Die britische Bewegung für Rechte der Natur

Initiative

Die britische Bewegung für die Rechte der Natur hat in den letzten Jahren neuen Aufschwung erfahren. Ein Fokus der Bewegung liegt auf lokalen Initiativen für Flüsse, Netzwerk-Projekten sowie alternativen, direkten Ansätzen.

Eine kleine Gruppe Menschen steht am Flussufer des Darts in Devon, UK.
Teaser Bild Untertitel
Aktivist:innen für Rechte der Natur am Fluss Dart, Devon.

Bereits in den Jahren 2005 bis 2010 gab in Großbritannien rund um die UK Environmental Law Association (UKELA) einen Schwung an Aktivitäten zu den Rechten der Natur, mit Konferenzen, einem ausgezeichneten Forschungsbericht, in dem analysiert wurde, inwiefern Wild Law bereits weltweit existiert, und jährlichen Wild Law-Wochenenden (die weiterhin stattfinden!). Um 2018, erfuhr die Bewegung einen neuen Aufschwung, mit einigen Forschungskonferenzen und der ersten lokalen Initiative rund um den Fluss Frome (mehr dazu unten). 

Es bleibt zu hoffen, dass diese nun dritte Welle der Wiederbelebung die stärkste sein wird, und die bisherigen Anzeichen sind positiv. In den letzten Jahren ist die Zahl derjenigen, die zu den Rechten der Natur arbeiten, stetig gestiegen, und wichtige Netzwerke wurden geknüpft. Im Juni 2023 brachte ein erstes Treffen lokale Gruppen in Dartington zusammen, die die Prinzipien und Praktiken der Rechte der Natur in Großbritannien anwenden. Mit dabei waren u.a. Repräsentant:innen der Flüsse Dart, Avon, Ouse, Cam, Rydale und Roding. 

Infolge eines Workshops im Februar 2023, der Akteur:innen verschiedener Hintergründe – sofern sie den Organisierenden bekannt waren – versammelte, gründete sich das UK Rights of Nature Network. Das Netzwerk startete mit einer WhatsApp-Gruppe und regelmäßigen Online-Meetings. Nach einem erfolgreichen Förderantrag kamen die Mitglieder 2024 drei Tage lang in Hazel Hill Woods zur Strategie- und Netzwerkbildung zusammen. Stand Anfang 2025 bestand die Gruppe aus 40 Personen mit vielfältigen disziplinären Hintergründen und Arbeitsweisen. Seit Gründung des Netzwerks wurden eine Handvoll Veranstaltungen organisiert, um Mitglieder für sondierende Gespräche und Präsentationen zusammenzubringen.

Zu den wichtigsten Organisationen, die sich in Großbritannien speziell mit Rechten der Natur befassen, gehören die Anima Mundi Law Initiative, Earth Law FoundationEcoforensic, Environmental Law FoundationGaia FoundationLawyers for NatureMoral ImaginationsNature’s Rights, and Opus.

Das UK Rights of Nature Network wird auch von ortsbezogenen Projekten und Basisgruppen getragen, darunter (nicht nur) die Friends of the River Dart, Friends of the River Cam, Love Our Ouse, der River Roding Trust und das River Dôn Project. Diese Gruppen, Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen fließen in verschiedene Gesellschaften und Netzwerke ein, wie INSRoN, das River Rights Network (mehr dazu unten) und die SOAS Harmony with Nature Society. All dies sind nichterschöpfende Listen.

Gruppenbild von mehreren Menschen, die vor und auf einer Mauer sitzen und stehen.
Die Lawyers for Nature UK und andere Aktivist:innen am River Dart, Dartington.

Eine weitere relevante Entwicklung in der britischen RdN-Landschaft ist das Projekt „A Meeting of Rivers“. Mit dem Ziel, die wachsende „Rechte der Flüsse“-Bewegung in Großbritannien und verschiedene Flussgruppen zusammenzubringen, umfasst das Projekt vier wechselnd ausgerichtete Veranstaltungen zu relevanten Themen: „Rechte“, „Vertretung“, „rechtliche Maßnahmen“ und „ökologische Gesundheit“. Im Anschluss an das erste Treffen, ausgerichtet von den Friends of the River Cam im September 2024, wurde ein River Rights Network gebildet, das über die 10-15 Basisgruppen hinaus eine solide Grundlage für Gruppen bildet, die sich für lokale Gewässer einsetzen. Ein zweites Treffen wird im Frühjahr 2025 vom River Dôn Project organisiert.

Politischer Kontext

Der breitere politische Kontext ist mit Sicherheit ein Grund dafür, dass sich die Ideen um Rechte der Natur im Vereinigten Königreich noch nicht durchgesetzt haben. Umweltthemen waren im politischen Mainstream-Diskurs bis etwa 2017 relativ abwesend, bis Kampagnen von Extinction Rebellion, Youth Strike [international besser bekannt als Fridays for Future-Bewegung] und eine Green New Deal-Kampagne diese Themen in den Mainstream rückten. Dieser Schwung wurde durch das Wahlergebnis 2019 gebremst, das die konservative Partei mit einem überwältigenden Sieg für fünf Jahre ins Amt brachte.Für Umweltfragen führte dies zu einer katastrophalen politischen Situation im Land. Neben den Auswirkungen des Brexit und der Pandemie wurden öffentliche Dienstleistungen weiter gekürzt, Inflation und Lebenshaltungskosten stiegen erheblich, während sich Löhne und Arbeitsplätze in die andere Richtung bewegten.

Ökologische Belange sind nach wie vor ein wichtiges Thema für die Öffentlichkeit und bei Kommunalwahlen, haben aber in der Politik in Westminster kaum eine Rolle gespielt. Für Aktivist:innen geht es aktuell eher darum, Rückschritte beim Umweltschutz infolge des Brexit zu verhindern.

Bei den Parlamentswahlen 2024 gewann die Labour-Partei von Keir Starmer mit einer überwältigenden Mehrheit. Der Grad von Starmers Engagement und Ehrgeiz in Bezug auf die Bewältigung ökologischer Krisen – ganz zu schweigen von einem visionären Ansatz wie Rechte der Natur – ist jedoch ungewiss. 

Das Manifest der britischen Grünen Partei für das Jahr 2024 enthält im Abschnitt ‘Bringing Nature Back to Life’ [„Die Natur wieder zum Leben erwecken“] die Rechte der Natur und verspricht, „ein neues Gesetz über die Rechte der Natur einzuführen, das der Natur selbst Rechte verleiht“. Diese Erwähnung im Manifest zeigt, wie Rechte der Natur im politischen Raum an Boden gewinnen. Im Anschluss daran begann ein Team mit der Ausarbeitung eines praktikablen Gesetzesentwurfs. Neben der Ausarbeitung eines gesetzlichen Rahmens ist es auch möglich, dass ein bestimmtes Ökosystem oder Gewässer beschließt, eine Kampagne für seinen rechtlichen Schutz zu starten, ähnlich wie im Fall der Initiative um die spanische Lagune Mar Menor. 

Zur Unterstützung dieser Ansätze wäre wohl eine große öffentliche Kampagne erforderlich – wobei Rechte der Natur genau die Art von Idee ist, die inspirieren und mobilisieren kann.

Es ist sicherlich eine verpasste Gelegenheit, dass jüngste Umweltschutzkampagnen im Vereinigten Königreich die Idee von Rechten der Natur nicht aufgegriffen haben. Extinction Rebellion und ähnliche Gruppen haben dies ebenso verpasst wie Kampagnen zur Verhinderung von Fracking oder zum Schutz alter Wälder vor Zerstörung (wie die Kampagne Stop HS2).

Blick in eine prächtige Baumkrone.

Rechte der Natur

Unsere Beziehung zur Natur ist massiv gestört. Um Mensch und Umwelt nachhaltig zu schützen, brauchen wir neue Ansätze – wie das Verleihen von Rechten an die Natur.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers Rechte der Natur, das zeigt, wie sich dieser Ansatz praktisch umsetzen lässt und welche Chancen er bietet. ▶ Zum Dossier Rechte der Natur.


Initiativen für die Rechte der Natur: Großbritannien und Irland

Graswurzel-Initiativen haben sich insbesondere im Kontext von Communities, die lokale Flüsse schützen wollen, entwickelt. Im Jahr 2021 verabschiedeten der Derry City and Strabane District Council und der Fermanagh and Omagh District Council jeweils Anträge, um gemeinsam mit Zivilgesellschaft und lokalen Communities zu erarbeiten, was Rechte der Natur in der Praxis bedeuten könnten und wie das Konzept in Gemeinde- und Unternehmensplänen, Entwicklungszielen und anderen strategischen Rahmenwerken zum Ausdruck kommen könnte. In Irland hat der County Council von Donegal einen ähnlichen Antrag verabschiedet. 

Ebenso erwähnt werden sollte hier, dass im April 2023 neben dem Oireachtas Joint Committee on Environment and Climate Action auch die irische Citizens’ Assembly on Biodiversity Loss ein Referendum zur Aufnahme der Rechte der Natur und des Rechts auf eine gesunde Umwelt in die nationale Verfassung, Bunreacht na hÉireann, forderte. Das Oireachtas Joint Committee verfasste nach eingehender Prüfung einen Bericht, in dem der fragmentierte Ansatz der bestehenden Umweltpolitik hervorgehoben und die Empfehlungen für ein solches Referendum angenommen wurden. Am 18. April 2024 fand im Parlamentarischen Unterhaus Dáil Éireann in der Folge eine Debatte zum Thema statt.

Auch in England wurden vielversprechende Schritte unternommen: Der Stadtrat des südenglischen Lewes verabschiedete einen Beschluss, in dem er sich verpflichtet, ein Ansatz auf Basis von Flussrechten zu prüfen und arbeitet eine „Erklärung der Rechte der Ouse“, die der Stadtrat billigen könnte. Dies signalisiert eine Intention und startet einen Prozess, politische oder rechtliche Auswirkungen können jedoch erst nach genaueren Ausarbeitungen sichtbar werden.

Diese Initiativen lokaler Councils stehen im Schatten einer gescheiterten Initiative für den Fluss Frome im Jahr 2018. Councils haben im Rahmen der nationalen Rechtsstruktur nur begrenzte Befugnisse; sie können zwar "by-laws" erlassen (lokale Verordnungen, die sich mit lokalen Fragen befassen), diese müssen jedoch von der Nationalregierung genehmigt werden. Das By-Law zum Frome wurde von letzterer mit der Begründung abgelehnt, dass es gegenüber dem bestehenden Umweltschutz eine Dopplung darstellt – ungeachtet der Tatsache, dass bestehende Schutzmaßnahmen unzureichend sind und ihre Wirkung regelmäßig verfehlen, und die Situation sich seitdem nur noch verschlechtert hat. Möglicherweise lag die Verordnung jedoch schlicht außerhalb der Zuständigkeit des Town Councils. Mit den jüngsten Initiativen wird daher ein Ansatz entwickelt, der in die Zuständigkeit der Councils fällt und sich auf interne Pläne und Erklärungen konzentriert. Ob dazu auch By-Laws gehören – oder ob eine künftige Regierung für solche Rechte der Natur-Verordnungen empfänglich sein wird – bleibt abzuwarten.

Blick auf einen Fluss, umwachsen von Bäumen und Sträuchern, im Hintergrund steht ein Haus.
Der Fluss Frome nördlich von Frome, UK.

Viele Aktivist:innen für Rechte der Naturhaben sich angesichts der rechtlichen und politischen Lage für alternative, direkte Ansätze entschieden. Einige lokale Naturschützer:innen arbeiten mit dem Konzept der Vormundschaft für bestimmte Teile der Natur wie Bäume, Flüsse und Wälder.

Dazu gehört oft eine Erklärung der Rechte des Flusses, die zwar keine rechtliche Bindung hat, aber auf politischer, kultureller und spiritueller Ebene sehr wirksam sein kann. Was dies in der Praxis bedeutet, ist je nach rechtlichem und ökonomischem Kontext unterschiedlich, und kann direkte praktische Maßnahmen (z.B. die Überwachung der Wasserqualität oder die Beseitigung von Müll aus einem Fluss) ebenso umfassen wie rechtliche Anfechtungen unter Anwendung bestehender Gesetze und Aktionen gegen Einzelpersonen oder Unternehmen, die diesem Teil der Natur schaden. Solche "Rechte der Natur in Aktion" werden allmählich von vielen "Friends of"-Gruppen im Vereinigten Königreich umgesetzt. Bemerkenswerte Beispiele sind die Flüsse Roding, Dart, Don, Deben und Cam.

Ein weiterer Ansatz – Nature-Positive Corporate Governance – wurde von Lawyers for Nature in Zusammenarbeit mit sinnorientierten Unternehmen erprobt, die im Rahmen des flexiblen britischen Unternehmensrechts Rechte der Natur durch Vertreter:innen bei der Entscheidungsfindung einführen wollen. Im Jahr 2022 hat das Kosmetikunternehmen Faith In Nature – wohl in einer Weltpremiere – eine Vertretung der Natur in seinen Vorstand berufen. Das Interior Design-Unternehmen House of Hackney folgte mit einem ähnlichen Ansatz. Lawyers For Nature planen, dies auszubauen: mit Organisationen des Dienstleistungssektors und öffentlichen Einrichtungen wie Wohlfahrtsverbänden und Nichtregierungsorganisationen in Großbritannien und darüber hinaus.

Zu weiteren nennenswerte Interventionen im Bereich der Governance gehören die Moral Imaginations, die Prozesse mit Communities, Organisationen und Flüssen  organisieren, in denen sie die mehr-als-menschliche Welt in Entscheidungsfindungen einbeziehen. Ihr Ansatz, der auf dem Modell der Bürgerversammlung – dem Interspecies Council – aufbaut, wird zunehmend von Flussrechtsinitiativen genutzt, um einen Wandel der Weltsicht voranzutreiben: weg von der anthropozentrischen Entscheidungsfindung und hin zur Vertretung der Interessen diverser Arten (‚multispecies‘). Auf diese Weise erweitern sie immer wieder die Grenzen des Vorstellbaren, insbesondere hinsichtlich des Einbezugs der Natur in die Entscheidungsfindung, beispielsweise mit dem Camden Council. 

Darüber hinaus erwarten viele in der Bewegung zu Beginn des Jahres 2025 mit Spannung die Veröffentlichung des Buches „Is A River alive?“ des Bestsellerautors Robert MacFarlane.

Auch im Jahr 2024 wuchs die britische RdN-Bewegung. Weitere Gruppen und Einzelpersonen jenseits der in diesem Artikel genannten Netzwerke und Organisationen beziehen die Rechte der Natur in ihre Arbeit ein. Besonders im universitären Umfeld ließ sich ein Aufblühen dieser Ideen beobachten – zu nennen sei die SOAS Harmony with Nature Society, Sheffield HallamKing's College Legal Clinic und die Universität von Sussex. Lokale Gruppen gewinnen an Dynamik und stärken die Bewegung: Sie erfahren aus erster Hand den Druck, der auf die Natur ausgeübt wird, und die Aufgeschlossenheit der Öffentlichkeit für die Rechte der Natur.


Dieser Text wurde im Januar 2025 von Neil Williams (Universität Southampton) und Lucy Gavaghan (GARN UK) aktualisiert und ergänzt.

Aus dem Englischen übersetzt von Imke Horstmannshoff.

Links & Literatur