Kann KI helfen, uns auf Extremwetter besser vorzubereiten?

Analyse

Extremwetterereignisse werden durch die globale Erwärmung immer häufiger und bedrohen Mensch und Natur. Künstliche Intelligenz (KI) könnte bei der Vorhersage von Katastrophen und beim Schutz der Bevölkerung helfen.

Ein Schlechtwetterbild
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Durch die globale Erwärmung treten häufiger Wetterextreme auf.

Herausforderungen in der Vorhersagbarkeit von Extremen

Durch die globale Erwärmung verändern sich sowohl die Intensität, als auch die Häufigkeit von Klima- und Wetterextremen, wie die jüngsten Rekord-Hitzewellen zeigen. Die Auswirkungen der Klimaerhitzung beeinflussen Mensch und Natur schon heute in hohem Ausmaß. Extreme Ereignisse wie Starkregen oder Dürre haben dabei eine besondere Wucht. Um die damit verbundenen Risiken und Gefahren durch langfristige Vorsorge zu reduzieren, werden Vorhersagen über derartige Extremereignisse benötigt. Diese jedoch sind schwierig. Ein Grund hierfür ist die komplexe Physik des Klimasystems. Klimasimulationen sind deshalb mit ebenfalls äußerst komplexen mathematischen Berechnungen verbunden. Ein weiterer Grund liegt in der Natur von Extremen. Da sie seltener beobachtet werden als häufige Ereignisse, ist ihre statistische Vorhersage mit größeren Unsicherheiten verbunden.

KI, Klima und Wetter

Diskutiert wird, wie KI als eine der innovativsten Technologien unserer Zeit bei der Bewältigung der globalen Klimakrise helfen kann. Forschende erhoffen sich von einer KI-gestützten Verarbeitung großer Datenmengen schnellere und präzisere Simulationen. Anwendungsbereiche von KI im Zusammenhang mit dem Klimaschutz sind bereits heute die Modellierung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Im Kontext von Klimaforschung und Meteorologie kommt KI immer häufiger zum Einsatz. Dabei bezieht sich Klimaforschung auf Veränderungen, die über einen längeren Zeitraum mehrerer Jahre auftreten. Meteorologie hingegen untersucht die Entwicklungen des Wetters innerhalb weniger Tage bis Wochen. In der Vorhersage von Extremen treffen sich beide Gebiete, denn zur statistischen Abschätzung von Jahrhundert- oder gar Jahrtausendevents werden hochaufgelöste Simulationen über lange Zeiträume benötigt. Darüber hinaus könnte KI helfen, die Mechanismen hinter einem Extremereignis zu erkennen. Denn Extreme treten häufig unter bestimmten Bedingungen im Klimasystem auf. Beispielsweise führen Veränderungen des Jetstreams zu mehr Hitzewellen in Europa. Erlernt KI solche Prozesse im Klimasystem, könnte sie dazu beitragen, Extreme präziser vorherzusagen. Noch stehen derartige KI-Anwendungen in der Klimaforschung am Anfang, aber der Forschungszweig wächst rasant.

KI in der Erdbeobachtung, Frühwarnung und Anpassung

Schon heute wird KI bei der Beobachtung von Umweltveränderungen eingesetzt. Ihre Stärke im automatischen Erkennen von Mustern kann KI etwa bei der Analyse von Satellitenbildern ausspielen. KI-Methoden können beispielsweise eingesetzt werden, um Bodenerosion, Gletscherschmelze oder Meeresspiegelanstieg zu detektieren. Derartige Veränderungen können die Folgen eines Extremereignisses verstärken. So sind Regionen, in denen Erosion aufgetreten ist, bei Starkregen anfälliger für Schlammlawinen. Die Überwachung von Umweltveränderungen ist daher von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Risikos sogenannter „Compound Events“. Solche Ereignisse treten immer dann auf, wenn mehrere Ursachen, wie Erosion und Starkregen, zusammenwirken und eine besondere Gefahr, wie Schlammlawinen, auslösen.

Auf ähnliche Weise könnten KI-Algorithmen in Frühwarnsystemen integriert werden. Bereits vor zwei Jahren hat die NASA beispielsweise die Analyse der Intensität eines Hurrikans in Echtzeit aus Satellitendaten demonstriert. Solche Erkenntnisse unterstützen die lokalen Vorbereitungen auf den Wirbelsturm. Während des Eintretens eines Extremereignisses könnten KI-basierte Technologien helfen, Verluste und Schäden durch automatische Entscheidungshilfen zu verringern. Ein mögliches Szenario sind Entscheidungshilfen bei der Evakuierung einer Stadt. Entscheidend ist dabei die vollständige Transparenz und Dokumentation von Code und Trainingsdaten. Denn wenn KI-Algorithmen einer “Black Box“ gleichen, können Menschen die Entscheidungsempfehlung der KI nicht nachvollziehen. Dies ist besonders fatal im Falle eines unentdeckten Fehlers, der zu einer, Bias genannten, algorithmischen Verzerrung führt. Der Algorithmus könnte beispielsweise diskriminierende Vorschläge für die Evakuierung von Einzelpersonen und Gruppen unterbreiten oder gar durch automatische Warnungen einleiten.

KI könnte auch zu einer besseren langfristigen Vorbereitung auf Extremereignisse beitragen. Denn die Auswirkungen eines Extremereignisses hängen nicht nur von der Stärke des Ereignisses, sondern auch von der Vulnerabilität (“Verwundbarkeit”) der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Systeme ab. Anpassungsstrategien haben zum Ziel, die Resilienz (“Belastbarkeit”) dieser Systeme zu steigern. Maßnahmen zur Begrünung machen beispielsweise eine Stadt und ihre Bevölkerung widerstandsfähiger gegen extreme Hitze. KI hat das Potenzial, bei dieser Anpassung mitzuhelfen, unter anderem durch Innovationen, die Luftverschmutzung reduzieren, Kühlsysteme optimieren oder Wasseraufbereitung und -verfügbarkeit verbessern.
 

Bedeutung von KI wächst

KI-Innovationen entwickeln sich rasant. Zugleich gibt es immer mehr verfügbaren Daten über unseren Planeten, sein Klima und das Wetter. Die Bedeutung von KI-Anwendungen in der Klimaforschung, Wettervorhersage, Erdbeobachtung und Entwicklung von Anpassungsstrategien wird deshalb in den nächsten Jahren weiter zunehmen. KI kann dazu beitragen, die Entstehung von Extremereignisse besser zu verstehen und deren Folgen vorzubeugen. Die Vereinbarkeit von KI mit den Klimaschutzzielen und ihr Potenzial, die globale Erwärmung abzumildern, muss jedoch noch bewiesen werden, denn auch die KI-Algorithmen selbst benötigen viel Energie. Zudem dürfen die Anstrengungen zur Eindämmung der globalen Erwärmung nicht auf der Strecke bleiben, weil wir uns auf künftige Innovationen verlassen. Die Förderung von Anwendungen an der Schnittstelle von KI und Klima muss daher mit einem raschen Rückgang klimaschädlicher Emissionen einhergehen. Neue gesetzliche Regelungen wie die europäische Digitalstrategie sollten den möglichen Einsatz von KI in Entscheidungsprozessen mitbedenken und Kontrollmöglichkeiten schaffen, um Fehlanwendungen vorzubeugen. Die Klärung von Haftungsfragen beim Einsatz von KI benötigt zudem einen gesellschaftlichen Diskurs über ethische Bedenken und Risiken. Nationale und europäische Strategien sollten zudem das kommunale Klimaschutzmanagement stärker in den Fokus rücken, um die gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Resilienz gegen Extremereignisse zu stärken. Die Umsetzung von Umweltschutz- und Anpassungsmaßnahmen würde hierbei von einem stärkeren Austausch von Erfolgsmethoden zwischen Wissenschaft und Lokalpolitik profitieren. So könnten auch neuartige, KI-Technologien besser mit den Menschen vor Ort entwickelt und etabliert werden.

Emissionsreduktion bleibt wirksamstes Mittel zur Risikominimierung

Die Entwicklung KI-basierter Technologien, die zur Bewältigung der Klimakrise beitragen, ist eine große Chance angesichts der ernsten Herausforderungen durch die globale Erwärmung. Die fortgesetzte Emission von Treibhausgasen heizt die Klimakrise weiter an und führt zu noch nie dagewesenen Extremen. Dies erschwert die Prognose von Extremwetter. Trotz des faszinierenden Potenzials von KI bleibt die rasche Emissionsreduktion deshalb das wirksamste Instrument zur Verringerung von Risiken für Mensch und Natur.