiten unter Zwang zu assimilieren. Die zwischenethnischen Beziehungen in Burma waren verschiedensten Untersuchungen zufolge bis zur Ankunft der Briten nur geringfügig von proto-nationalistischen Sentiments geprägt.

Politisch relevant wurde die ethnische Zugehörigkeit erst unter der britischen Kolonialherrschaft, unter der das Land in das direkt verwaltete Burma proper, die zentrale, von der Birmanen bewohnte Ebene, und in die indirekt verwalteten frontier areas, dem hufeisenförmigen, von den Minderheiten bewohnten Gürtel um die Ebene, geteilt wurde. Unter der indirekten Verwaltung blieben die Minderheiten von der Kolonialherrschaft weitgehend unberührt, während die Birmanen im direkt verwalteten Burma proper signifikante Veränderungen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ordnung erlebten. Nicht zufällig blieb der sich ab den 20er Jahren entwickelnde anti-koloniale Nationalismus weitgehend auf die Birmanen beschränkt.

Als die junge nationalistische Bewegung der Birmanen den Briten nach dem 2. Weltkrieg die Unabhängigkeit abtrotzte, hatten sich die ohnehin bestehenden Gräben zwischen der Mehrheitsethnie und den Minderheiten weiter vertieft. Von einem übergreifenden kulturellen oder politischen Nationalismus, der die Mehrheitsethnie mit den Minderheiten verband, konnte keine Rede sein. Dennoch gelang es Aung San, der bis zu seiner Ermordung im Jahr 1947 die nationale Bewegung der Birmanen angeführt hatte und in Burma als Nationalheld verehrt wird, die meisten Minderheiten in dem sog. Panglong-Agreement von einer gemeinsamen Zukunft in einer föderal organisierten Union von Burma zu überzeugen.

Die einzige Minderheit, die sich zu diesem Zeitpunkt dem politischen Kompromiss des Panglong-Agreement versperrte, waren die Karen. Sie hatten sich aus einer Reihe von Gründen zu der bevorzugten autochthonen Minderheit der Briten entwickelt. Als solche besetzte sie überproportional viele wichtige Stellen im kolonialen Staatsapparat und war entscheidend an der wirtschaftlichen Entwicklung des Irrawaddy-Deltas beteiligt, durch die Burma in den 30er Jahren zum größten Reis-Exporteur der Welt aufstieg. Anders als unter den anderen Minderheiten entwickelte sich unter den Karen mit der Karen National Union (KNU) früh eine eigene, proto-nationalistische Bewegung. Insbesondere nachdem es während des Zweiten Weltkrieges zu blutigen Übergriffen von Birmanen gegen Karen gekommen war, weil sie von der Mehrheitsethnie als verlängerter Arm der Kolonialmacht wahrgenommen wurden, wollte die KNU einen eigenen Karen-Staat begründen bzw. für ihre Siedlungsgebiete den Status einer englischen Kolonie beibehalten.

Als das Land im Jahr 1948 wenige Wochen nach Ausrufung der Unabhängigkeit über einen innerbirmanischen Konflikt zwischen den herrschenden Sozialisten und den Kommunisten in einen Bürgerkrieg stürzte, griffen wenig später die Karen zu den Waffen und „befreiten“ einen Großteil der von ihnen beanspruchten Gebiete. Die „Karen-Problematik“ blieb bis zum Ende der Ära der parlamentarischen Demokratie von 1948 bis 1962 ungelöst. Zwar bemühte sich die Regierung des dreimalig gewählten Premierministers U Nu vor allem ab dem Ende der 50er Jahre um eine Lösung der Minderheitenproblematik, die auch andere Minderheiten einschließen sollte, die mit ihrem Status bzw. dem Grad ihrer politischen Autonomie unzufrieden waren. Doch als diese Bemühungen kurz vor einem Durchbruch standen, wurden sie jäh durch den Militärputsch beendet.

Als das Militär 1962 die Macht ergriff, begründete es diesen Schritt damit, dass es vor dem Hintergrund der steigenden Spannungen unter den Minderheiten ein Auseinanderbrechen der Union von Burma verhindern wollte. Doch erst die rigorose Zentralisierung der Regierungsverantwortung in den Händen des birmanisch dominierten Militärs - die föderale Verfassung wurde für obsolet erklärt und 1974 durch eine unitaristische ersetzt - führte dazu, dass sich in den folgenden Jahren praktisch alle Minderheiten des Landes gegen das Regime erhoben und mit Waffengewalt für ihre Unabhängigkeit kämpften. Damit hatte erst das Militärregime einen Konflikt eskalieren lassen, den es nun zur Legitimation seiner dominanten Rolle im Staat nutzen konnte.

Doch auch bei der Konfliktlösung mit militärischen Mitteln war das burmesische Militär wenig erfolgreich. Noch 1988 kontrollierte das Regime effektiv nur knapp zwei Drittel des Landes.


 

Die Macht der Kultur/ Die Kultur der Macht

Lange wurde die These diskutiert, die Herrschaft des Militärs sei durch die Verankerung des Autoritarismus in der traditionellen Kultur der Burmesen legitimiert. In der wissenschaftlichen Diskussion zu Burma wurde immer wieder hervorgehoben, dass traditionelle Macht- und Autoritätsvorstellungen die Dominanz autoritärer Regime in Burma begünstigen würden.

Tatsächlich offenbart ein Vergleich zwischen der vorkolonialen politischen Ordnung und der unter dem Militärregime bemerkenswerte Parallelen. Die Herrschaft der burmesischen Könige stand in der Tradition buddhistischer Gott-Könige und war prinzipiell absolut. Sie konnten nach Gutdünken über Leben und Tod ihrer Untertanen entscheiden. Theoretisch waren sie zwar dazu verpflichtet, den vom Buddhismus definierten moralischen Prinzipien „guter Regierungsführung“ zu folgen. In realiter gab es aber keine Macht oder Autorität, der sie Rechenschaft schuldig gewesen wären. Das politische System sah keine unabhängige oder halbautonome Bürokratie außerhalb der Kontrolle des Königs vor. Alle Vermögenswerte des Landes wurden prinzipiell als sein Eigentum wahrgenommen. Darüber hinaus standen die Klöster und Glaubensgemeinschaften des buddhistischen Mönchordens, der Sangha, unter der Aufsicht eines klerikalen Oberhauptes, das vom König ernannt und entlassen wurde. Über ihn konnte der König Kontrolle über den Glauben seiner Untertanen ausüben.

Vor der Ankunft der Kolonialmacht war Burma im wesentlichen eine agrarisch geprägte Zwei-Klassen Gesellschaft mit dem Hofstaat und seinen Stadthaltern als Sonderklasse. Die Welt der einfachen Bauern, deren Erträge weitestgehend der Selbstversorgung dienten, beschränkte sich auf das Dorf und seine nähere Umgebung. Die damit begrenzten weltlichen Angelegenheiten regelte im wesentlichen der Buddhismus. Während der vorkolonialen Ära beschäftigten sich die gläubigen Buddhisten nicht mit dem Staat oder der Gesellschaft, in der sie lebten. Sie spekulierten nicht darüber, wie man beides verändern oder verbessern könnte. Der gewöhnliche Burmese interessierte sich nicht für politische Entscheidungen am Hof. Er vermied gar den Kontakt mit der Regierung und ihren Vertretern. Das politische System und die absolute Herrschaft des Königs wurden als etwas Gegebenes hingenommen und nicht in Frage gestellt.

Das unter Führung General Ne Wins nach dem Putsch von 1962 eingeführte System des „Burmesischen Sozialismus“ griff den Anspruch der vorkolonialen Monarchen nach absoluter Herrschaft wieder auf. Bis zur Einführung einer Verfassung im Jahr 1974 führte Ne Win das Land als Kopf eines sog. Revolutionsrates mit so umfassenden Befugnissen wie sie zuletzt die burmesischen Könige inne gehabt hatten. Die Wirtschaft wurde verstaatlich und unter die Kontrolle des Militärs gestellt, die Verwaltung neu strukturiert und mit Militärs besetzt oder von ihnen kontrolliert, und der Sangha, der infolge der Trennung von Staat und Religion seit dem Anbruch der Kolonialherrschaft autonom über religiöse Angelegenheiten entschieden hatte, ebenfalls unter staatliche Kontrolle gestellt.

Somit ließ sich auch die Gesellschaft des Burmesischen Sozialismus als Zwei-Klassen Gesellschaft beschreiben, mit dem Militär als Sonderklasse auf der einen und dem einfachen Volk auf der anderen Seite. Das Regime verbaute alle alternativen sozialen Aufstiegswege außerhalb des Militärs - etwa eine Karriere in der freien Wirtschaft oder in der Bürokratie - und besetzte Posten in den staatlichen Unternehmen und in der Verwaltung generell nicht nach der fachlichen Qualifikation eines Bewerbers, sondern nach der Beurteilung seiner Loyalität gegenüber dem Militärregime. Dies erklärt zu einem großen Teil, warum das an fruchtbarem Land und Bodenschätzen reiche Burma unter dem Regime des Burmesischen Sozialismus nicht einmal wieder an den wirtschaftlichen Entwicklungsstand der Kolonialzeit anknüpfen konnte.

Gegen die These, das Militär habe ein „kulturgerechtes“ Regime installiert und deshalb so deutlich die politische Bühne dominieren können, spricht eine Reihe von Fakten. So hatten sich die vorkolonialen Traditionen, zu denen das Militärregime immer wieder einen Bezug suchte, in den Jahren zwischen dem Ende der burmesischen Monarchie und dem Beginn der Militärherrschaft längst überlebt. Der politische Fatalismus der einfachen Bevölkerung der vorkolonialen Ära war längst passé. In der Auseinandersetzung mit der Kolonialmacht und den 14 Jahren der demokratischen Ära war das politische Bewusstsein der Burmesen deutlich gewachsen und hatte sich zu einem lebendigen politischen Pluralismus entwickelt. Trotz der deutlichen Defizite des demokratischen Systems in den Jahren zwischen der Unabhängigkeit und dem Putsch, die sich im wesentlichen auf die Auswirkungen des Bürgerkrieges zurückführen lassen, gab es deutliche Anzeichen für eine mögliche Konsolidierung der Demokratie in Burma.

Auf Grundlage dieser (jungen) Tradition des politischen Pluralismus regte sich bereits kurz nach dem Putsch deutlicher Widerstand gegen die gravierende Einschränkung politischer Freiheiten durch das Militär, vor allem unter Studenten. Dieser Widerstand flammte die gesamte Ära des Burmesischen Sozialismus hindurch immer wieder auf, insbesondere in der Folge wirtschaftlicher Krisen. Dieses Protestpotential konnte sich aber aufgrund der engmaschigen Kontrolle der burmesischen Gesellschaft durch das Militär nicht innerhalb der Landesgrenzen bzw. der vom Militär kontrollierten Gebiete politisch organisieren. Die Kommunisten, die den Bürgerkrieg auslösten und schrittweise vom Militär in Stellungen an der chinesischen Grenze im Nordosten zurückgedrängt werden konnten, und eine in den 70er Jahren von dem ehemaligen Premierminister U Nu von Thailand aus organisierte Widerstandsarmee, konnten nicht bis nach Burma proper durchdringen.

Der Erfolg des burmesischen Militärs, sich ein knappes Vierteljahrhundert lang an der Spitze der von ihm kreierten Sozialistischen Republik der Union von Burma zu halten, erklärt sich demnach weniger mit einer kulturell bedingten Vorliebe der Burmesen für autoritäre Regierungsformen, als vielmehr durch den kompromisslosen Einsatz von Gewalt, die kompromisslose Eliminierung sämtlicher politischer Freiheiten und die kompromisslose Sperrung alternativer sozialer Aufstiegswege.

Dass das burmesische Militär in die Position gelangen konnte, die vollständige Kontrolle über den burmesischen Staat zu übernehmen, erklärt sich damit, dass es sich im Laufe des Bürgerkrieges zur mächtigsten und am besten organisierten Institution des Landes entwickelt hatte. Dass es schließlich überhaupt den Willen entwickelt hatte, die Macht im Lande zu übernehmen, hat seine Ursache darin, dass es nie eine unpolitische Armee war. Die Wurzeln des burmesischen Militärs lagen in der anti-kolonialen Befreiungsbewegung und während des Kampfes um die Unabhängigkeit hatte sich militärische Macht als Ausdruck politischer Macht etabliert.

 

 

Krise und Konsolidierung des Autoritarismus in Burma

Durch eine sozialistisch motivierte, wenig pragmatische Wirtschaftspolitik und den Mangel an qualifizierten Experten in den entscheidenden Positionen war das Land während der Ära des Burmesischen Sozialismus immer tiefer in eine wirtschaftliche Krise gerutscht. Großzügige Hilfen aus dem Ausland - darunter die BRD als der zweitgrößte Geber nach Japan - konnten diesen Prozess zwar verzögern, stoppen konnten sie ihn aber nicht. Im Zusammenhang mit einer wirtschaftspolitisch kaum nachvollziehbaren Entwertung eines Großteils der burmesischen Währung im November 1987, die rund 75 Prozent der Ersparnisse der burmesischen Bevölkerung vernichtete, kam es spontan zu Massenprotesten.

Diese Proteste ebbten auch nach dem Eingreifen des Militärs nicht ab, sondern gewannen im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 1988 weiter an Zulauf. Als im Juli 1988 Ne Win seinen Rücktritt vom Vorsitz der vom Militär dominierten Burmese Socialist Programme Party (BSPP) bekannt gab, wurde dies von Beobachtern, wichtiger aber noch von den Burmesen selbst, als Signal für einen möglichen Systemwechsel gedeutet. Gleichzeitig wurde mit Sein Lwin ein neuer Regierungschef eingesetzt, der sich bereits während der blutigen Niederschlagung von Studentenprotesten kurz nach dem Putsch den Beinamen „Schlächter von Rangoon“ erworben hatte. Nach einem 18-tägigen Interregnum, in dem es zu zahlreichen blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und dem Militär kam, wurde Sein Lwin durch Dr. Maung Maung abgelöst, der als einziger Zivilist der Parteielite der BSPP angehörte.

Unter seiner Ägide wurde das sonst allgegenwärtige Militär zurück in die Kasernen beordert, womit der sog „kurze Sommer der Demokratie“ begann. In diesem „Machtvakuum“, in dem die öffentlich Ordnung notdürftig von eilig organisierten Streikkomitees, Studentenvereinigungen, Gewerkschaften und buddhistischen Mönchen aufrecht erhalten wurde, avancierte die zufällig im Land weilende Aung San Suu Kyi als Tochter des verehrten Nationalhelden Aung San schnell zur Symbol- und Führungsfigur. Doch bevor sich die Demokratiebewegung in allgemein akzeptierten Parteien und ähnlichen Organisationen formieren konnte, beendete das burmesische Militär, dessen führende Vertreter sich im State Law and Order Restoration Council (SLORC) organisiert hatten, gewaltsam den kurzen Sommer der Demokratie. Konservativen Schätzungen zufolge verloren rund 10.000 Burmesen während der Ereignisse von 1988 ihr Leben.

Dass der erhoffte Systemwechsel im Jahr 1988 scheiterte, hat mehrere Ursachen. Die mangelnde Organisation der Demokratiebewegung und die generelle Unerfahrenheit ihrer Protagonisten - insbesondere die schnell zur Symbolfigur der Bewegung avancierende Aung San Suu Kyi konnte auf keine praktischen Erfahrungen aus der Politik zurückgreifen -, erklärt zu einem Gutteil das Scheitern des geforderten Systemwechsels. Zum anderen Teil erklärt es sich mit der unerwartet großen Geschlossenheit des Militärs, die nicht zuletzt dadurch befördert wurde, dass die Opposition aufgrund ihrer Zersplitterung keine überzeugenden Garantien zu dem Status des Tatmadaw (Bezeichnung für das Militär als die herrschende Klasse in Burma) im Transitionsprozess geben konnte. In diesem Zusammenhang scheint die Kasernierung der Soldaten während des kurzen Sommers der Demokratie dazu beigetragen zu haben, dass es nicht zu einer Solidarisierung zwischen den unteren Rängen des Tatmadaw und der Demokratiebewegung kam.

Als sich schließlich der SLORC formierte und zum Schlag gegen die Demokratiebewegung ausholte, besetzte das Regime geschickt die Themen, die als Ursachen für die Proteste galten. So adressierte das neue (alte) Militärregime mit der bedingungslosen Abschaffung des Burmesischen Sozialismus, der parallel in Aussicht gestellten wirtschaftlichen Öffnung des Landes und der Ankündigung, freie Wahlen auszurichten, genau die Probleme, die die Menschen auf die Straße geführt hatten. Gleichzeitig suchte die Militärführung mit der forcierten Berichterstattung über die militärischen Auseinandersetzungen mit den Minderheiten ihre Bedeutsamkeit für das Überleben des Staates und die Sicherheit der burmesischen Gesellschaft hervorzuheben.

Durch eine Reihe ineinandergreifender politischer und militär-strategischer Maßnahmen gelang es dem SLORC nach der gewaltsamen Machtübernahme, seine Herrschaft zu re-etablieren. In Kombination mit der Sicherung der Geschlossenheit in den eigenen Reihen war die Sicherung der Zahlungsfähigkeit des Regimes das wichtigste Element auf dem Weg zur Wiederherstellung der autoritären Herrschaft in Burma. Dies gelang durch einen signifikanten Wechsel im wirtschaftspolitischen Kurs des Regimes.

Durch den Verkauf der Holzfäll- und Fischereirechte an thailändische Unternehmen sowie durch ein Handelsabkommen mit den Chinesen erschloss das Regime kurzfristig neue Kapitalströme, mit denen es die größten Löcher im Haushalt decken, die Löhne der Staatsangestellten und Soldaten verdoppeln und die personelle wie materielle Aufstockung der Streitkräfte finanzieren konnte. Insbesondere im Handelsabkommen mit den Chinesen zeichnete sich allerdings bereits ab, dass der neue wirtschaftspolitische Kurs mittel- bis langfristig keinen nachhaltigen Entwicklungsschub in der gesamten burmesischen Ökonomie würde auslösen können.

Von großer Bedeutung für die Re-Etablierung des Regimes war der überraschende Zusammenbruch des kommunistischen Widerstandes. Die birmanischen Kommunisten waren seit Ausbruch des Bürgerkrieges langsam in den Nordosten des Landes, an die Grenze zwischen Shan-Staat und China, gedrängt worden. Dort hatten sie mit direkter Unterstützung der Chinesen eine mehrere tausend Mann starke Armee aufgebaut, die sich unterhalb der birmanischen Führungsebene aus den ethnischen Minderheiten der Wa und der Kokang rekrutierte. Eben diese Minderheiten rebellierten Anfang des Jahres 1989 gegen die kommunistischen Kader, die nach China abgeschoben wurden.

Nicht daran interessiert, einen Kampf fortzusetzen, den sie unter dem Druck birmanischer und chinesischer Kommunisten begonnen hatten, vereinbarten die beiden Minderheiten einen Waffenstillstand mit dem Regime. Damit wurde nicht nur der allgemeine militärische Widerstand gegen das Regime signifikant abgeschwächt. Da nun ein wichtiger Teil der Grenze zu China von den Truppen des Tatmadaw kontrolliert wurde, konnte auch der durch das Abkommen legalisierte Handel vom Regime kontrolliert und damit zur Einkommensquelle der Zentralregierung werden. Kritisch an dem vereinbarten Waffenstillstandsabkommen war, dass die Opium- und Heroinproduktion, die sich insbesondere auf diesen Teil des Goldenen Dreiecks konzentrierte, nun weder durch militärische Auseinandersetzungen noch durch staatliche Kontrollen begrenzt wurde.

Im Vergleich zu der Minderheitenpolitik während der Ära des Burmesischen Sozialismus waren die Waffenstillstandsabkommen zwar ein Novum, einen genuinen Wandel in der Minderheitenpolitik des Regimes bedeutete dies jedoch noch nicht, da mit ihnen keine Ansätze zur politischen Lösung der Minderheitenproblematik verknüpft waren. Gemessen an den Auswirkungen auf den Widerstand der Minderheiten gegen die Zentralregierung lassen sich die Abkommen eher als militär-strategisch motivierte Maßnahme werten. So konnte das Tatmadaw einen Großteil seiner Truppen, die zuvor im Kampf gegen die Kommunisten im Norden gebunden waren, verlagern und gegen andere Minderheiten-Armeen einsetzen. Darüber hinaus hatten viele Minderheitenarmeen, die sich zu großen Teilen über den illegalen Import von Konsumgütern aus den Nachbarländern Thailand und China finanzierten, empfindliche Einbußen hinzunehmen, da der nun legale Handel in steigendem Maße vom Tatmadaw kontrolliert wurde.

Mit ähnlichem strategischen Geschick drängte das Regime die Demokratiebewegung von der politischen Bühne des Landes. Indem er an dem Versprechen, freie Wahlen abzuhalten, festhielt, entschärfte der SLORC das Konfliktpotential, das aus der Forderung der Demokratiebewegung nach einem Systemwechsel resultierte. Gleichzeitig provozierte das Regime durch strenge Auflagen und durch die Inhaftierung bzw. die Verhängung des Hausarrests über Oppositionelle die Flucht zahlreicher Aktivisten in die Gebiete der Minderheiten. Dort zu den gegen den Staat operierenden Insurgenten gerechnet, wurden die Aktivisten nicht als Teil der legalen Opposition anerkannt. So konnte das Regime die politischen Aktivitäten der Opposition im Herzen des Landes kontrollieren und gleichzeitig mit militärischen Mitteln gegen die Aktivisten am Rande des Staates vorgehen.

Durch die Flucht von Studenten, Mönchen und anderen Aktivisten in die Gebiete der Minderheiten - insbesondere auf das von Karen kontrollierte Territorium - entstanden zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder intensive politische Kontakte zwischen Minderheiten und der Mehrheitsethnie. Anfangs noch ohne konkrete politische Ziele für die Zeit nach einem Systemwechsel zu formulieren, solidarisierten sich die burmesischen Aktivisten mit den Minderheiten im gemeinsamen Kampf gegen das Militärregime und formierten gemeinsame Dachorganisationen. Insbesondere nachdem deutlich geworden war, dass es trotz des eindeutigen Votums der Bevölkerung in den Wahlen von 1990 nicht zu dem erhofften, sofortigen Systemwechsel kommen würde, entwickelten sich diese Dachorganisationen in einem historisch einmaligen Prozess zu der ersten ethnienübergreifenden politischen Kraft Burmas/Myanmars. Problematisch dabei blieb, dass sich dieser Teil der burmesischen Opposition aufgrund seiner Kriminalisierung durch das Regime nicht (mit politischen Mitteln) im politischen Prozess im Herzen des Landes etablieren konnte.

Trotz des eindeutigen Votums der burmesischen Bevölkerung für eine Demokratisierung in den Wahlen von 1990 gelang dem Regime in der ersten Hälfte der 90er Jahre die Konsolidierung seiner autoritären Herrschaft. Das Regime verdankte dies in erster Linie dem Erfolg seiner Waffenstillstandsinitiative. In einem Dominoeffekt schlossen immer mehr Minderheitenorganisationen Waffenstillstandsverträge mit dem Regime ab. Mit den frei werdenden Kräften, die zudem durch die massive personelle und materielle Aufstockung des Tatmadaw verstärkt wurden, konnte das Regime den militärischen Druck auf die verbleibenden Minderheitenorganisationen, insbesondere die KNU, erhöhen.

Unter der Kombination aus militärischem Druck und Waffenstillstandsangebot zerfiel schließlich die bis dahin größte Dachorganisation der Minderheiten, die National Democratic Front (NDF). Durch diesen Zerfall konnte das Regime verhindern, dass sich die in der Geschichte des Landes einmalige Front aus Minderheitenorganisationen und Demokratiebewegung als alternative, nicht mehr vom Regime kontrollierbare Kraft auf der politischen Bühne etablieren konnte. Nur kurz nachdem sich die gemeinsamen Dachorganisationen formiert hatten, waren sie gezwungen, das Land unter dem militärischen Druck des Tatmadaw in Richtung Thailand und später auch nach Übersee zu verlassen.

Mit der Kombination aus Waffenstillstandsofferte und militärischem Druck gelang es dem Regime nicht nur, die Minderheitenfront(en) zu spalten, sondern auch einzelne Minderheitenorganisationen. So zerfielen über Jahrzehnte stabile Minderheiten-organisationen wie die KNU in konkurrierende Fraktionen, von denen einige auf Seiten des Tatmadaw gegen die eigene Ethnie kämpften. Diese Grabenkämpfe innerhalb einzelner Minderheitenorganisationen belasteten den Anspruch der großen Organisationen, repräsentativ die Interessen ihrer Ethnie zu vertreten.

Im Umgang mit der demokratischen Opposition im Landesinneren setzte das Regime prinzipiell den Kurs fort, den es nach seiner Machtübernahme eingeschlagen hatte. Parallel zum Einsatz von Gewalt stellte das Regime immer wieder Reformen in Aussicht, um den Widerstandswillen der Bevölkerung und der Opposition zu begrenzen. Zuerst mit der Aussicht auf freie Wahlen, anschließend mit Aussicht auf eine Übergabe der Macht an den eindeutigen Wahlsieger und schließlich mit der Aussicht auf eine äquivalente Stimmenmehrheit in der verfassunggebenden Versammlung.

Als deutlich wurde, dass sich das Regime seine dominante Stellung auf der politischen Bühne konstitutionell sichern wollte, und die angekündigten Reformschritte immer wieder verzögerte, um die Demokratiebewegung hinzuhalten und zu paralysieren, blieb der Opposition kaum eine andere Wahl, als die internationale Gemeinschaft zu Sanktionen aufzurufen. So verhärteten sich schrittweise die Fronten zwischen der Demokratiebewegung und dem Regime, bis zu dem Punkt, an dem nur noch Aung San Suu Kyi allein als „unantastbare“ Symbolfigur der Opposition auf internationaler Ebene an die Systemwechselforderung der Bevölkerung erinnerte.

Parallel zu der schrittweisen Zurückdrängung der Demokratiebewegung und der Isolierung Aung San Suu Kyis arbeitete das Regime daran, seine Herrschaft organisatorisch und politisch neu zu fundieren. So verschärfte es seine Kontrolle über die Zivilgesellschaft durch die Gründung einer Reihe von Massenorganisationen, unter denen die „Union Solidarity and Development Association“ (USDA) als die größte eine herausragende Rolle einnahm. Weiterhin willens, seine Herrschaft durch den Bezug zu vorkolonialen Traditionen abzustützen, ersetzte es die alten Legitimationsmuster des Burmesischen Sozialismus in der Myanmarifizierungs-Kampagne durch neue, wobei es auch vor deutlichen Geschichtsfälschungen nicht zurückschreckte.

Trotz der erfolgreichen Konsolidierung der autoritären Herrschaft stand das Regime weiterhin vor dem Problem, neue Investitionen und andere Erlösströme zu erschließen, um die Expansion der Armee und den Staatshaushalt finanzieren zu können. Nachdem sich die USA in Reaktion auf die Repressionen gegen die Demokratiebewegung und Aung San Suu Kyi zu einem Verbot von Neuinvestitionen in Burma entschlossen hatten, geriet das Regime dabei zunehmend in eine einseitige Abhängigkeit von Investoren aus den Ländern der ASEAN und aus China. Im Umgang mit berüchtigten Drogenbaronen des Goldenen Dreiecks zeigte sich darüber hinaus, dass das Regime auch illegal erwirtschaftete Gelder als Investitionen zu akzeptieren bereit war.

Dies in Kombination mit den von Amnesty International und anderen Organisationen dokumentierten Menschenrechtsverletzungen beim Niederschlagen der Demokratie-bewegung und im Krieg gegen die Minderheiten brachten dem Land den Status eines „Paria-Staates“ in der Region ein. Dass es dennoch in die ASEAN aufgenommen wurde, verdankte das Regime der Tatsache, dass dort die Furcht vor einer strategischen Expansion der Chinesen stärker wog als die Belastungen durch die internationale Ächtung.

Neben den Maßnahmen zur politischen Konsolidierung der autoritären Herrschaft war das Regime nach wie vor darauf angewiesen, neue Investitionen in das Land zu locken und weitere Erlösströme zu sichern, da die großen Investitionen in den ersten Jahren nach der Machtergreifung des SLORC in erster Linie extraktiver Art waren - hierunter fallen die Holzfäll- und Fischereirechte der Thais ebenso wie die Ölförderabkommen mit westlichen Konzernen. Darüber hinaus erhöhte die Öffnung zum chinesischen Markt hin das Handelsdefizit und behinderte die Entwicklung der eigenen Industrie. Die Wirtschaftspolitik nach 1988 hatte somit keine signifikanten positiven Folgewirkungen für eine breite wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Sowohl der Versuch, Burma für den (Massen-)Tourismus zu öffnen, als auch die offene Legalisierung offensichtlich aus dem Drogenhandel stammender Gelder zeigten, dass sich das Regime ständig um neue Einnahmequellen bemühte. Da die Konsolidierung der autoritären Herrschaft, insbesondere durch das sukzessive, an Härte gewinnende Zurückdrängen der Demokratiebewegung und ihrer Anführerin Aung San Suu Kyi, deutliche Kritik aus dem Westen und schließlich eingeschränkte Wirtschaftssanktionen der USA hervorrief, war das Regime bereits von alternativen Investitionen aus dem Westen abgeschnitten, als die industrialisierten Länder der ASEAN als die letzten ernsthaften Investoren in Burma selbst in eine wirtschaftliche Krise gerieten.

Von der Härte der Asienkrise aufgrund der noch immer unterentwickelten Wirtschaft zwar nicht unmittelbar betroffen, waren die Auswirkungen dennoch signifikant. Selbst nachdem die sog. „Newly Industrialising Countries“ (NICs) der Region die Talsohle der Krise durchschritten hatten, stiegen die Investitionen in Burma nicht wieder an. Dass das Regime in dieser Situation im Jahr 1999 eine Offerte der Vereinten Nationen ablehnte, im Gegenzug für ernsthafte Gespräche mit der Opposition und erste Reformschritte dem Land eine Milliarde US$ an Hilfsgelderzahlungen zu überweisen, kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass das Regime zu diesem Zeitpunkt noch an ein baldiges Wiederansteigen der Investitionstätigkeit aus anderen Ländern der Region glaubte.

Da diese Hoffnungen sich nicht erfüllten kann die Aufnahme von Gesprächen im Oktober 2000 zwischen dem Regime und der Demokratiebewegung bzw. ihrer Führerin Aung San Suu Kyi als Zeichen dafür gewertet werden, dass das Regime erkannt hatte, dass ohne einen Stimmungswechsel des Westens gegenüber dem Regime signifikante Investitionen und Hilfen auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sind.