Skandal mit Folgen

Hintergrund

Nach dem Skandal um die Flucht des sudanesischen Präsidenten aus Südafrika, spricht der regierende ANC sogar vom Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof. Doch der Fall Bashir hat auch bewiesen, dass die südafrikanische Justiz klar zum Völkerrecht steht.

Südafrikas regierende Partei, der ANC, geht in die Offensive und macht den Skandal um den trotz richterlicher Anordnung geflohenen sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir so noch schlimmer.

Al-Bashir wird auf der Grundlage von zwei Haftbefehlen des IStGH für Gewalttaten gesucht, die in der Region Darfur im Sudan verübt wurden. Der erste wurde im März 2009 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Der zweite ist vom Juli 2010 und klagt ihn des Genozids an. Südafrika ist einer der 34 afrikanischen Vertragsstaaten des IStGH und somit durch das Römische Statut zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verpflichtet. Dies beinhaltet unter anderem die Ausführung von Haftbefehlen.

Dass man im ANC innerafrikanische Diplomatie über internationale Rechtsverpflichtungen stellt, machte der Vorsitzende des Partei-Unterausschusses für internationale Beziehungen, Obed Bapela, deutlich: Man habe bewiesen, Teil des Kontinents zu sein. Der Strafgerichtshof werde als Instrument mächtiger Nicht-Mitgliedsstaaten missbraucht, die Regierungswechsel in Afrika anstreben würden, teilte er den aufgebrachten südafrikanischen Medien mit.

Dabei gehörte Südafrika zu den ersten Ländern, die 1998 das Römische Statut unterzeichneten. Es integrierte auch als eines der ersten Länder die Bestimmungen des Römischen Statutes in die nationale Gesetzgebung. Unter Regierungschef Zuma drängt die Partei nunmehr zur Abkehr: "Der IStGH ist kein brauchbares Instrument mehr, um die Ziele zu erreichen, für die er geschaffen wurde: die Verfolgung und Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit!,“ ließ Bapela weiter verlauten.

"Prüfen, ob Mitgliedschaft den Zielen dient"

Nun ist Südafrika beileibe nicht der erste Staat, in den der sudanesische Präsident reiste, seit er vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt ist: Äthiopien, Tschad, Nigeria, Kenia waren bereits willige Gastgeber. Aber neben Kenia ist das Land am Kap eben Vertragsstaat des IStGH und damit verpflichtet, den per Haftbefehl gesuchten festzusetzen und nach Den Haag auszuliefern.

Doch der ANC geht über den Vertragsbruch hinaus und erwägt offenbar einen vorläufigen Austritt aus dem Rom-Statut des IStGH. So kündigte Obed Bapela an, dass sein Unterausschuss bereits an einer Vorlage für die Partei arbeite:

“Es ist Politik des ANC, dass wir Mitglied des IStGH bleiben”, aber “angesichts der jüngeren Entwicklungen müssen wir unsere Position dahingehend überprüfen, ob eine Mitgliedschaft den Zielen dient - oder ob der IStGH von Kräften, die gegen den Fortschritt sind, vereinnahmt wurde“.

Flankiert wurden Bapelas Bemerkungen durch den Generalsekretär des ANC Gwede Mantashe, der betonte, der Internationale Strafgerichtshof sähe die Schwachen immer als schuldig und die Starken immer als unschuldig an. “Es ist klar bewiesen, dass der IStGH mehrheitlich dafür benutzt wird, in den meisten Fällen regime change herbeizuführen,” führte er weiterhin aus.

Politik vor Recht?

Starker Tobak, denn eine suspendierte Mitgliedschaft ist im Rom-Statut nicht vorgesehen. Ein Austritt müsste daher vom südafrikanischen Parlament beschlossen werden und würde einer Frist von mindestens einem Jahr bedürfen. Sollte dies gelingen, ist es das falsche Signal auf dem Kontinent in einer Zeit, zu der die Kritik am Strafgerichtshof gerade von den autoritären Herrschern immer lauter wird.

Der ANC streckt sich nach der Möglichkeit, dass in Afrika verübte Verbrechen künftig von einem Gericht der Afrikanischen Union (AU) verhandelt werden. Die AU müsse ihre eigenen Institutionen zur Unterstützung von Menschenrechten stärken. Ein Projekt, das kein anderer den Mitgliedern der AU so ans Herz legte wie Uhuru Kenyatta, der wegen seiner Rolle als mutmaßlicher Drahtzieher von Unruhen nach den Präsidentenwahlen 2007 in Kenia selbst in Den Haag vorgeladen war.

Aber eins hat der Fall Bashir in Südafrika auch bewiesen: Die südafrikanische Justiz steht klar zum Völkerrecht. Zwar wird die Ablehnung des IStGH unter afrikanischen Staatschefs immer populärer und findet selbst in Beschlüssen der Afrikanischen Union ihren Ausdruck, aber Richter wie Dunstan Mlambo, der al-Bashir‘s Verhaftung in Pretoria beantragt hatte, finden sich womöglich auch in anderen afrikanischen Staaten. NGOs wie das Southern Africa Litigation Center ebenso, und in einigen der Gesellschaften auf dem Kontinent dürfte es ebenfalls heftig rumoren, wenn die Exekutive sich wie im Fall Südafrikas über die Judikative erhebt und „Politik vor Recht“ walten lässt.