Wohlstandssicherung: Neue Strukturen, neue Werte

Atlas

Die Pandemie hat die Digitalisierung beschleunigt. Jetzt steht die grundlegende Veränderung in der Energie- und Klimapolitik an. Deutschland und die EU fördern den Wandel mit umfangreichen Programmen. Die tragende Säule aber müssen privatwirtschaftliche Investitionen sein. So wird die Transformation zur Quelle für eine umwelt­gerechte Wertschöpfung.

Sozialatlas Infografik: Prognose für Deutschland im Jahr 2035 nach Sektoren, Qualifikationen und Berufen zur Umsetzung geplanter Investitionen
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Der Klimaschutz wird zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor und einer leistungsstarken Jobmaschine.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie überraschend schnell sich Gesellschaften anpassen können. Digitale Technologien ermöglichten im Frühjahr 2020 innerhalb kürzester Zeit die teilweise Verlagerung der Büroarbeit, der Studienangebote der Universitäten, aber auch des privaten Konsums in den virtuellen Raum. Bedenken, die vor der Krise die Digitalisierung von Arbeitsprozessen gebremst hatten, wichen oft dem Einfallsreichtum und der Flexibilität der Menschen und der Unternehmen. Dort, wo unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen – Gesund­heits- und Datenschutz, Freiheitsrechte, das Recht auf Bildung –, wird kontrovers diskutiert.

Cover Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022 bringt Übersicht in die Komplexität des Sozialsystems, zeigt seine Grundlagen und Perspektiven. So wird sichtbar, dass der soziale Zusammenhalt auf einer Kooperation von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft beruht – und seine Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann.

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Radikale Reformagenda der EU

An Handlungsbedarf mangelt es nicht. Es gilt, die Digitalisierung voranzutreiben, das Bildungssystem zu stärken und vor allem die grüne Transformation zu beschleunigen. Bereits im Jahr vor der Corona-Krise hatte sich ein Richtungswechsel in der Energie- und Klima­politik abgezeichnet. Mit dem „European Green Deal“ hat sich die Europäischen Union (EU) eine radikale Reform­agenda gegeben.

Zunehmend zeichnet sich ab, dass die Transformation sich beschleunigt und alle Bereiche unserer Wirtschaft fundamental verändern wird. Unternehmen oder Unternehmensbereiche werden geschlossen werden, weil ­Geschäftsfelder auf der Basis fossiler Energieträger keine Zukunft mehr haben – zum Beispiel in der Automobil- und ihrer Zulieferindustrie oder in der Chemieindustrie. Gleichzeitig läutet der Green Deal den Wettbewerb um neue Zukunfts- und Innovationsmärkte ein. Die Transformation birgt dadurch neben den Herausforderungen auch große industriepolitische Chancen. Für Unternehmen eröffnen sich neue Geschäftsfelder, etwa im Bereich klimafreundlicher Fahrzeuge oder beim Einsatz künstlicher Intelligenz für nachhaltigen Pflanzenschutz. Den (privaten wie öffentlichen) Investitionsbedarf für die anstehende Transformation schätzt die Europäische Kommission allein im Zusammenhang mit dem Green Deal auf 2,6 Billionen Euro nur in diesem Jahrzehnt.

Sozialatlas Infografik: Anteile des produzierenden und des verarbeitenden Gewerbes sowie des Dienstleistungssektors, in Milliarden Euro, 2018
Rund drei Billionen Euro brutto erwirtschaften die verschiedenen Sektoren in Deutschland pro Jahr.

Unternehmen tragende Säulen der Transformation

Zentral für den Klimaschutz ist der rasche Ausbau der Energienetze sowie der Infrastruktur für die klimaneutrale Mobilität. Batterieelektrische und mit Wasserstoff ­betriebene Fahrzeuge sollen in Zukunft auf den Straßen rollen. Gekauft werden sie aber nur dann, wenn man sie auch laden oder betanken kann – und zwar überall in Europa. Notwendig sind auch Investitionen in die digi­tale Infrastruktur, die Digitalisierung der Verwaltung, Forschung und Bildung und des Gesundheitswesens.

Privatwirtschaftliche Investitionen werden die ­tragende Säule dieser Transformation sein. Der technologische Fortschritt, das Engagement und die Innovationskraft der Unternehmen sowie der Wettbewerb um die besten Lösungen sind notwendig, um Deutschland und Europa zu Impulsgebern für nachhaltiges Wachstum weltweit zu machen. In einer Welt, in der die großen Industrienationen Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein wollen, ist wirtschaftlicher Erfolg nur mit Geschäftsmodellen erreichbar, die auf dieses Ziel setzen. Daher drängt die Wirtschaft auf Rahmenbedingungen, die zukunftsfähige Geschäftsmodelle für Investoren attraktiver machen als solche, die auf kurzfristige Renditen abzielen. Eine Reformagenda muss die CO2-Bepreisung stärken und zum Leitinstrument der Klimapolitik machen, konsequent Abgaben und Umlagen in der Strompreisbildung reduzieren, Subventionen fossiler Energien beseitigen, die Kapitalmärkte stärken – und vor allem globale Allianzen im Klimaschutz schmieden. Während in Deutschland beispielsweise die Industrie über eine hohe Technologiekompetenz verfügt, bieten andere europäische Staaten hervorragende Bedingungen für ­erneuerbare Energien.

Klimaschutz als gesellschaftliche Chance 

Alle Bemühungen Europas um Klimaschutz müssen globale Zusammenhänge in den Blick nehmen – schon weil die EU-Mitgliedsstaaten neun Prozent der globalen Emissionen verantworten, China 31 Prozent und die USA 15 Prozent. Deutschland importiert heute 70 Prozent seines Energiebedarfs in Form fossiler Energieträger.

Eine Umstellung auf klimaneutrale Energieträger birgt Chancen. CO2-Preise generieren dabei einen Vorteil für ­Geschäftsmodelle, die darauf setzen. Die Einführung in ­allen Sektoren sollte einhergehen mit einer möglichst weitgehenden Befreiung der Energiepreise von verzerrenden Abgaben und Umlagen sowie der Abschaffung der direkten und indirekten Subventionen fossiler Energieträger. Ein Wegfall ist geeignet, sowohl die Haushalte als auch die Unternehmen zu entlasten – die Nutzung des zunehmend klimaneutralen Stroms würde attraktiver.

Die Transformation stellt anspruchsvolle und herausfordernde Aufgaben an die Gesellschaft, bei denen das ­Zusammenspiel von Kooperation und Wettbewerb im internationalen Kontext eine zentrale Rolle spielen muss. Der Wille zur Veränderung, Mut zum Risiko, aber auch Pragmatismus und Zusammenhalt sind gefragt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.