Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ernähren sich doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf Fleisch ein politisches Statement.
Das Ziel, den Konsum tierischer Produkte um bis zu 50 Prozent zu verringern, ist entscheidend für eine nachhaltige Ernährung. Auf dem Weg dorthin ist der Blick auf die Ernährung der jungen Generation besonders wichtig. Exklusiv für den Fleischatlas wurden daher 1.227 junge Deutsche im Alter von 15 bis 29 Jahren im Oktober 2020 zu diesem Thema interviewt. Die Onlineumfrage ist hinsichtlich des Geschlechts, der Region und Bildung repräsentativ.
Die Ergebnisse zeigen: Fleischverzicht liegt bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Trend. 10,4 Prozent ernähren sich vegetarisch, 2,3 Prozent vegan. Zusammen verzichten damit knapp 13 Prozent auf Fleisch – rund doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Insgesamt steigt ihre Zahl an: Vor zehn Jahren lag sie bei 4,3 Prozent, heute nach verschiedenen Studien bei etwa 6 Prozent. Die Bewegung „Fridays for Future“ und ihr Umfeld sind damit zu einem wichtigen Treiber für pflanzlich dominierte Ernährungsstile geworden. Rund ein Drittel derjenigen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, haben erst im vergangenen Jahr auf fleischfrei umgestellt.
Zur Verringerung des Fleischkonsums trägt auch der Anteil der Flexitarier und Flexitarierinnen bei, der bei den jungen Menschen rund 25 Prozent beträgt. Sie essen nur manchmal Fleisch, vor allem in Gemeinschaft, und dann solches, von dem sie wissen, wo es herkommt. Von denen, die Fleisch essen, wollen 44 Prozent künftig den Konsum reduzieren. Bei rund der Hälfte dieser Generation ist die Reduktionsbotschaft also angekommen, auch wenn es ihr nicht leichtfällt: Selbst von denen, die sich vegetarisch ernähren, gibt rund die Hälfte an, dass ihnen Fleisch gut schmeckt. Umgekehrt sind Geschmack, Grill-Leidenschaft und das Gefühl, dass Fleisch besonders satt macht und gesund sei, Treiber eines hohen Fleischkonsums.
Wer gehört zu denen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren? Rund 70 Prozent in beiden Gruppen sind Frauen, zudem sind die Jüngeren etwas stärker vertreten. Unter den Studierenden gibt es etwas mehr Veganer und Veganerinnen, unter denjenigen mit Berufsausbildung etwas häufiger Omnivoren und Omnivorinnen, also Menschen, die nicht auf Fleisch und tierische Produkte verzichten und grundsätzlich alles essen. Wer sich für Technik und Handwerk interessiert, isst tendenziell mehr Fleisch. Insgesamt gibt es aber nur erstaunlich geringe Unterschiede bei den soziodemografischen Merkmalen. Auch eine Spaltung zwischen Stadt und Land hat die Umfrage nicht ergeben. Kleine Unterschiede zeigen sich nur für die Gruppe derjenigen, die sich flexibel ernähren, also nur manchmal Fleisch essen – sie sind in den Metropolen etwas stärker vertreten. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung sind keine Unterschiede auszumachen. Fleischkonsum ist keine Stadt-Land-Frage – und auch kein Ost-West- oder Nord-Süd-Thema.
Stattdessen ist auffallend, wie stark der Fleischkonsum mit politischen Einstellungen verknüpft ist. Wer wenig Fleisch konsumiert, ist umwelt- und insbesondere ernährungs- und tierschutzbewusster. Bei den Veganern und Veganerinnen sehen sich 75 Prozent als Teil der Klimaschutzbewegung, bei den Vegetariern und Vegetarierinnen fast 50 Prozent; bei den Omnivoren und Omnivorinnen sind es nur 15 Prozent. 42 Prozent der Menschen, die sich vegetarisch ernähren und sogar 63 Prozent derjenigen, die vegane Ernährung bevorzugen, engagieren sich gegen Lebensmittelverschwendung; bei denen, die nicht verzichten, nur 29 Prozent. Bei den Vegetariern und Vegetarierinnen lehnen 92 Prozent die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft ab, 96 Prozent sind es bei denen, die sich vegan ernähren, 64 Prozent bei denen, die alles essen.
Ganz offensichtlich ist der Fleisch- oder Nicht-Fleischkonsum heute ein stark politisches Thema, keine private „Geschmacksfrage“. Anhängerinnen und Anhänger der vegetarischen und veganen Ernährung sind deutlich nachhaltigkeitsorientierter und sehen sich auch selbst als Pioniergruppe eines zukunftsfähigen Ernährungsstils. Die Vertreter und Vertreterinnen der veganen Ernährung sind darüber hinaus besonders stark an Ernährung interessiert, diejenigen der Gruppe, die alles essen, deutlich weniger.
Große Unterschiede gibt es bei der Frage nach der Zukunft der Tierhaltung insgesamt: 96 Prozent aller Anhänger der veganen und 49 Prozent der vegetarischen Ernährung würden die Nutztierhaltung am liebsten abschaffen. Bei denen, die sich flexibel ernähren, sind dies nur 15 Prozent und bei denen, die auf nichts verzichten, 4 Prozent.
Was diese Generation eint, ist die Ablehnung der heutigen Form der Tierhaltung. Fast niemand findet sie in Ordnung. Und die in der Landwirtschaft zum Teil geäußerte Position, man solle die Tierhaltung noch effizienter machen, also Kühe sollten noch mehr Milch geben, Schweine und Hühner noch schneller gemästet werden, um das Klima zu schützen, wird fast durchgängig abgelehnt.
Die jungen Menschen sehen den Staat in der (Mit-)Verantwortung für eine nachhaltige Ernährung. Entsprechend findet sich eine deutliche Zustimmung zu vielen, allerdings nicht zu allen abgefragten Politikinstrumenten, die einen nachhaltigen Konsum unterstützen könnten. Sie befürworten eine Klimakennzeichnung von Lebensmitteln und strengere Tierschutzgesetze – ebenso, Containern zu zulassen und ein Tierschutzlabel zur Pflicht zu machen. Ein obligatorischer „Veggie Day“ wird kritischer gesehen.