Über Ostdeutschland reden

30 Jahre Mauerfall nach 40 Jahren Teilung – gehören Sie zu denen, die finden, dass die 40 Jahre DDR doch endlich ins Museum gehören? Verständlich. Für Viele ist „Ostdeutschland“ heute eine Region wie jede andere - wie Rheinland, Ruhrpott oder Harz eben auch. Aber Geschichte und Biografie lassen sich nicht abschütteln wie Staub von den Schuhen. Erfahrungen und Identitäten bleiben und prägen Generationen, die selbst keine gelernten DDR-Bürgerinnen und -Bürger sind.

Wie viel Glut im Rückblick auf die DDR und vor allem auf die Phase ihrer Abwicklung in den 1990ern noch steckt, zeigt die neue Debatte um den Osten. Aber wer oder was ist eigentlich nach drei Jahrzehnten wiedervereinigtes Deutschland gemeint? Die 11 Prozent Männer und vor allem Frauen, die jetzt im alten Westen wohnen? Oder die, die 1991 ihr Leben im Westen aufgaben und in den Osten gezogen sind? Oder sind nur, aber auch nur die gemeint, die vor dem Stichtag 3. Oktober 1990 auf dem Territorium der DDR geboren wurden? Und wie haben sich die Dinge eigentlich im Westen der Republik entwickelt, wo „die Wende“ nicht, die Wiedervereinigung aber doch stattgefunden hat? Keine leicht zu beantwortenden Fragen. Gesellschaftliche Prägungen überlagern sich, das kollektive Gedächtnis rückt sich die Geschichte jeweils zurecht, und jeder erzählt seine Geschichte ein bisschen anders.

Gerade deshalb laden wir zum Reden, Nachfragen und Weiterdenken ein. Worum es eigentlich geht in diesem neuen Land, das wir seit 30 Jahren bewohnen – das wollen wir in unseren Veranstaltungen mit Ihnen erkunden.

Der «Osten» ist keine soziale und kulturelle Enklave, keine wirtschaftliche Steppe. Und „die Ostdeutschen“ sind natürlich völlig unterschiedliche Menschen. Viele von ihnen haben durch zwei Diktaturen besonders viel Erfahrung mit einem Leben ohne Rechtsstaat, ohne Meinungsfreiheit und ohne stabile Demokratie. Manche Region hier hat mit dem Problem des Rechtsextremismus stärker zu kämpfen als andere Bundesländer. Aber der Osten, das sind Menschen – und hier wird es spannend –, die transformationserprobt sind, erfinderisch und vielfältig.

Längst tragen engagierte Alteingesessene, Zugezogene und Zurückgekehrte vielerorts eine lebendige Zivilgesellschaft. Die Böll-Landesstiftungen sind hier verwurzelt und laden ein, zu Gesprächen über Aufbrüche und Umbrüche, über alte und neue Konflikte, den Stand unserer Gemeinsamkeiten und Verabredungen für heute und morgen. 

Ihre Ellen Ueberschär