Trotz enormer Barrieren setzen sich zivilgesellschaftliche Aktivist_innen auf dem ganzen Kontinent dafür ein, das Leben von LSBTI zu verbessern. Brian Pellot sprach mit zwei Aktivist_innen aus Uganda und Botswana und erhielt Insider-Einblicke in den fortwährenden Kampf und die kleinen Triumphe.
Sexuelle Minderheiten und mit nonkonformer Geschlechtsidentität (SOGI) sind in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara nach wie vor auf bedrohliche Weise von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Eine Mischung aus diskriminierenden Gesetzen und gesellschaftlichen Anfeindungen führen zu Vorurteilen und Gewalt von alarmierendem Ausmaß gegen diese marginalisierten Gemeinschaften. Trotz enormer rechtlicher und kultureller Barrieren setzen sich zivilgesellschaftliche Aktivist_innen auf dem ganzen Kontinent dafür ein, das Leben von LSBTI zu verbessern. Brian Pellot sprach mit zwei führenden Aktivist_innen aus Uganda und Botswana und erhielt Insider-Einblicke in den fortwährenden Kampf und die kleinen Triumphe.
Barigye Ambrose ist ein in Uganda lebender LSBTI- und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet als Redakteur für Außenaufnahmen und Reporter für die Kuchu Times Media Group, eine ugandische Nachrichtenplattform, die sich auf LSBTI-Themen konzentriert. Zudem ist er anerkannter Bildungsreferent für Gesundheitsfragen der SOGI. Bevor er zur Kuchu Times ging, arbeitete er als Sachbearbeiter in der Organisation Spectrum Uganda Initiatives.
Bradley Fortuin ist Kommunikations- und Dokumentationsbeauftragter bei LeGaBiBo (Lesbians, Gays and Bisexuals of Botswana), der ersten Organisation des Landes, die sich für die Rechte der LSBTI-Gemeinschaft einsetzt. Außerdem ist er Mitbegründer des jährlich stattfindenden Filmfestivals Batho Ba Lorato, bei dem die Menschenrechte von LSBTI im Mittelpunkt stehen.
BP: Welche Faktoren verhindern derzeitig, dass die LSBTI-Gemeinschaft in Uganda bzw. Botswana uneingeschränkt und gleichberechtigt in den Genuss von Menschenrechten kommt?
Barigye Ambrose: Kulturell gesehen lehnen die meisten Menschen in Uganda die Homosexualität strikt ab. Viele sind der Meinung, sie sei ein Import aus dem Westen, mit dem die traditionelle afrikanische Familie zerstört werden soll. Hassverbrechen – sowohl physischer als auch verbaler Art – gegen sexuelle Minderheiten haben zugenommen. Die Mehrheit der Bevölkerung kann sich immer noch nicht vorstellen, dass LSBTI dieselbe Achtung gebührt wie allen anderen Menschen.
Zudem opfern Politiker_innen im Kampf um Wählerstimmen gern LSBTI-Rechte. Sie versprechen ihren Wähler_innen, dass sie gegen die Homosexualität vorgehen werden, wenn sie erst im Parlament sitzen. Nach Artikel 145 des Strafgesetzbuches wird „Geschlechtsverkehr … entgegen der natürlichen Ordnung“ mit lebenslanger Haft bestraft. Auch andere Gesetze benachteiligen sexuelle Minderheiten, weshalb LSBTI nur wenig Vertrauen in das Rechtssystem haben.
Und nicht zuletzt üben Kampagnen gegen Homosexualität von lokalen und ausländischen evangelikalen Organisationen und anderen religiösen Fundamentalist_innen starken Einfluss auf die rechtliche Benachteiligung von LSBTI aus. Die religiösen Führungsfiguren dämonisieren alles, was mit LSBTI zu tun hat. Sie erzählen den Gläubigen, dass Schwule Geld aus dem Westen erhalten, um Kinder zur Homosexualität zu verführen, dass die Homosexualität zum Plan des Westens gehöre, den afrikanischen Kontinent zu entvölkern, dass die LSBTI die Ursache für alle Probleme Ugandas seien und Gott die Afrikaner_innen dafür bestrafe, dass sie dies weiterhin zulassen. Botschaften dieser Art haben den Hass der ugandischen Bevölkerung gegen LSBTI noch weiter geschürt. All das führte dazu, dass viele Menschen, die verdächtigt wurden, zur LSBTI-Gemeinschaft zu gehören, aus Furcht vor Verfolgung, Stigmatisierung, willkürlicher Festnahme und der Ablehnung durch Freunde und Familie aus dem Land flohen.
Bradley Fortuin: In Botswana werden LSBTI mit Artikel 164 des Strafgesetzbuchs verfolgt, der „Geschlechtsverkehr … entgegen der natürlichen Ordnung“ verbietet.
Als afrikanisches Land, das an traditionellen und kulturellen Normen festhält, hat Botswana diese Normen immer im Kampf gegen die Homosexualität eingesetzt. In den Augen der Menschen ist Homosexualität nicht afrikanisch, sondern wurde aus der westlichen Welt eingeführt.
Aufgrund des genannten Gesetzes hält der Durchschnittsmensch in Botswana Homosexualität für illegal und bringt überdies gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten und Fragen der SOGI durcheinander. Das fördert die Stigmatisierung unserer Gemeinschaften. Viele im Gesundheitswesen Tätige haben Angst, ihren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen, wenn sie Personen aus der LSBTI-Gemeinschaft behandeln. Deshalb verweigern sie diesen Menschen häufig die Behandlung, obwohl alle Menschen einen Rechtsanspruch auf medizinische Versorgung haben.
Auch die Medien haben einen starken Einfluss darauf, wie die Gesellschaft über LSBTI denkt. Die nationalen Fernseh- und Radiosender berichten über die Situation von LSBTI in Uganda und Südafrika, aber nicht über die Gemeinschaft in Botswana, weil sie die Leute glauben machen wollen, dass es in Botswana keine LSBTI gäbe. Die Gesetze und deren Auslegung sorgen für weitere Schranken. Viele Organisationen arbeiten nur ungern mit uns zusammen, weil wir uns mit LSBTI-Fragen beschäftigen.
Wer sind die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich in Uganda bzw. Botswana für die Rechte der LSBTI einsetzen, und wer unterstützt sie?
Barigye Ambrose: In Uganda gibt es einige lokale LSBTI-Organisationen, darunter Sexual Minorities Uganda (SMUG), Freedom & Roam Uganda (FARUG), Spectrum Uganda Initiatives, Icebreakers und die Rainbow Health Foundation. Die meisten werden von internationalen Stiftungen unterstützt, unter anderem von Hivos, von der Arcus Foundation, der Astrea Lesbian Foundation for Justice und der Open Society Initiative for Eastern Africa.
Unsere wichtigsten Mitstreiter sind das Human Rights Awareness and Promotion Forum (HRAPF), das Chapter Four Uganda, das East and Horn of Africa Human Rights Defenders Project, das Human Rights Network Uganda (HURINET) sowie andere bekannte Menschenrechtsorganisationen, Menschenrechtler, Rechtsanwälte, diplomatische Vertretungen und einige fortschrittliche Vertreter_innen von Glaubensgemeinschaften.
Bradley Fortuin: Bei der LeGaBiBo haben wir uns mit Leib und Seele der LSBTI-Gemeinschaft verschrieben. Wir sind wie Gladiatoren mit Regenbogenfahnen. Bis wir selbst als Organisation anerkannt wurden, haben wir unter dem Dach des Botswana Network on Ethics Law and HIV/AIDS (BONELA) gearbeitet, das auch sehr aktiv in diesem Bereich ist. Des Weiteren widmen sich das botswanische Menschenrechtszentrum DITSHWANELO dem Thema und Organisationen, die Gesundheitsdienste für MSM (men who have sex with men/Männer, die Sex mit Männern haben) anbieten wie das Mathambo Centre for Men’s Health. Die Rainbow Identity Association ist die wichtigste Gruppe, die schwerpunktmäßig zu Problemen von Trans- und Intersexuellen arbeitet.
Der Großteil der uns zur Verfügung stehenden Gelder kommt von internationalen Gebern und zwei oder drei Gebern aus der Region. Dazu gehören das britische Hochkommissariat und die US-Botschaft in Gaborone, die Open Society Initiative for Southern Africa, Hivos, The Other Foundation, die AIDS Rights Alliance of Southern Africa, Outright International und der American Jewish World Service.
Auf lokaler Ebene haben sich alle Organisationen, die zu LSBTI-Themen arbeiten, zu einer breiten Bürgerkoalition zusammengeschlossen. Wir arbeiten auch mit fortschrittlichen Kirchen, Medienvertretern und im Gesundheitswesen Tätigen, die der LSBTI-Gemeinschaft bereitwillig und gern ihre medizinischen Dienste anbieten. LeGaBiBo ist zudem im Lenkungsausschuss des Gesundheitsministeriums vertreten und arbeitet mit der nationalen AIDS-Koordinierungsbehörde zusammen.
Auf regionaler Ebene sind wir Mitglied der Pan Africa ILGA (PAI), der Coalition of African Lesbians und von African Men for Sexual Health and Rights (AMSHeR).
Ohne diese verschiedenen Partnerschaften gäbe es LeGaBiBo vermutlich gar nicht. Die Organisationen unterstützen uns, LSBTI-Gemeinschaften an schwierigen Orten zu erreichen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern und etwas über die internationalen Aktivitäten anderer Gruppen zu erfahren.
Vor welchen Herausforderungen und Bedrohungen stehen diese zivilgesellschaftlichen Akteure und wie gehen sie damit um?
Barigye Ambrose: Die Regierung Ugandas hat strenge Gesetze verabschiedet, die den Organisationen, die sich für die Rechte von LSBTI einsetzen, und ihren Unterstützer_innen die Arbeit erschweren. Beispielsweise wurde 2016, nachdem das Verfassungsgericht das Anti-Homosexualitätsgesetz gekippt hatte, ein Gesetz eingeführt, das Nichtregierungsorganisationen Steine in den Weg legt, sich für LSBTI-Rechte einzusetzen. Zu den weiteren Faktoren, die unsere Arbeit behindern, gehören wirtschaftliche Schwankungen, die sich auf unseren Finanzhaushalt auswirken, Drohungen seitens des Directorate for Ethics and Integrity, willkürliche Verhaftungen, rechtswidrige Durchsuchungen sowie die Einschüchterung von Aktivist_innen und ihren Unterstützer_innen, die für die Rechte von LSBTI kämpfen.
Trotz dieser feindseligen und unberechenbaren Rahmenbedingungen ist es uns gelungen, unsere Arbeit fortzuführen. Zum Schutz der Mitarbeitenden und der Dokumente bildeten wir Sicherheitskomitees und führten sichere Verfahrensweisen ein. Wir wandten uns immer wieder an verschiedene Regierungsstellen, gaben bei jeder Gelegenheit Erklärungen ab und führten Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch, um der Homo- und Transphobie entgegenzuwirken. Durch den Aufbau eines starken lokalen und internationalen Netzwerks konnte eine Menge erreicht werden.
Bradley Fortuin: Im Jahr 2010 wurden in Botswana die Arbeitsgesetze dahingehend verändert, dass Menschen nicht länger aufgrund ihrer sexuellen Orientierung entlassen werden können. Das ist zwar ein Fortschritt, der aber leider Trans- und Intersexuelle nicht miteinschließt.
Eine unserer größten gesellschaftlichen Hindernisse ist die Kirche. Vor den letzten Wahlen kündigte die Evangelical Fellowship of Botswana einen Feldzug gegen jede/n Politiker_in an, die/der für LSBTI-Rechte eintreten würde. Das hielt viele Politiker_innen davon ab, weiter mit uns zusammenzuarbeiten, weil sie befürchteten, dadurch Stimmen zu verlieren.
Ein Blick nach Südafrika offenbart, dass die Gesetze dort auf dem Papier sehr gut aussehen, aber die Menschen nicht immer so aufgeschlossen und tolerant sind, wie man vielleicht denkt. In Ländern wie Uganda, Nigeria, Simbabwe und Kenia, in denen die führenden Politiker_innen keinen Hehl aus ihren negativen Ansichten machen, werden LSBTI getötet oder in Gefängnisse gesteckt. Während sich also andernorts die Politiker_innen ausdrücklich gegen Rechte für die LSBTI-Gemeinschaft aussprechen, ist von den Politiker_innen in Botswana kaum etwas zu diesem Thema zu hören.
Dieser Artikel ist Teil unseres Dossiers "Wie LSBTI-Menschen weltweit für ihre Rechte kämpfen".