Brasiliens G20-Präsidentschaft: Den Schulden-Teufelskreis durchbrechen

Analyse

Im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft sollte Brasilien Diskussionen über einen umfassenden Schuldenerlass für Entwicklungsländer und die Einbeziehung aller Gläubiger in die Neuverhandlungen vorschlagen.

Eine Aufnahme von der Küste mit einem Leuchtturm

Die Herausforderungen, denen sich die Entwicklungsländer und insbesondere solche mit niedrigem Einkommen gegenübersehen, sind enorm und behindern erheblich ihre sozioökonomische Entwicklung. In einem Jahrzehnt, in dem die Entwicklungsländer (mit Ausnahme Chinas) jährlich eine zusätzliche Billion Dollar an externen Ressourcen für nachhaltige Entwicklung und Klimaziele benötigen, tragen sie die Hauptlast einer Klimakrise, für die sie wenig oder gar keine Verantwortung tragen.

Inmitten der geldpolitischen Straffung in den Industriestaaten, ausbleibender Finanzierungszusagen der reichen Nationen und einer steigenden Schuldendienstlast haben die Entwicklungsländer Mühe, die Mittel aufzubringen, die sie für die Anpassung an den Klimawandel und die Entwicklung benötigen. Die derzeitige internationale Finanzarchitektur hält die globale Ungleichheit nicht nur aufrecht, sondern vertieft sie und hält die Entwicklungsländer in einem Kreislauf gefangen, der ihnen den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung versperrt.

Brasiliens G20-Vorsitz – eine Chance für den Globalen Süden

Mit Blick auf das Jahr 2024 und den von Brasilien ausgerichteten Gipfel der Gruppe der 20 (G20) bietet sich eine entscheidende Gelegenheit, das System so umzugestalten, dass es den Bedürfnissen der Entwicklungsländer besser gerecht wird. Auf der brasilianischen G20-Agenda stehen soziale Inklusion, nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung von Hunger und Armut. Zur Erreichung dieser Ziele und zur Verringerung der globalen Ungleichheiten kann Brasilien eine Führungsrolle bei der Aktualisierung und Ausweitung der Entschuldungsinitiativen der G20 übernehmen. Zu diesem Zweck wird es von entscheidender Bedeutung sein, Initiativen zu erörtern, die über debt-for-nature swaps hinausgehen, und einen Konsens über politische Maßnahmen zu erzielen, die die Beteiligung aller Gläubigerklassen an den Entschuldungsbemühungen fördert, einschließlich des Privatsektors und der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs).

3,3 Milliarden Menschen ächzen unter der Schuldenlast

Derzeit benötigen mindestens 69 Entwicklungsländer einen Schuldenerlass. Aktuell stehen diese Staaten vor der unmöglichen Wahl zwischen der Finanzierung des Gemeinwohls und der Bedienung ihrer Schulden. Mindestens 18 Länder sind mit einer sich überschneidenden Schulden- und Hungerkrise konfrontiert, die sich ohne Schuldenerlass noch verschärfen wird. In 48 Ländern – in denen 3,3 Milliarden Menschen leben – übersteigen die Ausgaben für Zinszahlungen die Budgets für Bildung oder Gesundheit. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara entsprechen die Schuldenkosten fast vollständig dem Finanzbedarf für Klimaanpassung und Widerstandsfähigkeit. Studien zeigen, dass Länder mit erhöhten Klimarisiken höhere Kreditkosten zahlen müssen. Darüber hinaus hat die Schuldenkrise besondere Auswirkungen auf Frauen und die schwächsten Bevölkerungsgruppen, da diese Gruppen stärker unter der Sparpolitik leiden und nur begrenzten Zugang zu sozialem Schutz haben.

Die brasilianische Präsidentschaft muss sich für ein umfassendes Schuldenerlassprogramm einsetzen, das den fiskalischen Spielraum vergrößert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbeziehung aller Gläubigerklassen, einschließlich der MDBs, die von den Verhandlungen ausgeschlossen waren.

Bisherige Maßnahmen erwiesenermaßen unzureichend

Ein Schuldenerlass vergrößert den fiskalischen Spielraum der Entwicklungsländer unmittelbar und ermöglicht es ihnen, in die Bekämpfung von Hunger und Armut zu investieren. Dem derzeitigen internationalen System fehlt jedoch ein wirksamer Umschuldungsmechanismus. Initiativen wie ein Schuldenmoratorium (Debt Service Suspension Initiative (DSSI)) und das Umschuldungsrahmenwerk (Common Framework) hatten nur begrenzten Erfolg und sind in mehreren Punkten gescheitert. Vor allem Länder mit mittlerem Einkommen, die einen großen Teil der Weltwirtschaft ausmachen, kommen für diese Initiativen nicht in Frage.

Darüber hinaus verpflichtet das Umschuldungsrahmenwerk nicht zur Beteiligung aller Gläubigerkategorien - insbesondere des Privatsektors und der MDBs. Auch bleibt der Umfang der Entlastung hinter dem Finanzierungsbedarf für die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und die Pariser Klimaverpflichtungen zurück. Der brasilianische G20-Vorsitz sollte sich für ein aktualisiertes Umschuldungsrahmenwerk einsetzen, das die Dringlichkeit grüner Investitionen und der SDGs anerkennt und einen ausreichenden Schuldenerlass fördert, damit der Globale Süden seine sozioökonomischen Prioritäten erfüllen kann.

Ein umfassender Schuldenerlass ist unerlässlich

Obwohl die Diskussion über debt-for-nature swaps an Popularität gewonnen hat, zeigen Studien, dass diese Instrumente nicht ausreichen, um die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen. Der brasilianische G20-Vorsitz sollte über die Diskussion dieser Instrumente hinausgehen und sich für ein umfassendes Schuldenerlassprogramm einsetzen, das den fiskalischen Spielraum tatsächlich vergrößert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbeziehung aller Gläubigerklassen. Obwohl der Privatsektor etwa die Hälfte der öffentlichen Auslandsschulden des Globalen Südens hält, beteiligt er sich nur zögerlich an einem Schuldenerlass. Wenn er es doch tut, stellt er den verschuldeten Ländern strenge Bedingungen. Darüber hinaus wurden MDBs von den Verhandlungen ausgeschlossen, obwohl 27 Länder, die sich in einer Schuldenkrise befinden, überwiegend bei diesen Institutionen verschuldet sind.

Der G20-Vorsitz muss darauf hinarbeiten, einen Konsens darüber zu erzielen, wie alle Gläubiger auf faire und effiziente Weise in den Schuldenerlass einbezogen werden können. Für den Privatsektor könnte eine aktualisierte Version der Brady-Bonds aus den 1990er Jahren — als private Gläubiger Schuldenerleichterungen im Gegenzug für Anleihen mit höherer Rückzahlungssicherheit gewährten und so zur Linderung der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den 1980er Jahren beitrugen — eine Lösung sein, um die Beteiligung eines breiten Spektrums von Gläubigern zu fördern. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass MDBs einen Schuldenerlass sicher und effizient durchführen können. Der brasilianische G20-Vorsitz könnte eine empirische Bewertung unterstützen, um herauszufinden, wie die Einbindung von MDBs die Schuldentragfähigkeit und Entwicklungsaussichten von Ländern mit niedrigem Einkommen beeinflussen könnte.

Ein wirksamer Schuldenerlass ist entscheidend für die Bekämpfung der weltweiten Ungleichheit. Die harte Realität, mit der die Entwicklungsländer konfrontiert sind, ist nicht nur eine Ressourcenkrise, sondern eine Krise der systemischen Ungleichgewichte, die die Ungleichheiten vertiefen und die Entwicklung hemmen. Ein Schuldenerlass bietet eine greifbare Lösung, um das Entwicklungspotenzial freizusetzen und es den Ländern zu ermöglichen, in nachhaltige Entwicklung, Gesundheit, Bildung und die Bekämpfung von Hunger und Armut zu investieren.

Mit Blick auf das Jahr 2024 muss sich Brasilien als G20-Vorsitz bemühen, sein Handeln mit seinem Streben nach einer gerechteren Welt in Einklang zu bringen. Der erste Schritt besteht darin, einen umfassenden Schuldenerlass zu erörtern, der auf den Schultern derjenigen lastet, die es sich am wenigsten leisten können.


Dieser Beitrag erschien zuerst in Portugiesisch auf Valor Econômico.