Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika: Profitieren die Armen?

Die Fussball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika ist ein Milliardengeschäft. Stadien wurden gebaut, das Nahverkehrsnetz modernisiert und unzählige Fanartikel produziert. Doch profitieren auch die Armen Südafrikas von der WM im eigenen Land? -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Afrika.

Der Leopard Zakumi, das offizielle Maskottchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika, kommt aus China. Das sorgte für einen öffentlichen Aufschrei am Kap. Ein südafrikanischer Unternehmer hatte die Lizenz für die Produktion des grünhaarigen Maskottchens erworben und die Produktion aus Kostengründen nach China ausgelagert.

Auch wenn in diesem Fall nicht das Unternehmen FIFA „der Schuldige“ ist - die Lizenzvergabepolitik  der FIFA ist gerade in Südafrika erst auf Unverständnis, dann auf großen Unmut gestoßen. Lizenzen der FIFA werden weltweit durch die Firma „Global Brands Group“ in Singapur vergeben. Eine Bevorzugung afrikanischer Produzenten war nie vorgesehen. Viele der Fanartikel werden also nicht in Südafrika, sondern in Asien hergestellt.

Perspectives Afrika: In dieser englischsprachigen Publikationsreihe wollen wir Fachleuten aus Afrika eine Plattform bieten, ihre Ansicht zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen ihrer Regionen zu veröffentlichen. Perspectives Africa legt dabei den Fokus auf Standorte im Süden, Osten und Westen des Kontinentes an denen die Heinrich-Böll-Stiftung mit Regionalbüros vertreten ist.

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Das Maskottchen steht stellvertretend für die Frage, wie viel vom Milliardengeschäft Fußball-WM bei der breiten Bevölkerung, vor allem bei den Ärmeren, eigentlich ankommt. Wird die WM den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung für das Land bringen? Wer wird am Ende von den gigantischen Investitionen profitieren, die notwendig waren, um alle technischen und logistischen Anforderungen der FIFA zu erfüllen? Für den Bau von sechs neuen und die Aufrüstung von vier bereits bestehenden Stadien wurden über 11 Milliarden südafrikanischer Rand (1,1 Milliarden Euro) ausgegeben. Weitere 13 Milliarden Rand sind ins Transportwesen geflossen. Hätte dieses Geld, so fragen viele, nicht lieber für den Bau von dringend benötigten Häusern für die Armen Südafrikas ausgegeben werden sollen, die nach wie vor zu Hunderttausenden in Wellblechhütten leben müssen? Wäre es nicht besser in neue Schulen und Krankenhäuser investiert worden?

Die Befürworter des Sportereignisses würden einwenden, dass sich die Investitionen gelohnt haben, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen wurden, der Tourismus gefördert und das Verkehrssystem in den Städten verbessert worden sei. Und diese Argumente sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Stadtentwicklung hat durch die Weltmeisterschaft einen Schub erhalten, vor allem im Personennahverkehr wurden lange geplante Projekte zügiger umgesetzt. In den Großstädten Johannesburg und Kapstadt verkehren nun moderne Schnellbusse auf eigenen Trassen, Teile des maroden Schienensystems wurden erneuert. Auch wenn der wirtschaftliche Nutzen insgesamt kleiner ausfallen wird, als optimistische Schätzungen noch vor einem Jahr prognostiziert haben, geht das südafrikanische Finanzministerium aktuell von einem zusätzlichen Wachstum von 0,5 Prozent aus.  Die Zahl der zu erwartenden Fans musste zwar nach unten korrigiert werden, aber es werden wohl mindestens 350.000 Besucher kommen, die in diesen vier Wochen geschätzte 13 Milliarden Rand in Südafrika ausgeben werden. 

Profitiert hat vor allem die Baubranche, die durch die großen öffentlichen Aufträge Ausfälle ausgleichen konnte, die die globale Wirtschaftskrise verursacht hat. Hier wurden auch am meisten neue Jobs geschaffen. Allein für den Stadienbau wurden nach Angaben der Regierung über 130.000 Südafrikaner neu eingestellt. Die meisten dieser Jobs sind allerdings nicht dauerhaft, denn die Nachfrage nach Arbeitskräften im Baubereich ist nach Fertigstellung der WM-Projekte wieder massiv gesunken. So haben zwar viele ehemals unqualifizierte Arbeiter eine Ausbildung „on the Job“ erhalten, sind aber nun erneut arbeitslos und haben wenig Hoffnung, dass sich ihre Situation bald wieder ändern wird.

Auch für viele kleine Händler, die sich von der Weltmeisterschaft höhere Einnahmen erhofft hatten, ist die WM eine Enttäuschung. Durch die Auflagen der FIFA dürfen im Umkreis von knapp einem Kilometer um die Stadien nur Händler mit Lizenzvertrag oder FIFA-Sponsoren Handel betreiben – die vielen Stände um die Stadien, an denen von Speisen und Souvenirs bis zu Handyersatzteilen fast alles zu kaufen ist, müssen ihre Plätze räumen. Auch in Innenstädten und an Verkehrsknotenpunkten, die „sauberer“ werden sollen, müssen informelle Händler das Feld räumen – was zu wütenden Protesten geführt hat. Der Chef des südafrikanischen WM-Organisationskomitees, Dany Jordaan, hat daraufhin angekündigt, dass den Händlern Ersatzstandorte in der Nähe der „Fanparks“ angeboten werden würden, wo die Spiele kostenlos auf Großleinwänden übertragen werden. Viele Kleinhändler werden dennoch auf der Strecke bleiben, denn für die Zuweisung der neuen Standorte müssen Auflagen erfüllt werden, die sie nicht einhalten können.

Gegen den strengen Schutz der Marke „Worldcup 2010“ und die Lizenzvergabepolitik der FIFA hat auch der Gewerkschaftsdachverband Südafrikas, COSATU, protestiert. In einem Land mit einer Arbeitslosigkeit von rund 30 Prozent, so die Gewerkschafter, müsste ein so teures Sportereignis zumindest zur Unterstützung der lokalen Industrie und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt werden. Aber die FIFA lässt diese Proteste unbeeindruckt. Sie hat selbst die lokale Produktion von fußballförmigen Süßigkeiten für Kinder, die die Aufschrift „2010“ trugen, per Gerichtsbeschluss unterbunden. In den Medien wurde daraufhin ironisch bemerkt, dass man bald nicht einmal mehr das Wort Worldcup aussprechen dürfe. Eine lokale Fluggesellschaft warb mit dem Spruch: „Wir fliegen Sie zum „Sie wissen schon“.
Tatsächlich hat sich die FIFA zu wenig auf die Gegebenheiten in Südafrika eingestellt oder einstellen wollen. Damit wurde die Chance vertan, das Großereignis als breitenwirksamen Entwicklungsimpuls zu nutzen. Wenngleich einige Branchen profitiert haben, wird die Weltmeisterschaft für die meisten Südafrikaner ein Sportereignis der Superlative werden, auf das sie stolz sein werden. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.