
Elternhaus und Einkommen sind nach wie vor ausschlaggebend dafür, welchen Bildungsweg Kinder einschlagen. Wichtig sind kluge Investitionen in die Qualität von Schulen und die soziale Infrastruktur.

Der Weg von Kindern und Jugendlichen in die Gesellschaft beginnt mit gerechten Chancen, guter Bildung und vielfältiger Teilhabe. Das ist keine individuelle Frage: Die Kinder von heute gestalten den sozialen Zusammenhalt von morgen. Ungünstige Startbedingungen auszugleichen ist eine besondere Verpflichtung des Staates. So steht es im Grundgesetz und in der UN-Kinderrechtskonvention, die 1992 von der Bundesrepublik unterzeichnet wurde.
Mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen
Mit zahlreichen Maßnahmen versucht der Staat, einen Beitrag zur Verminderung von Einkommensungleichheit und Armutsrisiken in den Familien zu leisten. In Ostdeutschland zeigen sich Verbesserungen: Bezogen dort 2014 noch 22,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen Grundsicherung, waren es 2019 nur noch 16,9 Prozent. In Westdeutschland stagniert diese Quote zwar bei 13 Prozent. Dennoch ist nach Aspekten relativer Armut betrachtet mehr als jedes fünfte Kind unter 18 Jahren von Armut betroffen. Bei Kindern von Alleinerziehenden gelten sogar knapp 45 Prozent als einkommensarm und bei jenen mit Migrationshintergrund 29 Prozent.
Hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um schulische Förderung sowie um Zugänge zum sozialen und kulturellen Leben. Familien können unterschiedliche Dienste und Leistungen in Anspruch nehmen, darunter kommunale Angebote wie die von Jugendzentren, den Besuch von Schwimmbädern und Bibliotheken. Oder sie können Zuschüsse für Kosten beantragen, die in der Schule oder für die Ausbildung entstehen. Seit 2011 gibt es dafür aus dem Bildungs- und Teilhabepaket monatlich 15 Euro für Schulmaterialien, Lernförderung sowie Beihilfen zu Klassenfahrten oder für Sportkurse. Das Geld kommt vom Bund, verteilt wird es von den Kommunen, die das Verfahren entweder über das Sozialamt oder das örtliche Jobcenter abwickeln. Probleme für die Empfängerinnen und Empfänger stellen dabei die geringen Beträge und das komplizierte Antragsverfahren dar. Deshalb machen nur rund 15 Prozent der Eltern anspruchsberechtigter Schülerinnen und Schüler bis 14 Jahren davon Gebrauch. Hier wären ein einheitlicher Träger und ein unbürokratisches, nicht stigmatisierendes Antragsverfahren eine bessere Lösung.
Ein Ausweg wäre eine Kindergrundsicherung
Der Ort, an dem Maßnahmen die Heranwachsenden in der Regel gut erreichen, ist die Schule. Die Umsetzung des beschlossenen Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2026 könnte daher einen Neustart für die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen markieren. Sozial- und Bildungspolitik könnten besser ineinandergreifen, und das Geld könnte fließen, wo es am dringendsten gebraucht wird. Zu den Reformvorschlägen, die hier diskutiert werden, gehören: eine Kindergrundsicherung, die automatisch über die Familienkasse ausgezahlt und helfen würde, verdeckte Armut zu überwinden; dazu gezielte Investitionen in Bildungs- und Teilhabeinfrastruktur und die Möglichkeit, länderübergreifend die Zuweisung staatlicher Mittel stärker am Bedarf der von Armut betroffenen Kommunen, Kitas und Schulen auszurichten.
Allein viel Geld in die Hand zu nehmen, garantiert jedoch noch keinen Erfolg: Obwohl die Investitionen in Bildung seit 2010 um rund 30 Prozent gestiegen sind, zeigen internationale Vergleichsstudien, dass in kaum einem anderen europäischen Land Elternhaus und Wohnumfeld so entscheidend für den Bildungserfolg sind wie in Deutschland. Je besser situiert ein Kind aufwächst, desto größer sind seine Chancen.
Deutschland bietet Ärmeren schlechte Chancen
Im Jahr 2018 betrug das Bildungsbudget rund 140 Milliarden Euro, die Hälfte davon floss an Schulen. Für den einzelnen Schulplatz an öffentlichen Schulen gaben die Haushalte im Jahr 2017 bundesweit durchschnittlich 7.300 Euro aus – rund 2.500 Euro mehr als 2005. Geld, das einerseits wirkt: Der Anteil der Hochschulzugangsberechtigten war 2018 mit 51 Prozent so hoch wie noch nie, was den Trend zur Höherqualifizierung weiter verstärkt. Andererseits haben in Deutschland 13 Prozent der heute 25- bis 34-Jährigen keinen Sekundarabschluss – damit liegt Deutschland nur im unteren Mittelfeld der 27 EU-Mitgliedsstaaten.
Die Chancen von Kindern aus Akademikerfamilien auf einen Gymnasialbesuch sind fast viermal so hoch wie für die Kinder von Facharbeitern – und fast sechsmal so hoch wie die für Kinder ungelernter Beschäftigter. Die letzte PISA-Studie von 2018 zeigt, dass in Deutschland der Leistungsunterschied von 15-Jährigen aus den einkommensschwächsten Familien im Vergleich zu denjenigen aus wohlhabenden Familien bis zu dreieinhalb Schuljahre beträgt. Eine Sonderauswertung zum Schulerfolg sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler zeigt: Mehr Geld und eine bessere Ausstattung für die Schulen allein sind nicht ausschlaggebend für den Lernerfolg. Als begünstigende Faktoren wurden vielmehr ein geordnetes Lernumfeld sowie schulische Aktivitäten jenseits des Unterrichts ausgemacht. Das ermutigt zu der Annahme, dass sich die anstehenden Investitionen in Ganztagsangebote positiv auswirken werden.