Am 29. Juli finden in Kambodscha die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Doch die einzige Oppositionspartei im Parlament wurde im Vorfeld der Wahl verboten. Das Land steuert auf ein Ein-Parteien-System zu.
Als im Jahr 2013 die neu geformte Oppositionspartei Kambodschas, die Partei zur Nationalen Rettung CNRP, bei den Wahlen zur Nationalversammlung über 40% der Stimmen bekam, erfuhr das Land so etwas wie einen politischen Frühling. Plötzlich wurde offen über die Probleme des Landes wie überbordende Korruption, Vetternwirtschaft, Landraub, mangelhaftes Bildungssystem und fehlende soziale Sicherheit diskutiert. Die Jugend ging auf die Straße und zelebrierte die Demokratie und sich selbst.
Der Erfolg der Oppositionspartei brach ihr gleichzeitig das Genick
Als sie bei der Kommunalwahl 2017 an der 50-Prozentmarke kratzte, wurde der regierenden kambodschanischen Volkspartei CPP bewusst, dass bei fairen und freien Wahlen 2018 ein Machtwechsel drohte. Was folgte war nicht weniger als ein massiver Abbau demokratischer Spielräume. Oppositionsnahe Radiostationen und Zeitungen wurden geschlossen, die CNRP selbst wurde unter dem Vorwand des Landesverrats verboten. Oppositionsführer Sam Rainsy musste ins Exil gehen, sein Stellvertreter Kem Sokha wurde inhaftiert. Facebook und Twitter wurden fortan überwacht und kritische Stimmen vor Gericht gezerrt.
Die Ermordung des prominenten Regimekritikers Kem Ley unter bisher ungeklärten Umständen, die willkürliche Verhaftung von Aktivist/innen sowie eine gewalttätige politische Rhetorik haben sich auch auf die Arbeit der Zivilgesellschaft ausgewirkt. Mit der massiven Einschränkung demokratischer Freiheiten wurden die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre zurückgeschraubt. Die Frauen sind die Verliererinnen des Demokratieabbaus. Deutlich wird dies bei dem klar verfehlen Anspruch von Regierung und Opposition, die Präsenz von Frauen in der Politik zu fördern.
Wer den Mund aufmacht, wird aufgelöst
Immer wieder droht die Regierung all jenen Organisationen, die sich nicht politisch neutral verhalten, sie aufzulösen; Drohungen, die sich vor allem gegen regierungskritische NRO richten. Politisch neutral ist in diesem Sinne als stumm zu interpretieren.
Nach dem Verbot der CNRP wurden alle ihre Sitze in den Gemeinderäten an die Regierungspartei verteilt. Eine rechtliche Grundlage dafür gibt es nicht. Da die Gemeinderäte wiederum den Senat wählen, war es nicht verwunderlich, dass bei den nachfolgenden Senatswahlen im Februar 2018 die Regierungspartei CPP 100% der Sitze erhielt. Die Wahlen zur Nationalversammlung Ende Juli drohen ohne die Teilnahme der großen Oppositionspartei zur Farce zu werden. Zwar haben sich etliche kleine Parteien zur Wahl registriert, doch gelten sie entweder als regierungsnah oder sind völlig unbekannt.
Mit Zuckerbrot und Peitsche zum Wahlsieg
Gleichzeitig verteilt die Regierung Geschenke an die Bevölkerung: Der seit über 30 Jahren regierende Premierminister Hun Sen hat persönlich Bargeld an Textilarbeiterinnen verteilt. Darüber hinaus wurde allen Veteranen der Armee ein neues Haus versprochen, und Schwangere sollen zukünftig 40 Dollar während der Schwangerschaft erhalten. Landesweit wurden neue Baugenehmigungen für die lokale Bevölkerung erteilt. Und zum wiederholten Male wurde versprochen, die so genannten Geisterangestellten (Namen von Personen auf Gehaltslisten, die nicht existieren) in den Ministerien und der öffentlichen Verwaltung zu streichen, um damit die Korruption zu beenden.
Im Zuge dieser Maßnahmen wurden allerdings auch endlich einige Landkonflikte abschließend gelöst, an denen Partnerorganisationen der Heinrich Böll Stiftung seit vielen Jahren arbeiten. Beispielsweise bekamen am Süden Phnom Penhs 138 Familien nach jahrelangem Kampf nun Landtitel zugesprochen und sind damit vor Vertreibung sicher.
Mit dieser Politik von Zuckerbrot und Peitsche dürfte das Wahlergebnis schon feststehen: Alles andere als eine übergroße Mehrheit für die Regierungspartei dürfte einem Wunder gleichkommen. Kambodscha steuert somit auf ein Ein-Parteien-System zu.
Für die Demokratie in Kambodscha sieht es schlecht aus
Zwar hat die EU unter den gegenwärtigen Umständen ihre Unterstützung für die Wahlen zurückgezogen. Es wird auch keine offizielle Wahlbeobachtung geben. Doch mit weitergehenden Schritten tut sich der Westen schwer. Seit Jahren ist bekannt, dass die Handelsvorteile Kambodschas zum zollfreien Export von Waren in die EU teilweise mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Und obwohl die EU bereits 2013 eine Untersuchung ankündigte, ist diese bis heute nicht vollzogen worden.
Das Standardargument für weitere Kooperation mit der kambodschanischen Regierung ist immer, dass man das Land nicht in die Hände von China treiben wolle. Dabei wird ausgeblendet, dass China schon immer ein starker Verbündeter jeglicher kambodschanischer Regierung war. Massive chinesische Investitionen, Blankoschecks für Militärausgaben sowie finanzielle Unterstützung für regierungsnahe NGOs werden von Kambodscha mit Unterstützung Chinas auf der internationalen Bühne vergolten. Und China braucht Kambodscha, um eine gemeinsame Position der ASEAN-Staaten im Konflikt um das südchinesische Meer zu verhindern.
In diesem Sinne ist die kambodschanisch-chinesische Kooperation eine win-win-Situation für beide Länder. Für die Demokratie in Kambodscha verheißt das nichts Gutes.