Liegt die Zukunft der ÖRM im Internet? Verdrängen die ÖRM im Netz so nicht die private Konkurrenz?

Hintergrund

Ohne Netz ist heute alles nichts. Deswegen müssen die Öffentlich-Rechtlichen Medien im Web expandieren. Dass sie der privaten Konkurrenz dabei das Wasser abgraben, konnte noch niemand beweisen.

Öffentlich-Rechtliche Medien Zukunft Internet. Drei Hände halten Handys

Das Netz ist die Verteilplattform der Zukunft. Daher müssen sich Öffentlich-Rechtlichen Medien hier ohne Beschränkungen aufstellen und weiterentwickeln dürfen. Für Vorwürfe, sie schränkten so den Erfolg kommerzieller Angebote ein, gibt es keine Belege. 

Die Öffentlich-Rechtlichen Medien haben eine verfassungsrechtlich abgesicherte Bestands- und Entwicklungsgarantie. Dennoch wurde der Online-Bereich - anders als beispielsweise bei der BBC - zunächst eher stiefmütterlich behandelt. Lange Zeit waren die Öffentlich-Rechtlichen Medien in Deutschland durch medienpolitische Vorgaben fast ausschließlich auf reine „Programmbegleitung“ beschränkt. Direkt und ausschließlich für die Online-Welt produzierte Angebote werden erst mit dem voraussichtlich 2023 in Kraft tretenden neuen Medienstaatsvertrag von der Ausnahme zur Normalität.

Dabei sprechen die Veränderungen des Nutzungsverhaltens schon seit Jahren eine klare Sprache. Bereits 2019 waren 85 Prozent der über 60-Jährigen im Netz, bei den 14- bis 29-Jährigen lag die tägliche Internetnutzung bei 100 Prozent, in der Gesamtbevölkerung bei 72,2 Prozent. Zwar bleibt das lineare Programm vor allem in den älteren Zielgruppen weiter relevant, doch der Trend geht klar in weiter in Richtung zeitunabhängige, eigenkuratierte Online-Nutzung. Dabei bespielen die Öffentlich-Rechtlichen Medien ausdrücklich auch Drittplattformen wie Facebook, YouTube, Instagram usw.

Der künftige Medienstaatsvertrag trägt dem Rechnung, indem er den Anstalten deutlich mehr Entscheidungsspielraum lässt, wie sie künftig ihre Angebote an die Nutzer*innen bringen. Viele TV-Kanäle, aber auch die Radiowellen können mittel- bis langfristig in rein netzbasierte Angebote (z.B. als App) umgewandelt werden. Die Anstalten sind auch frei, diese Programme einzustellen und stattdessen etwas ganz Neues zu entwickeln. Zwingend notwendig ist dafür ein entsprechender Beschluss des zuständigen Rundfunk- bzw. Fernsehrats. Außerdem muss sichergestellt werden, dass diese künftigen Angebote öffentlich-rechtlichen Maßstäben und Werten genügen und die Nutzer*innen auch in der Lage sind, sie zu empfangen. Angesichts des weiterhin mangelnden Breitbandausbaus in vielen Gegenden Deutschlands wird der komplette Umstieg ins Netz daher schon aus technischen Gründen noch recht lange Zukunftsmusik bleiben.

Eine Verdrängung kommerzieller Angebote, die ihre Online-Aktivitäten am Markt refinanzieren müssen, soll durch die Werbefreiheit der öffentlich-rechtlichen Angebote ausgeschlossen werden. Auch zusätzliche Gebühren sind tabu. Der konkrete Nachweis, dass ein kommerzielles Angebot durch öffentlich-rechtliche Konkurrenz finanzielle Einbußen erlitten oder ganz vom Markt gedrängt wurde, fehlt dagegen bis heute. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die kommerziellen Anbieter nach Jahrzehnten einer „Umsonstmentalität“ im Netz mittlerweile erfolgreiche Erlös- und Bezahlmodelle etabliert haben (Pay-Walls bei Verlagsangeboten, generelle Abo-Gebühren für Streams und/oder zusätzliche Kanäle, Zusatzgebühren für HD-Qualität etc.), die den Öffentlich-Rechtlichen Medien nicht offen stehen.

In der aktuellen Reformdebatte wird darüber diskutiert, wie die öffentlich-rechtlichen Angebote mit privaten Anbietern kooperieren können. Die ARD und die Verlage haben sich auf einen Schlichtungsprozess bei Streitfällen geeinigt, um langwierige und kostspielige gerichtliche Verfahren möglichst auszuschließen.

 


Von Steffen Grimberg

Cover Öffentlich-Rechtliche Medien

Volker Grassmuck, sehr guter Kenner von Medienlandschaft und -politik, gibt per Frage & Antwort eine Übersicht über Aufgaben und Funktionsweise der Öffentlich-Rechtlichen Medien. Neben den guten Gründen für deren Fortbestand erläutert er auch den Reformbedarf.

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