Die Auswirkungen der Fußball-Weltmeisterschaft werden eher von kurzer Dauer sein, resümiert David Marrs in seiner Analyse über den wirtschaftlichen Nutzen des Turniers. Während durchaus einige kurzfristige positive Auswirkungen zu erwarten sind, stuft Marrs die ursprünglichen wirtschaftlichen Wachstumsprognosen als in hohem Maße übertrieben ein. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Afrika.
Je weiter sich der tägliche Countdown zum Anpfiff der FIFA-Weltmeisterschaft 2010 der Null nähert, desto klarer wird es, dass die ursprünglichen Vorhersagen über die Auswirkung des Ereignisses auf die südafrikanische Wirtschaft heftig übertrieben waren. Erste Prognosen über eine halbe Million Besucher – was eine 15%ige Steigerung der normalen Zahl an Touristen bedeuten würde – schrumpften bald auf 450 000, dann 330 000 und kürzlich gar auf 150 000.
Während die letzte Zahl übertrieben pessimistisch zu sein scheint, ist der Trend nicht unähnlich zu den Erfahrungen früherer Gastgeberländer. Doch die Erkenntnis, dass internationale Sportveranstaltungen selten den übersteigerten Erwartungen gerecht werden, muss nicht unbedingt heißen, sie würden sich für die Gastländer nicht lohnen. Im Falle Südafrikas war das Timing etwas unglücklich aufgrund der globalen Finanzkrise und anschließenden Rezession, was unweigerlich die Reisepläne der Fans gedämpft hat. Doch es hatte auch sein Gutes, da Südafrika – wie die meisten anderen Länder der Welt – gezwungen war, die Wirtschaft mit Finanzspritzen zu stützen, als die Kreditklemme zuschlug. Für ein Entwicklungsland war hierbei die Investition in die eigene Infrastruktur der naheliegendste Weg. Ob allerdings die im Zuge der Weltmeisterschaft gebaute Infrastruktur – insbesondere die teuren neuen Stadien – nach dem Ereignis noch voll ausgenutzt sein wird, ist eine ganz andere Frage.
Einige wenige Südafrikaner haben die Weltmeisterschaft zweifellos als einmalige Gelegenheit angesehen, schnell viel Geld zu machen, und Medienberichte über „Abzock“-Preise haben großes Befremden sowohl bei einheimischen Politikern als auch beim lokalen Organisationskomitee der FIFA hervorgerufen. Handels- und Industrieminister Rob Davies ließ im März eine ernste Warnung verlauten, die Regierung werde nicht zögern, die Wettbewerbskommission mit aller Härte einzuschalten, falls es irgendwelche Verdachtsmomente geben sollte, dass Firmenkartelle unzulässige Absprachen zur Überhöhung von Preisen getroffen hätten und damit den Erfolg des Turniers gefährden würden. Tatsächlich wurde eine Untersuchung zu Preisabsprachen in der Luftfahrtindustrie eingeleitet, und Tourismusminister Marthinus van Schalkwyk hat eine Studie über die Preise in der Hotellerie in Auftrag gegeben, um festzustellen, ob diese unverhältnismäßig in die Höhe getrieben wurden.
In Bestätigung der Vermutung, dass die Veranstaltung nicht so gut besucht sein wird, wie ursprünglich erhofft, hat Match, FIFAs exklusiver Unterkunftspartner für die Weltmeisterschaft, vor kurzem mehr als 400 000 Hotelübernachtungen unverkauft an das Gastgewerbe zurückgegeben, während die südafrikanische Nationalparkbehörde, die zugesagt hatte bis zu einem Drittel ihres Bestands für ausländische Besucher bereitzuhalten, etwa 14 000 Übernachtungen wieder auf den lokalen Markt zurückgestellt hat, als die erwartete Nachfrage sich nicht einstellte. Es besteht nun ernste Sorge innerhalb der südafrikanischen Hotelindustrie, dass zu viele neue Etablissements gebaut wurden und einige sich nach dem Event nur mit Mühe werden halten können. Brett Duncan, Hauptgeschäftsführer der Federated Hospitality Association of South Africa (Fedhasa), teilte dem Tourismusausschuss des südafrikanischen Parlaments mit, dass einige Hotelgruppen eventuell vor dem Aus stünden, nachdem der FIFA-Zirkus weitergezogen sein wird. „Hotels werden unter enormem Druck stehen. Es wird zu Entlassungen kommen, da einige Arbeitsplätze nicht gehalten werden können“, sagte er. Es wurde zu viel Augenmerk auf Unterkünfte und nicht genug auf Logistik wie Flüge und Mietwagen gelegt, ohne die Fans nicht in der Lage sein werden, die jeweiligen Ziele zu erreichen und in den Hotels zu übernachten, die sie fieberhaft erwarteten. Des Weiteren, erklärte Duncan, hätten viele Hotels den Fehler gemacht, sich zu stark auf Match bei der Füllung ihrer Zimmerkapazitäten zu verlassen, und säßen nun auf dem Trockenen, als ihnen ein großer Teil dieser Kapazitäten nur wenige Monate vor dem Event zurückgegeben wurde.
Gillian Saunders, Direktor der Forschungsabteilung der Beratungsfirma Grant Thornton, sagte bei der Veröffentlichung ihrer ersten Schätzungen zu den Besucherzahlen und den wirtschaftlichen Auswirkungen des Turniers auf Südafrika 2008, die Aussichten hätten sich völlig anders dargestellt, bevor der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers die globale Finanzkrise auslöste und einen Großteil der Welt in die Rezession stürzte. Diese ursprüngliche Studie ging davon aus, dass Fußballfans im Durchschnitt 15 Tage in Südafrika bleiben und insgesamt bis zu R 15 Milliarden ausgeben würden, einschließlich R 6 Milliarden für Ticketverkäufe und der Rest für Unterkunft, Verpflegung und Unterhaltung. Würden diese Erwartungen erfüllt, so wäre die direkte Auswirkung auf Südafrikas Bruttoinlandsprodukt ein Boost von bis zu 0,5 % dieses Jahr. Da die Besucherzahlen nicht mehr so hoch angesetzt werden und Fans wahrscheinlich ihre Zeit im Land verkürzen, um Kosten zu sparen, halten Wirtschaftswissenschaftler diese Zahlen nicht mehr für realistisch. Dawie Roodt, Chefökonom bei Efficient Group, schätzt, dass der wirtschaftliche Impuls wohl nicht mehr als 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachen wird.
Citigroup-Ökonom Jean Francious Mercier sagte in einem Anfang März veröffentlichten Schätzungsbericht, dass der größte Nutznießer jeder Fußball-Weltmeisterschaft kurzfristig unweigerlich die FIFA sei, während das Gastgeberland nahezu immer einen unverhältnismäßig hohen Anteil der Kostenbelastung trage. Dennoch ist Mercier der Ansicht, dass die Austragung des Turniers „wahrscheinlich greifbare aber kleine wirtschaftliche Vorteile für die südafrikanische Wirtschaft bringen wird“. Er erwartet, dass die Tourismuseinkünfte das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 0,5 % steigern werden, und dass sowohl die Zahlungsbilanz als auch der Rand auf dem Rücken der ins Land strömenden Deviseneinnahmen stärker werden könnten. Potenziell liegt der wichtigste Vorteil in dem Effekt, den die Ausrichtung einer erfolgreichen Weltmeisterschaft auf Südafrikas Image hätte, doch dies ist auch der am schwierigsten zu quantifizierende Vorteil. Mercier geht davon aus, dass es einige positive Vermächtnisse geben, doch er bezweifelt, dass dies einen durchschlagenden wirtschaftlichen Effekt haben wird. „In den fünf Jahren vor der Weltmeisterschaft profitiert das Land von den Ausgaben für den Stadionbau und den Ausbau anderer für das Ereignis nötiger Infrastruktur; im Jahr des Events entstehen die Hauptvorteile aus den Urlaubs- und Ticketausgaben durch Zuschauer sowie teilnehmender Mannschaften, FIFA-Funktionäre und VIPs; in den Jahren nach der Weltmeisterschaft kann das Land Nutzen aus einer erfolgreichen Ausrichtung des Ereignisses in Form von höheren Tourismuseinnahmen und anderen immateriellen Werten wie internationale Reputation und sogar politische „Durchsetzungskraft“ ziehen, erklärt Mercier.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) argumentiert, dass die Ausrichtung von Mega-Events wie die Olympischen Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft wichtige Imagebooster sein können, insbesondere für ein Schwellenland wie Südafrika. Ein Artikel in der IWF Zeitschrift Fund argumentierte vor kurzem, dass allein schon die Bewerbung zur Ausrichtung eines Events dieser Größenordnung ein Signal aussendet, dass das Land ernsthaft bereit ist, auf den Rest der Welt zuzugehen, insbesondere in Bezug auf Handel und Tourismus. Dies könnte bis zu einem gewissen Grad negative Wahrnehmungen über Südafrika als Investitionsstandort wettmachen, die aus den internen politischen Grabenkämpfen der Regierungspartei African National Congress (ANC) und Forderungen nach der Verstaatlichung von Minen und Farmen herrühren. Während das wirtschaftliche Gesamtbild wohl bescheidener ausfallen dürfte als erwartet, gibt es mehrere Sektoren der südafrikanischen Wirtschaft außer dem Tourismus und der Bauindustrie, die für die Weltmeisterschaft – und insbesondere ihren Zeitpunkt – dankbar sind. Die südafrikanischen Autohersteller wurden von der Rezession und dem Kollaps der Exportmärkte besonders hart getroffen, insofern hätte die Bestandsaufstockung bei Mietwagenfirmen in Erwartung der anreisenden Fußballfans zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Imperial Holdings, ein an der Börse notiertes südafrikanisches Unternehmen, das sowohl Verkaufsniederlassungen als auch Autovermietungen betreibt, sagte bei der Bekanntgabe seiner Geschäftsergebnisse für das zweite Halbjahr 2009, dass eine prognostizierte Erholung der Neuwagenumsätze teilweise dem erwarteten Anstieg an tourismusbezogenen Autokäufen und der Weltmeisterschaft zugeschrieben werden könne. Imperial, das die Busse bereit stellen wird, die alle 32 Mannschaften während des Turniers transportieren werden, sagte, die Auslastung des südafrikanischen Busbestandes würde um etwa ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr zunehmen, und der Bestandsabbau, der meist in den Wintermonaten stattfindet, würde dieses Jahr nicht eintreten. Ebenso wird erwartet, dass sich die Mietperioden verlängern werden.
Darüber hinaus kam eine Studie von Cadiz Securities zu dem Ergebnis, dass die Einzelhandelsumsätze während der Weltmeisterschaft um etwa 0,2 % Prozent zunehmen würden, was weitere R 800 Millionen in die Kassen etablierter Geschäfte in den Gastgeberstädten spülen würde. Allerdings wird erwartet, dass hiervon der informelle Sektor oder die Armen auf dem Land nur wenig profitieren werden. Dies ist teilweise eine Folge der unvermeidlichen urbanen Konzentration des Turniers, da die Mehrheit der Stadien in den größeren südafrikanischen Städten liegen, jedoch auch auf die strengen, von der FIFA auferlegten Vorschriften zur Regulierung der Geschäftstätigkeit während der Weltmeisterschaftszeit zurück zu führen.
Das südafrikanische Finanzministerium schätzt, dass Südafrika etwa R 33 Milliarden Rand für Infrastruktur in Vorbereitung für das Turnier ausgeben wird, wovon ca. R 12 Milliarden auf die Stadien alleine und etwa R 13 Milliarden auf die Modernisierung des öffentlichen Verkehrswesens entfallen. Tatsächlich gilt die Verkehrsinfrastruktur als das nützlichste und sichtbarste Vermächtnis der Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Dies liegt nicht etwa daran, dass der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel nicht schon eine dringliche Notwendigkeit war, bevor Südafrika den Zuschlag zur Ausrichtung des Turniers erhielt, sondern daran, dass die Veranstaltung dies zu einer Priorität für die Behörden machte und alle Regierungsebenen – lokal bis national – dazu zwang, in einer Weise zu kooperieren, die in den ersten eineinhalb Jahrzehnten südafrikanischer Demokratie kaum zu beobachten war. Projekte wie der Hochgeschwindigkeits-Nahverkehrszug Gautrain, der den Flughafen O.R. Tambo mit Johannesburg und Pretoria verbindet, wurden offiziell nicht eigens für die Weltmeisterschaft ins Leben gerufen, doch zweifellos hat Nationalstolz eine Rolle gespielt, dafür zu sorgen, dass der Zeitplan eingehalten wird und Teile der Trasse einen Beitrag dazu leisten werden, Fans pünktlich zu den Spielen mitten durch das ausufernde und notorisch verstopfte industrielle Herz Südafrikas zu transportieren.
Ebenso wurde eine ungekannte Energie in den Ausbau der wichtigsten Flughäfen des Landes gesteckt, es wurde in Unterseekabel für zusätzliche Breitbandkapazitäten investiert, die Satellitenübertragungskanäle verbessert, zusätzliche Fahrspuren auf Autobahnen sowie schnelle, integrierte öffentliche Schienen- und Bus-Nahverkehrssysteme gebaut. All dies lief nicht ohne Probleme ab, wie beispielsweise eskalierende Kosten, die erhebliche Ängste bei den Steuerzahlern wachgerufen haben, verdeutlichen. Manche der Investitionen verursachten auch Konflikte etwa mit bestehenden Anbietern öffentlicher Verkehrsmitteln, wie private Minibus-Betreiber, die viele städtische Transportrouten in Südafrika dominieren und nicht davor zurückschrecken, Gewalt einzusetzen, um ihre empfundenen wirtschaftlichen Rechte zu schützen. Doch kaum jemand kann bestreiten, dass all diese Infrastrukturverbesserungen ein dauerhaftes Vermächtnis bilden werden, oder dass sie auch ohne die Weltmeisterschaft umgesetzt worden wären.
Südafrikas öffentliches Transportsystem wurde während der Zeit der Apartheid vernachlässigt, wobei bessergestellte Weiße in der Regel private Transportmittel benutzten und die Regierung Schwarze aktiv davon abhielt, sich in städtischen Gebieten anzusiedeln und zu arbeiten. Zusätzlich erschwerten eskalierende Kriminalität nach der Apartheid und eine schlechte Verwaltung der Schieneninfrastruktur den Ausbau des bestehenden Nahverkehrsnetzes und die Entwicklung integrierter Schienen-, Bus- und Taxi-Transportsysteme. Der Zuschlag zur Ausrichtung der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2010 lieferte sowohl die nötigen Anreize als auch die unverrückbaren Termine, um die verschiedenen Regierungsebenen und privaten Betreiber dazu zu bringen, effizient zusammenzuarbeiten. Als Ergebnis haben alle Gastgeberstädte verbesserte öffentliche Transportsysteme eingerichtet, größtenteils basierend auf Busflotten mit eigenen Fahrstreifen sowie neugebauten Busbahnhöfen und Haltestellen. Diese Einrichtungen, zusammen mit anderen Formen öffentlicher Verkehrsmittel, wie Schiene und der nationale Fuhrpark an privat betriebenen Minibussen, werden den Städten auch noch lange Zeit nach dem Endspiel der Weltmeisterschaft nützen.
Laut Mercier lehrt die Wirtschaftstheorie, dass sich der Nutzen von Infrastrukturausgaben für die Wirtschaft eines Landes nicht auf den direkten Mittelaufwand beschränkt, sondern durch den „Multiplikatoreffekt“ verstärkt wird. Er weist darauf hin, dass eine Studie aus 2008, die die Auswirkungen von Sportveranstaltungen in Südafrika erfasste, zu dem Schluss kam, dass die staatlichen Ausgaben rund um die Weltmeisterschaft das reale Bruttoinlandsprodukt um etwa R 16,3 Milliarden bzw. 1,2 % steigern dürften, wenn der indirekte Effekt auf den Fertigungssektor, Betriebe und Geschäfte, Finanzdienstleistungen und internen Handel berücksichtigt wird. Frühere Studien hatten jedoch ermittelt, dass trotz der Multiplikatoreffekte, die den wirtschaftlichen Nutzen der Ausgaben rund um die Weltmeisterschaft weit über die Bau-, Maschinenbau- und Transportsektoren verstärken und bis zu 50 000 Arbeitsplätze schaffen würden und aufgrund der befristeten Länge der Aufträge, kein bedeutender Effekt auf Südafrikas hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zu erwarten sei.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen war ein gewichtiges Überzeugungsargument, um die Weltmeisterschaft den Südafrikanern vor der Bewerbung zur Ausrichtung des Turniers schmackhaft zu machen, und der potenzielle Verlust dieses Nutzens wurde von Regierungsbeamten dazu verwendet, Einwände von jenen zu entkräften, die sich durch den Einsatz von staatlichen Ressourcen zur Finanzierung eines Sportereignisses benachteiligt fühlen. Die Zahl von Unruhen und organisiertem Protest in armen Gemeinden ist seit der Zeit kurz vor den nationalen Wahlen im letzten Jahr stetig weiter angestiegen, wobei der Ärger über einen empfundenen Mangel an staatlicher Leistungserbringung sich in manchen Fällen sogar in Form von Gewalt und Sachbeschädigung Luft macht. Der ANC hat zugegeben, dass manche Bürger berechtigte Beschwerden hegen, insbesondere in Gebieten, wo Korruption und Misswirtschaft effektiv zum Zusammenbruch der örtlichen Behörden geführt haben, die von der Verfassung her das Mandat haben, eine Reihe grundlegender Versorgungsleistungen bereitzustellen. Vor kurzem warnte der Minister für Verwaltung und sozialen Wohnungsbau der Provinz Gauteng Kgaogelo Sekgoro öffentlich davor, dass gewalttätige Proteste den Fortschritt hin zur Ausrichtung eines erfolgreichen Turniers zum Scheitern bringen könnten, da die Regierung dadurch gezwungen würde, mehr Gelder als geplant für Infrastruktur auszugeben, die bei Protesten beschädigt wurde. Klar ist, dass viele Südafrikaner die Weltmeisterschaft nach wie vor als eine Vergeudung knapper Ressourcen ansehen, die besser für den Bau von Häusern für die Millionen von Wirtschaftsflüchtlingen hätten verwendet werden können, die Tag für Tag aus den ländlichen Gebieten in Südafrikas Städte strömen, nur um schließlich in Wellblechhütten zu enden.
Der Gewerkschaftsbund Cosatu, eigentlich ein Verbündeter der ANC-Regierung, hat sich besonders lautstark dazu geäußert, während er gleichzeitig Südafrikas Ausrichtung der Weltmeisterschaft dennoch kräftig unterstützt. Cosatus Generalsekretär Zwelinzima Vavi warnte kürzlich davor, dass Massendemonstrationen gegen eine Bewilligung der unabhängigen Energieaufsichtsbehörde einer Strompreiserhöhung von 25 %, „eine gewisse Dynamik entwickeln könnten, die wir nicht kontrollieren können“ und auch nach dem Beginn der Weltmeisterschaft weitergehen könnten. Wut über das Versäumnis des Turniers, einen sozioökonomischen Nutzen für die Armen zu liefern, machte sich im März öffentlich Luft, als FIFA gezwungen wurde, die Produktion des offiziellen Weltmeisterschaft-Maskottchens in China zu stoppen, als Vorwürfe laut wurden, die Arbeiter dort würden gezwungen unter „Sweatshop“-Bedingungen zu arbeiten. Es stellte sich heraus, dass ein Parlamentsabgeordneter des regierenden ANC den FIFA-Vertrag zur Produktion des Maskottchens namens Zakumi erhalten und die Herstellung umgehend an eine Fabrik in Shanghai weitervergeben hatte. Cosatu argumentierte, dass das Versäumnis der Regierung dafür zu sorgen, dass alle derartigen WM-Artikel im Lande bezogen werden, eines der Hauptziele der Veranstaltung des Ereignisses in Südafrika vereitelt habe. Cosatu forderte auch eine offizielle Korruptionsuntersuchung wegen der Vergabe von Ausschreibungen im Zusammenhang der Weltmeisterschaft, nachdem ein Auftrag über R 30 Millionen zur „Verschönerung“ der Hauptautobahn zu Gautengs internationalem Flughafen O.R. Tambo an eine Firma mit Verbindungen zu hochrangigen politischen Persönlichkeiten, ohne ein faires und offenes Ausschreibungsverfahren vergeben worden war.
Die South African Local Government Association (Salga) gab kürzlich eine Warnung an alle Stadtverwaltungen wegen der Möglichkeit von Streiks und gewalttätigen Protesten während der Weltmeisterschaft aus, mit dem Hinweis, dass Juni und Juli traditionell in Südafrikas „Streiksaison“ fielen. Das Turnier würde von manchen als ideale Gelegenheit angesehen, eine schnelle, positive Reaktion von Geschäftsführungen zu bekommen, denen daran gelegen sein dürfte negative Publicity zu vermeiden, so Salga. Stadträte sollten Notfallpläne ausarbeiten oder im Vorhinein Verhandlungen führen, um schriftliche Verträge von Gewerkschaften darüber zu bekommen, dass Arbeitskämpfe nicht die Weltmeisterschaft stören dürften.
Darüber hinaus gab es sehr viel Unzufriedenheit unter Geschäftsleuten und Nichtregierungsorganisationen über FIFAs aggressive Verteidigung der Weltmeisterschaft-Marke, ihren übereifrigen Schutz offizieller Sponsoren auf Kosten örtlicher Kleinunternehmen, sowie ihrer Forderung, Gastgeberstädte sollten mit Obdachlosen und anderen asozialen Aktivitäten vor dem Anpfiff der Veranstaltung aufräumen. Die unnachgiebige Haltung des Weltfußballverbandes hinsichtlich jeder unbefugten Benutzung von Logos und Emblemen durch Dritte war zum Zeitpunkt der Vergabe hinreichend gut veröffentlicht worden, und daher gab es relativ wenige Fälle heftiger Strafmaßnahmen gegen große Unternehmen, die im Schatten der Weltmeisterschaft-Marke das schnelle Geld zu machen versuchen. Die Besitzer kleiner Geschäfte rund um die Stadien in mehreren südafrikanischen Städten jedoch haben sich beklagt, dass ihre Möglichkeiten, Profit aus dem Dollar- und Euro-reichen Fußgängerverkehr zu schlagen, der diese Gebiete vor und nach Spielen überfluten wird, massiv eingeschränkt würde durch die pflichteifrige Anwendung von Verordnungen, die jede Bezugnahme auf das Turnier, Fußball im allgemeinen und sogar die Nationalflagge kriminalisieren. Besonders verbittert sind Verkäufer, die Produkte verkaufen, die als Konkurrenz für die Produkte von FIFAs Hauptsponsoren angesehen werden. Einige Händler prognostizieren nun sogar eher einen Rückgang ihrer Umsätze statt einer Zunahme, aufgrund der Einschränkungen, die ihnen im Bezug auf ihr Recht zu werben und zu verkaufen auferlegt werden. Eine Organisation, Ecumenical Service for Socio-Economic Transformation, ist sogar so weit gegangen, die Stadt Johannesburg zu verklagen, um sie davon abzuhalten, Straßenverkäufer vor Großveranstaltungen, insbesondere der Weltmeisterschaft, zu vertreiben. Die Stadt Kapstadt reagierte auf Beschwerden informeller Kleinhändler, die aufgrund der FIFA-Verträge mit der Stadt nicht mehr an ihren normalen Stellen verkaufen dürfen, indem sie entsprechende Verordnungen für die Dauer der Veranstaltung gerichtlich aufheben lassen will. Dies würde es informellen Kleinhändlern ermöglichen, ihre Stände in der Nähe von Fanparks und anderen geplanten Public-Viewing-Bereichen aufzuschlagen.
Insgesamt erscheint es wahrscheinlich, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 Südafrika wirtschaftlich Nutzen bringen wird durch eine relativ kurze Devisenspritze während der Veranstaltung, erhebliche Kapitalinvestitionen zu einer Zeit, in der Liquidität aufgrund der globalen Rezession ein rares Gut ist sowie durch deutliche Verbesserungen in der Transport- und Kommunikations-Infrastruktur, die ansonsten verspätet oder gar nicht stattgefunden hätten. Sie wird jedoch kein Allheilmittel für die zahlreichen ernsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rückstände sein, wie es sich viele erhofft hatten. Das größte Potenzial für langfristige positive Wirtschaftseffekte liegt in der Chance, das Land als Reiseziel für die kommenden Jahren zu vermarkten, während es die ungeteilte Aufmerksamkeit von Milliarden von Fußballfans hat, die im Fernsehen zusehen und sich wünschen, auch am Ort des Geschehens dabei sein zu können.
David Marrs ist Redakteur im kapstädter Büro der südafrikanischen Wirtschaftstageszeitung Business Day und Herausgeber ihrer Handelsbeilage, The South African Exporter. Als Journalist und Kommentator setzt er sich seit mehr als 20 Jahren mit der Politik und Wirtschaft Südafrikas auseinander.