10. Schutz von Investoren in TTIP – was ist geplant?

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Das "I" in TTIP: In diesem wesentlichen Kapitel der Verhandlungen geht es um "Investorenschutz". EU und USA wollen in TTIP inhaltliche Verpflichtungen zum Schutz von Investoren einbauen

Ein wesentliches Kapitel in den Verhandlungen ist dem "Investorenschutz" gewidmet – dem I in TTIP. Kritisch zu bewerten ist dabei, dass nicht ordentliche Gerichte, sondern Schiedsgerichte bei Investor-Staat-Klagen entscheiden sollen.

Die EU und die US wollen in TTIP inhaltliche Verpflichtungen zum Schutz von Investor/innen einbauen; ausländischen Investor/innen soll zudem das Recht eingeräumt werden, das jeweilige Gastland wegen Verletzung dieser Verpflichtungen zu verklagen.

Ein Beispiel für eine Regel zum Schutz von Investor/innen ist der Schutz vor Enteignungen. Angestrebt ist dabei auch ein Schutz vor sogenannten indirekten Enteignungen – Maßnahmen, die sich nicht direkt gegen einen Investor richten, aber ähnliche Auswirkung haben können. Zum Beispiel hat das bulgarische Parlament beschlossen, ab Jahresanfang 2014 eine Steuer in Höhe von 20 Prozent auf die Produktion von Strom aus Photovoltaik- und Windanlagen zu erheben. Investoren und Investorinnen hatten ihre Kalkulationen natürlich ohne diese Steuer aufgestellt, weshalb die geänderten Rahmenbedingungen nach ihrer Ansicht einer "indirekten Enteignung" gleich kommen. Kritiker/innen von Investitionsschutzregeln sind dagegen der Meinung, dass ein allgemein gehaltenes, staatliches Gesetz nicht als Enteignung verstanden werden kann und soll – Investor/innen können nicht erwarten, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen in einem Land nicht ändern.

Nach den Regeln, die bisher im internationalen Recht gelten, bestehen die Schiedsgerichte, vor denen Investor/innen klagen können, wenn sie der Meinung sind, dass ein Staat seine Verpflichtungen zum Schutz von Investor/innen verletzt, in der Regel aus drei Juristen und Juristinnen, die teilweise in anderen Fällen für den privaten Sektor arbeiten. Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Streitfälle nicht im normalen Rechtssystem des Gastlandes ausgetragen werden; häufig sind die Verfahren und auch die Schiedssprüche zudem geheim. Der Schiedsspruch ist bindend, eine Revision ist nicht möglich. Weitere Informationen hierzu gibt die Studie „Investor-Streit-Schlichtungsverfahren in TTIP - eine Gefahr für Umweltmaßnahmen?“ (PDF in englischer Sprache) sowie der Dossier-Artikel "I wie Investitionsschutz in TTIP" von Christiane Gerstetter.

Ein Beispiel für ein Investor-Staat-Verfahren aus der Vergangenheit ist die Klage von Vattenfall gegen Deutschland wegen nachträglicher Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg. Die Details sind nicht öffentlich, aber laut Berichten endete das Verfahren mit einem Vergleich: dies dürfte bedeuten, dass die Umweltauflagen teilweise wieder gelockert wurden. Dieser Verfahrensausgang ist allerdings insofern untypisch, als der Investor hier keinen Schadensersatz erhielt – häufig das Ziel von Investor/innen bei solchen Klagen.

Eine der höchsten bisher bekannten Summen an Schadensersatz, nämlich 2,3 Milliarden US-Dollar, wurde einem Investor in einer Klage gegen Ecuador zugesprochen. Dabei ging es um Verträge zur Öl-Förderung. Diese fand unter anderem im ecuadorianischen Regenwald statt. Im Durchschnitt liegt der zugesprochene Schadensersatz in bekannt gewordenen Fällen jedoch deutlich niedriger. Laut einer Studie von Susan Franck, Jura-Professorin an einer US-Universität, betrug der Schadensersatz für Investor/innen in Fällen, die diese gewannen, im Durchschnitt 16,6 Millionen US-Dollar.

Eine Studie der NGOs Corporate Europe Observatory und Transnational Institute hat die Schiedsverfahren im Jahr 2011 untersucht. Demnach gab es 130 Schiedsverfahren, von denen 55 Prozent aller Entscheidungen von nur 15 Anwält/innen aus nur drei Anwaltskanzleien getroffen wurden. Hierbei tritt die gleiche Kanzlei mal für die eine, dann für die andere Seite auf; eine Einflussnahme auf die Schiedsentscheidung liege auf der Hand, so die Studie. Zumal es sich dabei um ein lukratives Geschäft handele: Bis zu 30 Millionen Dollar würden pro Fall den Anwält/innen gezahlt, im Falle der beteiligten Staaten aus Steuergeldern. Beispielsweise zitiert die Studie einen Fall der Philippinen, die an eine Anwaltskanzlei 58 Millionen US-Dollar zahlten, um sich zweimal gegen den deutschen Flughafenbetreiber Fraport zu wehren. "Davon hätte man 12.500 Lehrer für ein Jahr beschäftigen können. Oder 3,8 Millionen Kinder gegen Typhus impfen". Fazit: Solche Verfahren würden durch TTIP einen Aufschwung erleben.

Kritiker/innen wie die Bündnisgrüne Europa-Abgeordnete Ska Keller oder das Bündnis Attac sehen durch die Schiedsgerichtsverfahren nichts Geringeres als die Demokratie bedroht. Durch das Schiedsgerichtsverfahren werde es möglich, dass ein ausländisches Unternehmen in einem geheimen und nicht kontrollierbaren Prozess die Gesetzgebung eines souveränen Staates aushebele. Dies sei eine verzerrte "Rechtsprechung".

Tatsächlich zeigte die Kritik an den Schiedsgerichtsverfahren Wirkung: Ende Januar 2014 setzte die EU-Kommission die Gespräche mit den USA zu diesem Punkt aus und führte eine öffentliche Befragung durch. Die Kommission erhielt eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Stellungnahmen (PDF) - fast 150.000. Im Herbst 2015 veröffentlichte die Kommission daraufhin einen Vorschlag für ein Investitionsschutzkapitel in TTIP (PDF), das erhebliche Veränderungen gegenüber dem bisherigen Modell von Investitionsschutzverfahren vorschlägt. Die Kommission schlägt darin die Einrichtung eines permanenten Investitionsschutzgerichtshofs mit zwei Instanzen vor. Es gibt keine öffentlich verfügbaren Dokumente dazu, ob die USA diesem Vorschlag zustimmen werden.

Aktualisierte Version vom 25. Februar 2016.