Menschen übernehmen in unterschiedlichen Konstellationen dauerhaft Verantwortung füreinander, das geltende Recht trägt dem bisher nur teilweise Rechnung. Vor allem viele Alleinerziehende brauchen eine bessere Unterstützung.
Das Bild von Familie ist bunter geworden und wandelt sich weiter. In unterschiedlichsten Formen des Zusammenlebens kümmern sich Menschen umeinander und übernehmen füreinander Verantwortung. Viele Lebensgemeinschaften ziehen Kinder groß, unabhängig vom Familienstand und dem Geschlecht der Eltern. Gleichgeschlechtliche Paare sind in Deutschland gesellschaftlich zunehmend akzeptiert. Die Zahl der unverheirateten Paare mit und ohne Kinder wächst, wobei die Ehe noch immer deutlich dominiert.
90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen
Und doch ist bei Familien mit Kindern die klassische Ehe immer seltener: Betrug deren Anteil an allen Familien mit Kindern unter 18 Jahren im Jahr 1996 noch 81 Prozent, waren es 2019 nur noch 70 Prozent. Hingegen hat sich der Anteil der unverheiratet zusammenlebenden Eltern im gleichen Zeitraum von 4,8 auf 11,5 Prozent mehr als verdoppelt. Zudem steigt die Bedeutung der Alleinerziehenden bei Haushalten mit Kindern: Zwar ändert sich ihre absolute Zahl kaum; sie lag 2019 mit rund 1,34 Millionen in etwa auf dem Niveau von 2003. Jedoch ist ihr Anteil an allen Familien aufgrund deren generell schrumpfender Zahl von 12,8 Prozent im Jahr 1996 auf 18,6 Prozent 2019 gestiegen: In jeder fünften Familie gibt es nur einen Elternteil. Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen, die im Durchschnitt eher jüngere Kinder bei sich haben als die alleinerziehenden Väter. Verglichen mit alleinerziehenden Müttern und Paarfamilien, leben alleinerziehende Väter seltener mit Vorschulkindern und häufiger mit nur einem minderjährigen Kind im Haushalt zusammen.
Auch Trends wie ein höheres Alter bei der ersten Geburt, die Erwerbsarbeit von Frauen sowie anhaltend hohe Scheidungsraten verändern das Familienbild. Im Jahr 2019 lebten in Deutschland 8,189 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern, im Jahr 1996 waren es noch rund 1,2 Millionen mehr.
Während die Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare inzwischen möglich ist, stoßen sie weiterhin auf juristische Barrieren, wenn sie sich Kinder wünschen – obwohl sie dies mehrheitlich tun. In lesbischen wie schwulen Partnerschaften kann über eine Samenspende immerhin eine der jeweiligen Partnerinnen oder einer der Partner biologisch mit dem Kind verwandt sein. Da sowohl die Leihmutterschaft als auch eine Eizellenspende in Deutschland verboten sind, bleibt oft nur die Adoption als Möglichkeit, sich den Kinderwunsch zu erfüllen.
Familienbild ändert sich
Aufgrund der Vielfalt der Wege in die Elternschaft fallen biologische und soziale Elternschaft also zunehmend auseinander. Nichteheliche Gemeinschaften unterscheiden sich von ehelichen aber durch die fehlende rechtliche Absicherung der Vater-Kind-Beziehung sowie des wirtschaftlich einkommensschwächeren Elternteils. Während in Ehen automatisch beide Eltern sorgeberechtigt sind, hat in Partnerschaften ohne Trauschein zunächst nur die Mutter die elterliche Sorge inne – es sei denn, die Eltern haben sowohl eine Vaterschaftsanerkennung als auch eine Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge abgegeben, oder sie wurde ihnen von einem Familiengericht übertragen. Insofern trägt das aktuelle Familienrecht dem veränderten Bild von Familie und Partnerschaft noch nicht Rechnung – anders als in anderen EU-Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden.
Auch bei Trennung oder im Todesfall unterscheiden sich die Rechte und Pflichten verheirateter von denen unverheirateter Eltern. Während für Ehepaare Regelungen zu Wohnung, Unterhalt, Vermögens- und Versorgungsausgleich und im Erbrecht vorgesehen sind, existieren keine vergleichbaren Gesetze für unverheiratete Paare. Hier besteht Handlungsbedarf, um das Familienrecht der veränderten Lebenswirklichkeit anzupassen.
Was bleibt, ist der Einfluss aller Familien auf die Volkswirtschaft: Die unbezahlte Sorgearbeit, die sie leisten, machte im Jahr 2013 fast 40 Prozent der Bruttowertschöpfung im Bruttoinlandsprodukt aus. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen stark verändert: Vier von fünf Müttern, die in Partnerschaften leben, arbeiten. Gleichwohl liegt die Hauptlast der Sorgearbeit noch immer bei den Frauen, obwohl sich die Väter mehr denn je zu Hause beteiligen. Laut dem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung wenden Frauen täglich vier Stunden und 13 Minuten für Hausarbeit und Betreuung auf, Männer dagegen nur zwei Stunden und 46 Minuten.
Familien sichern die Zukunft der Gesellschaft
Die in den Familien geleistete Arbeit kommt nicht nur ihren Mitgliedern zugute, sondern der gesamten Gesellschaft. Zu denken ist an die Ausgaben der Eltern für die Betreuung, Erziehung und Bildung ihrer Kinder. Der Familienleistungsausgleich hat zum Ziel, diese Investitionen anzuerkennen. So können Eltern unter anderem die Kosten für die Betreuung und Ausbildung der Kinder steuerlich geltend machen sowie über Freibeträge die Steuerlast per se mindern. Das zunehmend umstrittene Ehegattensplitting dagegen gewährt Ehepaaren Steuervorteile, auch wenn sie keine Kinder haben. Es begünstigt zudem die Einverdiener-Ehe, da sich das Teilen der Steuerlast besonders dann lohnt, wenn ein Partner wenig oder gar kein Einkommen hat.
Dass Familie aus der Mode kommt, steht nicht zu befürchten: 2019 äußerten – wie schon 2002 – gut zwei Drittel der 12- bis 25-Jährigen, dass sie später einmal Kinder haben möchten.