
Gegensätze in der Bevölkerungsentwicklung fordern die Kommunen heraus: Sind diese attraktiv, liegen die Mieten und Immobilienpreise häufig zu hoch. Andere Regionen wiederum leiden unter Abwanderung und damit schrumpfenden Finanzen.

Das Wohnen und Leben in den Städten und auf dem Land stellt unsere Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Der demografische Wandel, die Veränderung der Arbeitswelt und die damit verbundenen neuen Anforderungen an Mobilität und Digitalisierung sowie der wachsende Druck auf die Ballungsräume machen das Wohnen zu der sozialen Frage des 21. Jahrhunderts. Die Wohnungsknappheit bei gleichzeitigen Miethöchstständen und weiter ansteigenden Immobilien- und Baukostenpreisen nicht nur in Metropolregionen wie München, Stuttgart, Berlin, Köln, Hamburg oder Düsseldorf fordern zum Handeln auf.
Druck auf Großstädte
Studierende und qualifizierte Berufstätige, Migrantinnen und Migranten, agile ältere Menschen, die zurück in die Stadt wollen, junge Familien, die sich kurze Wege für sich und ihre Kinder wünschen – sie alle drängen in die großen Städte mit ihren attraktiven Infrastrukturen. Bund, Länder und die begehrten Kommunen reagieren auf die wachsende Nachfrage mit umfangreichen Bau- und Förderprogrammen; von 2021 bis 2024 wird beispielsweise im Bundeshaushalt rund eine Milliarde Euro zur Unterstützung der Förderprogramme der Länder bereitgehalten. Doch mit Geld allein lassen sich die Probleme kaum lösen.
In den großen Städten geraten aufgrund der großen Nachfrage besonders innerstädtisch geprägte Quartiere unter Druck. Denn in den 1990er- und 2000er-Jahren galt der Staat als Investor als Auslaufmodell. Bundesländer und Kommunen verkauften Wohnungen und Flächen. Die fehlen der öffentlichen Hand heute für den Bau von Sozialwohnungen. Das Resultat ist eine soziale Entmischung und der Verlust des noch vorhandenen preisgünstigen Wohnungsbestands. Um 44 Prozent hat sich zwischen 2007 und 2019 der Anteil des öffentlich geförderten Wohnungsbaus am Gesamtwohnungsbestand reduziert. Andererseits steigt die Nachfrage nach Alternativen zum herkömmlichen Angebot am Wohnungsmarkt, zum Beispiel mit neuen Genossenschaften und sich selbst organisierenden Wohnprojekten.
Digitalisierung bietet Chancen für ländliche Regionen
Auf dem Land zählen Investitionen in und alternative Konzepte für die Verkehrs- sowie die soziale Infrastruktur zu den Chancen, um sie attraktiv zu halten, dazu gehören Telemedizin, Ruf-Busse im öffentlichen Personennahverkehr ebenso wie Lieferdienste für Waren des täglichen Bedarfs.
Dennoch werden sich die regionalen Unterschiede in den kommenden Jahrzehnten verstärken. Die Bevölkerungszahl wird bis 2060 in den westdeutschen Flächenländern um rund vier Prozent und in den ostdeutschen Flächenländern um 18 Prozent abnehmen. In den Stadtstaaten wird sie dagegen um bis zu zehn Prozent ansteigen. Die Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 66 Jahren aber wird – anders als die Zahl insgesamt – in allen Bundesländern abnehmen. Zwischen 2018 und 2060 wird die Zahl der erwerbsfähigen Personen in den westdeutschen Flächenländern um 16 Prozent, in den ostdeutschen Flächenländern um 30 Prozent und in den Stadtstaaten um vier Prozent sinken. Demografischer Wandel und schwindende Wirtschaftskraft wirken sich negativ auf die Finanzausstattung der schrumpfenden Regionen und Kommunen aus. Eine weitere Entwertung wirtschaftsschwacher Regionen und Städte droht.
Kommunen können Mieten beeinflussen
Die Stärkung der kommunalen Wohnungspolitik, zum Beispiel durch Rückkauf einst veräußerter großer Bestände, wie er in jüngster Vergangenheit etwa in Hamburg, Leipzig oder Berlin vollzogen wird, ist ein Weg, dieser Herausforderung zu begegnen. Denn darüber können die Kommunen als Marktteilnehmer die Mietenspiegel beeinflussen, wenn sie die Preise sozial verträglicher gestalten.
Infrastruktur und Selbstorganisation als Schlüssel
Voraussetzung für eine Stärkung der ländlichen Regionen ist die Ausstattung mit moderner Infrastruktur, wozu nicht nur kreative Lösungen für den öffentlichen Personennahverkehr und die dezentrale Gesundheitsversorgung, sondern auch der flächendeckende Ausbau des Mobilfunk- und Breitbandnetzes zählen. Andererseits bedarf es der Bereitschaft der Akteure vor Ort, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Dazu sind Anreize in den Regionen selbst zu entwickeln, die die Eigenverantwortung stärken: Im Sinne eines „aktiven Dorfes“ wirken gerade in kleinen Orten ohne Versorgungsmöglichkeiten in zumutbarer Entfernung Selbstorganisation und gegenseitige Unterstützung stabilisierend.