Die 16. Vertragsstaatenkonferenz (COP16) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) in Cali, Kolumbien stand vor beträchtlichen Herausforderungen und musste aufgrund von Streitigkeiten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in die Verlängerung gehen.
Zwar wurden einige wichtige Entscheidungen getroffen, die für die Zivilgesellschaft und die vom Verlust der Artenvielfalt am meisten Betroffenen wichtige Gewinne bedeuten, aber mehrere andere wichtige Tagesordnungspunkte wurden nicht zum Abschluss gebracht, darunter die Mobilisierung finanzieller Ressourcen für Biodiversität und die Überwachung der Umsetzung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal (KMGBF). Zur Klärung dieser Punkte ist eine Wiederaufnahme der Tagung vonnöten.
Siege für indigene Bevölkerungsgruppen, Menschen mit afrikanischer Abstammung und den Vorteilsausgleich
Trotz der nicht zum Abschluss gebrachten Punkte wurden mehrere richtungsweisende Beschlüsse gefasst, vor allem in Bezug auf indigene Völker, lokale Gemeinschaften und Menschen afrikanischer Abstammung. Diese Beschlüsse wurden als historisch gefeiert, insbesondere die Einrichtung eines neuen ständigen Ausschusses zu traditionellem Wissen, Innovationen und Praktiken indigener Völker und lokaler Gemeinschaften in Bezug auf biologische Artenvielfalt. Diese Entscheidung war ein Sieg für diese Bevölkerungsgruppen, da sie lange um ein solches Gremium gekämpft hatten, das nun gleichberechtigt mit den anderen Ausschüssen des CBD arbeiten wird.
Ein anderer wichtiger Beschluss war die Anerkennung der Rolle der Gemeinschaften von Menschen afrikanischer Abstammung, die mit ihren traditionellen Lebensweisen zum Erhalt der Artenvielfalt und ihrer nachhaltigen Nutzung beitragen. Diese am Ende der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft (2015-2024) getroffene Entscheidung regt die Regierungen dazu an, die Mitwirkung und Beträge von Menschen mit afrikanischer Abstammung bei der Umsetzung der Konvention zu erleichtern und zu unterstützen. Dieses überaus wichtige politische Versprechen machte die kolumbianische Regierung seiner Bevölkerung.
Des Weiteren wurde auf der COP16 ein Beschluss über die Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) zu genetischen Ressourcen verabschiedet. Der Beschluss sieht vor, dass große Unternehmen, die von DSI profitieren, einen prozentualen Anteil ihrer Profite oder Einnahmen in den „Cali-Fonds“ einzahlen, womit sichergestellt werden soll, dass die Gewinne gerechter mit den Entwicklungsländern, indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften geteilt werden. Dieser lang ersehnte Schritt gilt als Sieg für die Entwicklungsländer und Zivilgesellschaft, die immer wieder eine gerechtere Verteilung der wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung der DSI forderten. Der Erfolg dieses Beschlusses hängt jedoch davon ab, wie er in den nächsten Jahren umgesetzt wird.
Die „COP der Menschen“
Die kolumbianische Regierung taufte die die Konferenz „COP der Menschen“ und bemühte sich um eine Beteiligung von Bürger*innen. Dazu gehörte die Einrichtung einer „Grünen Zone“ mit hunderten öffentlicher Veranstaltungen, die darauf abzielten, den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität zu fördern. Das ermöglichte einen umfassenden Dialog und die Weitergabe von Wissen und ergänzte so die offiziellen Verhandlungen in der „Blauen Zone“. Die große physische und thematische Trennung der beiden Zonen weckte bei den Teilnehmenden jedoch den Wunsch nach einer stärkeren Integration beider Räume.
Mit über 24.000 registrierten Teilnehmenden und fast 900.000 Anwesenden bei den Veranstaltungen in der Grünen Zone wurde die COP16 zur größten CBD-Konferenz in der Geschichte.
Meinungsverschiedenheiten über Biodiversitätsgutschriften und ‑kompensationen
Ein umstrittenes Thema auf der COP16 war die Entwicklung und Förderung von Biodiversitätsgutschriften und -kompensationen. Auch wenn diese kein offizieller Tagesordnungspunkt war, so sind sie doch als „innovative Konzepte“ zur Erhöhung der Finanzmittel für den Schutz der Artenvielfalt im KMGBF enthalten.
Der Internationale Beratungsausschuss zu Biodiversitätsgutschriften (IAPB) hat auf der COP16 einen „Rahmen für Biodiversitätsgutschriften mit hoher Integrität“ vorgeschlagen, mit dem der Kritik an den Märkten für Biodiversitätsgutschriften entgegengewirkt und „beträchtliche Finanzflüsse für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur erschlossen“ werden sollen. Bei diesem Prozess würden indigene Völker und lokale Gemeinschaften mit einbezogen.
Viele Organisationen argumentierten, dass diese Programme falsche Lösungen für die Biodiversitätskrise anbieten und es den reichen Ländern, Unternehmen und Finanzinstitutionen ermöglichen würden, von der eigens verursachten Krise der biologischen Vielfalt zu profitieren und den Status quo aufrechtzuerhalten.
Die Förderung von Biodiversitätsgutschriften stieß jedoch auf heftigen Widerstand seitens der Zivilgesellschaft, die diese Praxis als „Greenwashing“ kritisierte, die letztlich zu Biodiversitäts-Kompensationsprogrammen führen würde. Sie warnte, dass Biodiversitätsmärkte aufgrund der Komplexität der Ökosysteme noch schlimmer als die gescheiterten Kohlenstoffmärkte seien und ernste negative Auswirkungen auf indigene Völker und lokale Gemeinschaften und ihre Landbesitzrechte haben würden.
Viele Organisationen argumentierten, dass diese Programme falsche Lösungen für die Biodiversitätskrise anbieten und es den reichen Ländern, Unternehmen und Finanzinstitutionen ermöglichen würden, von der eigens verursachten Krise der biologischen Vielfalt zu profitieren und den Status quo aufrechtzuerhalten. Über 300 Organisationen haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie fordern, die Entwicklung von Biodiversitätsgutschriften und -kompensationen einzustellen. Dabei betonen sie gleichzeitig die Notwendigkeit, effektivere und gerechtere, nicht auf Märkten basierende, Finanzmittel zum Erhalt der Artenvielfalt zu mobilisieren.
Ungeklärte Entscheidungen: Finanzierung und Überwachung
Eine wichtige Entscheidung für die Mobilisierung weiterer Finanzmittel wäre die Schaffung eines neuen Finanzinstruments für Biodiversität unter der Schirmherrschaft der COP, das den Bedürfnissen der Entwicklungsländer besser gerecht werden würde. Allerdings lehnten die Industrieländer diesen Vorschlag ab, was diese Verhandlungen zum Stillstand brachte.
Ebenso wenig wurde ein Beschluss darüber gefasst, den auf der COP15 angenommenen Überwachungsrahmen mit seinen Indikatoren zur Verfolgung der Fortschritte bei der Umsetzung des KMGBF zu aktualisieren und zu vervollständigen. Auch die Annahme eines Beschlusses über die Mechanismen zur Planung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung (PMRR) der nationalen und globalen Maßnahmen wurde vertagt.
Diese Beschlüsse wurden nicht verabschiedet, weil die Plenarsitzung am 1. November bis tief in die Nacht ging und das Plenum am Morgen des 2. November nicht beschlussfähig war. Die Sitzung wurde wegen zu geringer Beteiligung unterbrochen.
Die Debatten auf der COP16 machten die anhaltenden Spannungen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern deutlich. Die Entwicklungsländer forderten lautstark robustere Finanzstrukturen und Zusagen der Industrieländer, während sich diese dafür aussprachen, einen marktorientierten Ansatz für die Finanzierung der Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt anzustreben. Zudem drängten die Industrieländer auf eine schnelle Annahme des Überwachungsrahmens und der PMRR-Mechanismen, während die Entwicklungsländer zunächst ausreichende Finanzmittel dafür forderten.
Nach der Annahme des Beschlusses zu digitalen Sequenzinformationen wird sich der Fokus jetzt auf die ausstehenden Punkte im Zusammenhang mit der Ressourcenmobilisierung und der Überwachung richten.
Durchwachsene Ergebnisse bei anderen wichtigen Entscheidungen
Auf der COP16 wurde auch die Umsetzung des 2022 verabschiedeten KMGBF überprüft. Bis zum Ende der Konferenz hatten 119 Länder ihre „im Einklang“ mit dem KMGBF stehenden nationalen Biodiversitätsziele und 44 Länder ihre aktualisierte nationale Biodiversitätsstrategie und ihren Aktionsplan (NBSAP) eingereicht. Das stellt immerhin einen kleinen Fortschritt in den globalen Bemühungen zur Erreichung der Ziele und Vorgaben des Rahmenwerks dar, signalisiert aber gleichzeitig das Fehlen von Finanzmitteln und Kapazitätsaufbau in den Entwicklungsländern, damit auch sie ihre NBSAP aktualisieren können.
Nach langen Verhandlungen wurde auch ein lang ersehnter Beschluss zu Biodiversität und Klimawandel gefasst, der die Bedeutung von Synergien zwischen dem CBD, UNFCCC und anderen Umweltübereinkommen betonte. Er konzentrierte sich auf die Einbeziehung naturbasierter Lösungen und ökosystembasierter Ansätze in den nationalen Plänen und würdigte damit Alternativen zu marktbasierten Ansätzen.
Die Fortschritte im Bereich der synthetischen Biologie sind jedoch seit der COP15, auf der ein Prozess zur regelmäßigen Überprüfung, Überwachung und Bewertung der technologischen Entwicklungen eingeführt wurde, zum Stillstand gekommen. Dieser Prozess wurde auf der COP16 nicht fortgesetzt.
Bestätigt wurde auch das Moratorium des CBD für klimabezogenes Geoengineering, was einen wichtigen Sieg für die Zivilgesellschaft und die kleinen Inselstaaten im Pazifik bedeutete, die sich dafür eingesetzt hatten. In den Verhandlungen spiegelten sich jedoch auch die anhaltenden Uneinigkeiten wider, vor allem bei Themen wie menschenrechtsbasierten Ansätzen, Bioenergie, großangelegten Flächenumwandlungen sowie bei Kohlenstoff- und Biodiversitätsmärkten.
Die Fortschritte im Bereich der synthetischen Biologie sind jedoch seit der COP15, auf der ein Prozess zur regelmäßigen Überprüfung, Überwachung und Bewertung der technologischen Entwicklungen eingeführt wurde, zum Stillstand gekommen. Dieser Prozess wurde auf der COP16 nicht fortgesetzt. Stattdessen wurde eine Expertengruppe gebildet, die sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen ermitteln soll.
Der Fokus richtet sich jetzt auf Kapazitätsaufbau und Entwicklung, Technologie- und Wissenstransfer sowie auf das Erstellen eines thematischen Aktionsplans. Zwar bestehen nach wie vor Bedenken, dass dieser Plan der Forschung und Entwicklung zu große Priorität einräumen könnte, aber die Einbeziehung von Bewertungsmaßnahmen könnte eine Gewähr dafür sein, dass auch Gerechtigkeit und Vorsicht nicht außen vor bleiben.
Ausblick
Auf der COP16 wurden erhebliche Fortschritte gemacht, die Rechte und Rollen indigener Völker und Menschen mit afrikanischer Abstammung beim Erhalt und der nachhaltigen Nutzung der biologischen Artenvielfalt anzuerkennen. Es wurden auch wichtige Beschlüsse zu digitalen Sequenzinformationen gefasst. Die Verhandlungen waren jedoch schwierig und langwierig, vor allem in Bezug auf die Bereitstellung von Finanzmitteln. Letzteres wird bei der Wiederaufnahme der Konferenz erneut verhandelt.
Die Debatten auf der COP16 unterstrichen nicht nur die anhaltenden Spannungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, sondern auch die Forderungen der Zivilgesellschaft, die mit einer zunehmend wirtschaftlich ausgerichteten Biodiversitätsagenda konfrontiert sind. Abgesehen von den laufenden CBD-Diskussionen wird der Widerstand gegen Rohstoffstrategien, gegen "Festungsnaturschutz" und gegen die Kontrolle durch Unternehmen über Gelder für den Schutz der Artenvielfalt weiterhin die Zukunft der Artenvielfalt und der Menschen, die davon abhängig sind, beeinflussen.
Dieser Artikel wurde gemeinsam mit Lim Li Lin (Third World Network) und Lim Li Ching (Third World Network) verfasst.