„Seit dem Beginn der Angriffe konnten wir nur sehr selten das Haus verlassen“

Trostlos schon vor den jüngsten Angriffen - Gaza 2004. - Foto: Thomas Hegenbart

Interview mit Hussein Adwan vom Community Media Center in Gaza

5. Januar 2009
Ein Interview mit Hussein Adwan
Hiba Taibi und Alia Rayyan vom Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah haben am 3. Januar 2009 mit Hussein Adwan von unserer Partnerorganisation Community Media Center (CMC) in Gaza gesprochen. Das CMC setzt sich für Journalisten und die Wahrung der Meinungsfreiheit im Gazastreifen ein. Das Gespräch fand vor dem Beginn der israelischen Bodenoffensive statt. Seitdem ist kein telefonischer Kontakt mehr zu Stande gekommen.


Heinrich-Böll-Stiftung: Wir hoffen es geht Ihnen gut, Herr Adwan. Wo sind sie gerade?

Hussein Adwan: Danke, zu Hause. Seit dem Beginn der Angriffe konnten wir nur sehr selten das Haus verlassen. Ich lebe nördlich von Gaza-Stadt, unser Gebiet ist weniger betroffen, als andere. Bis jetzt jedenfalls. Dennoch erschüttert jede  Bomben- oder Raketenexplosion unser Gebäude, ein Hochhaus. Erst heute morgen sind die Scheiben zerbrochen.

Wie sieht es mit dem  Büro von CMC aus?

Auch das liegt im weniger gefährdeten Gebiet. Aber der Weg ist zu gefährlich. Unsere Mitarbeiter im Süden, Khan Younis oder Rafah können nicht kommen. Als die Angriffe begannen, haben wir bis spät in der Nacht im Büro Daten gesichert.

Wie sieht Ihre Arbeit jetzt aus?

Wir versuchen in Erfahrung zu bringen, was seit dem Angriffes geschehen ist ... die Ereignisse zu dokumentieren und an die Öffentlichkeit zu bringen.

Seit Samstag wird an verschiedenen Orten in der Welt für Gaza demonstriert. Wie kommen die Solidaritätsbekundungen bei Ihnen an?

Wichtig sind uns die Solidaritätsbekundungen aus der Westbank und der Aufruf zur nationalen Einheit, sowohl von der Bevölkerung als auch von der dortigen Regierung (Palästinensische Autonomieregierung). Auch wenn die Regierung hier (Hamas) dies nicht wahrgenommen hat. Es macht mich sehr betroffen, zu hören, dass auch in dieser Situation, die Hasstiraden und Beschuldigungen nicht abreißen.

Glauben Sie noch an eine Verbesserung zwischen den politischen Lagern?

Ich hoffe es. Anzeichen dafür sind da. Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Politik in Gaza nicht mehr von nationalen palästinensischen Interessen, sondern von regionalen Interessen gesteuert wird. Das ist gefährlich.

Und was sagen sie zu den Demonstrationen in der arabischen Welt?

Die Solidaritätsbekundungen aus der arabischen Welt sind emotionale Bekundungen – die nicht unwichtig sind, aber politisch nichts bringen werden. Die arabischen Regierungen werden sich in ihrer Entscheidung nicht von der Meinung der Bevölkerung  beeinflussen lassen. Demonstrationen und Proteste in Europa könnten größeren Einfluss auf unsere Situation haben, da dort die Regierungen eher auf die öffentliche Meinung achten.

Dossier

Krise in Gaza

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