Hilfe kennt keine Grenzen: Viele Menschen sind bereit, Überlebende aus den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei aufzunehmen. Medizinische Hilfe vor Ort wird dringend benötigt. Dafür braucht es Unterstützung durch die Politik.
Angesichts der erschütternden Nachrichten und Bilder nach dem zerstörerischen Erdbeben vom 6. Februar, der Hilferufe syrischer und türkischer Männer, Frauen und Kinder braucht es all unser Engagement, um Leben zu retten, Not zu lindern und schnelle und unbürokratische Lösungen zu unterstützen.
Das Ausmaß der Zerstörung ist noch immer nicht wirklich abzusehen. Die täglich steigenden Todeszahlen sind erschütternd. Die Lage ist dramatisch und trifft im Nordwesten Syriens ein Gebiet, das vielerorts schon vor dem Erdbeben in Trümmern lag. In der gesamten Region leben Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, deren Situation sich durch das Erdbeben noch einmal drastisch verschlechtert.
Zahlreiche Organisationen, Bürger*innen und auch politische Entscheidungsträger*innen in Bund und Ländern bitten händeringend darum, möglichst vielen Menschen das Leben zu retten und einen temporären Aufenthalt an sicheren Orten zu bieten.
Außenministerin Annalena Baerbock hat dieser Tage zu Recht gefordert, dass von der Türkei kontrollierte Grenzübergänge zum Norden Syriens genutzt werden müssen, um humanitäre Hilfe in die besonders notleidenden Gebiete im Nordwesten Syriens zu befördern. Dass die Konvois durch den ebenfalls zerstörten Süden der Türkei gelangen müssen, erschwert die Situation. Daher ist es notwendig, dass alle Grenzübergänge von der Türkei für humanitäre Hilfe nach Syrien uneingeschränkt geöffnet werden.
Dabei darf es nicht an Hilfe für die Türkei fehlen: Auch hier ist die Not groß und es fehlt an Kapazitäten, die Verletzten zu behandeln. Maßnahmen für die schnelle Versorgung türkischer und syrischer Staatsbürger*innen, z.B. durch Lazarettschiffe, mobile Kliniken oder das Ausfliegen in nahe Drittstaaten, sind jetzt erforderlich. Die temporäre Ausreise von Verletzten und besonders Notleidenden und der Weitertransport - möglicherweise durch eine Luftbrücke aus dem Süden der Türkei - in aufnahmebereite Staaten sollten das Ergebnis einer gemeinsamen humanitären Initiative der Türkei und der internationalen Gemeinschaft sein.
Wie viele Menschen aus den betroffenen Gebieten aus unbewohnbaren Städten und Regionen herausgebracht werden, wird von der Aufnahmebereitschaft der internationalen Gemeinschaft und von geschickter Diplomatie abhängen.
Ein wichtiges Hilfsangebot bestünde darin, dafür Sorge zu tragen, dass Überlebende kurzfristig und temporär bei Verwandten auch außerhalb der Türkei unterkommen können. Mit den aktuellen Visa-Erfordernissen für Personen, die mit ihren Häusern auch ihre Pässe verloren haben, sowie der schon in normalen Zeiten mehrmonatigen Bearbeitungszeit, ist dies nicht machbar! In Deutschland sind unzählige türkische, aber auch syrische Familien bereit, für ihre Verwandten zu bürgen und hoffen auf den Wegfall der Visa-Barriere und die Bereitschaft des BMI, unbürokratische und schnellen Lösungen für Syrer*innen und Türk*innen zu schaffen.
Insofern fordern wir:
- Grenzüberschreitende Hilfe muss schnellstmöglich in großem Stil erfolgen - unabhängig von einem UN-Sicherheitsratsvotum
- Medizinische Versorgung der türkischen, syrischen und kurdischen Überlebenden in der betroffenen Region muss intensiviert werden
- Temporäre humanitäre Aufnahme sowohl für türkische als auch syrische Staatsbürger*innen muss gewährleistet werden
Fachkontakt: Kirsten Krampe, Bente Scheller, Kristian Brakel und Anna Fleischer
Tipp - ARD-Mediathek: Der Tag. Ein Thema, viele Perspektiven · 13.02.2023 · 54 Min.
Im Gespräch mit dem Nothilfekoordinator Jesco Weikert, mit Kristian Brakel von der Heinrich Böll Stiftung in Istanbul und der Geophysikerin Charlotte Krawczyk.
Erdbeben in Syrien und der Türkei - Erschütterung einer instabilen Region