Schutzschirm für Familien

Kommentar

Groß sind die Herausforderungen für Familien im Lockdown und länger. Sie stärker in den Blick der öffentlichen Debatte und Politik zu nehmen, fordern unsere Autor/innen anlässlich des Internationalen Tags der Familie am 15. Mai: Kinder und Eltern sind kein Nebenschauplatz.

"Rettungsschirm" symbolisch

Nach den bundesweiten Kita- und Schulschließungen im März öffnen diese nun  stufenweise. In Kitas wird die Notbetreuung ausgeweitet, in Schulen dürfen einzelne Klassenstufen  zurückkehren. Ziel ist es, bald allen Kindern zumindest im eingeschränkten Umfang den Kita- und Schulbesuch  zu ermöglichen. Um in Kleingruppen zum Regelbetrieb zurückzukehren, fehlen Kitas und Schulen allerdings mehrheitlich die räumlichen und personellen Voraussetzungen. Außerdem ist die Bedeutung von Kindern in der Übertragung von Covid-19 bislang nicht abschließend geklärt und damit wird die Rückkehr zur Normalität in Kitas und Schulen bis auf weiteres nicht möglich sein. Dies mag aus gesundheitspolitischen Gesichtspunkten richtig und wichtig sein.

Ohne die Rückkehr zur Normalität entfallen auf unabsehbare Zeit aber zentrale Betreuungs- und Bildungsgelegenheiten. Und daraus resultieren vielerlei Probleme: Die Eltern dieser Kinder – mehrheitlich zwei erwerbstätige Eltern, versuchen vielfach im Homeoffice, in systemrelevanten Berufen oder auch an anderen Arbeitsplätzen ihrer Erwerbsarbeit nachzugehen und sich gleichzeitig ihren Kindern zu widmen. Andere Eltern sind in Kurzarbeit und haben große wirtschaftliche Sorgen. Effektives Lernen – sei es in der Kita oder Schule – wird für viele Kinder über einen längeren Zeitraum nicht in vollem Umfang oder überhaupt nicht stattfinden. Lernen wird also auch weiterhin außerhalb der formalen Bildungsinstitutionen erfolgen müssen, wo vielfach geeignete Lernumgebungen und Unterstützung fehlen. Außerdem sind viele Schulen noch nicht vorbereitet auf digitalen Unterricht. Das erschwert für viele Kinder das Lernen - Kinder mit einem spezifischen Förderbedarf und Kinder aus anregungsarmen Haushalten wird das besonders stark betreffen. Dazu kommt, dass Schulen und Kitas kaum noch Einblicke in die Entwicklung und den Lernfortschritt der Kinder erhalten, und als Orte der Fürsorge und Verpflegung mit ausgewogenen Mahlzeiten wegfallen.

Familiäre Belastung unterschätzt

Die erste Lockdown-Phase von Covid-19 hat bereits demonstriert, wie groß die Herausforderungen für Familien sind, Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kinderbetreuung, Förderung von Kindern, und Gleichstellung zu vereinbaren. Wer meint, Familien würden ohne weitere Unterstützung auch die nächste Zeit ohne Kita- und Schulnormalität schon meistern, verkennt die Belastung, legt ein veraltetes Familienbild zu Grunde, setzt die Fortschritte in der partnerschaftlichen Aufteilung der Hausarbeit und des Anstiegs der mütterlichen Erwerbstätigkeit aufs Spiel und vergisst, dass wir bereits wissen, wie wichtig eine frühe Förderung von Kindern durch Fachkräfte sein kann. Es ist zu erwarten, dass die zusätzliche Last vielfach von Frauen getragen wird – denn häufig sind sie es, die nicht vollzeitig erwerbstätig sind, jetzt aber mindestens drei Jobs haben, die sie alle in Vollzeit beanspruchen.

Innovative Lösungsansätze

Die Folgen für Familien, Kinder, und Gleichstellung der Geschlechter können aber durch kluges und rasches politisches Handeln abgemildert werden. Zielgerichtete Familienpolitik unterstützt Familien durch Infrastruktur, Zeit und Geld. Dieser Dreiklang muss auch mit den Herausforderungen durch Covid-19 durch innovative Lösungsansätze politisch angegangen werden, damit Familien mit der nötigen Verantwortung und Flexibilität diese Zeit gestalten können. In puncto Infrastruktur und Zeit ist es bereits ein wichtiger Schritt, allen Kindern den Besuch von Schulen und Kitas zu ermöglichen - sei es auch nur tage- oder stundenweise. Nun sollte parallel daran gearbeitet werden, die Angebote massiv umzugestalten: Angebote könnten in zusätzlichen Räumen oder in Außenbereichen stattfinden - teilweise stehen Räume leer, welche z.B. aufgrund von abgesagten Veranstaltungen oder ähnlichem nicht genutzt werden können. Es muss zusätzliches Fachpersonal rekrutiert werden, damit solche Optionen verstärkt genutzt werden können. Ähnlich wie im Gesundheitsbereich könnte auch hier an angehende Fachkräfte, also solche, die sich in der Ausbildung befinden, gedacht werden. Diese pädagogischen Fachkräfte brauchen ohnehin Praxiserfahrung und können vielleicht andere Jobs zur Finanzierung ihrer Ausbildung nicht ausüben. Es bedarf aber auch mehr finanzieller Mittel, um zusätzliches Personal zu entlohnen. Auch sollte mit Hochdruck daran gearbeitet werden, dass Faded-Learning für Schulkinder zur Normalität wird, d.h. Lernen muss als feste Kombination von Präsenz- und Distanzlernangeboten gestaltet werden.

Elterngeld-ähnliche Maßnahmen

Durch die anhaltenden Einschränkungen im Schul- und Kita-Betrieb ist aber auch klar, dass Familien auf längere Zeit viel stärker selbst die Betreuung und Förderung der Kinder übernehmen müssen. Dafür brauchen auch sie mehr Zeit, wobei ihre Erwerbskarrieren nicht nachhaltig geschädigt werden sollten. Eine Corona-Elternzeit könnte erwerbstätigen Eltern Freiraum für Stundenreduktionen unter einem besonderen Kündigungsschutz einräumen, und gegebenenfalls auch Unternehmen beim Gewähren dieser Freiräume unterstützen. Um finanziellen Schaden von Familien abzuwenden und Eltern zu diesem Schritt zu ermutigen, könnten Familien mit Geld, etwa in Form einer Elterngeld-ähnlichen Maßnahme, bei Stundenreduktionen finanziell unterstützt werden. Das würde familialen Stress reduzieren, und mehr Zeit einräumen, um Kindern entwicklungsfördernde Angebote zu unterbreiten, die Kitas oder Schulen aufgrund des eingeschränkten Betriebs nicht leisten können. Und es würde Familien mit kleinen Einkommen es wirtschaftlich überhaupt erst ermöglich, sich diese Zeit zu nehmen. Eltern könnten hierbei z.B. durch Apps oder klassische Telefonanrufe mit Anregungen für ihre Kinder versorgt werden. Ganz wichtig ist bei der Schaffung von einer Corona-Elternzeit und eines Corona-Elterngeldes aber auch, eine partnerschaftliche Arbeitszeitreduktion finanziell besonders anzuregen.

Zukunft nach dem Lockdown

Kinder und Eltern sind kein Nebenschauplatz beim Sichern der wirtschaftlichen Zukunft, um die es jetzt geht. Die Bildung der Kinder stellt die Grundlage dar für eine leistungsfähige Wirtschaft und Gesellschaft von morgen. Ohne zusätzliche Unterstützung und Lernangebote werden Kinder nicht so gut (aus-)gebildet sein und Leistungsunterschiede zwischen Kindern weiter zunehmen. Auch langfristig wird sich dies auf das Humanpotenzial unserer Gesellschaft und Wirtschaft auswirken. Aus einer bildungsökonomischen Perspektive erhöht sich für die Kinder im späteren Erwerbsleben etwa das Risiko von Arbeitslosigkeit und der Abhängigkeit von sozialen Sicherungssystemen. Und auch Mütter dürfen beim Gestalten der wirtschaftlichen Zukunft nach Corona jetzt am Arbeitsmarkt nicht fehlen. In dieser neuen Phase der Krise müssen Eltern und Kinder in das Zentrum des politischen Handelns rücken, denn die Phase nach dem Lockdown kann auf unbestimmte Zeit anhalten. Daher sollten schnellstmöglich Lösungen erarbeitet werden, die den erhöhten Bedarf von Familien und Kindern an Infrastruktur, Zeit und Geld in den Fokus nehmen – ein Schutzschirm für Familien ist überfällig!