In Coesfeld beteiligen die Stadtwerke die Bürger und Bürgerinnen an den Einnahmen des lokalen Windparks. Konflikte bleiben aus. Wir sprachen mit Eliza Diekmann, Bürgermeisterin von Coesfeld.

Um Windräder gibt es viele Konflikte – manche finden sie hässlich, andere haben Bedenken wegen des Vogelschutzes oder der Geräusche. In Coesfeld es gab keine einzige Klage. Warum nicht?
In Coesfeld kam die Initiative zur Windenergie vonseiten der Landwirtschaft und damit der Flächeneigentümerinnen und -eigentümer. Die Nachbarn haben miteinander erarbeitet, wie sie alle von einem solchen Weg profitieren können. Dadurch bleibt die Wertschöpfung vollständig im Ort.
In anderen Regionen ist dies anders und damit deutlich konfliktträchtiger. Es ist wichtig, den Menschen deutlich zu machen, dass sie Mehreinnahmen erzielen können, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen. Dies ist uns in Coesfeld bis heute gelungen.
2021 ging der Windpark Letter Bruch nahe Coesfeld in Betrieb. Er kann die Stadt zu 100 Prozent mit Strom versorgen und gilt als Vorzeigeprojekt für die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende. Haben sich Ihre Hoffnungen erfüllt?
Mit unserem Konzept der Bürgerbeteiligung ist uns eine konfliktfreie Umsetzung des Projektes gelungen. Wir haben uns auch sehr gefreut, dass der „Coesfelder Weg“ Einzug in die Landesgesetzgebung gefunden hat. Das Bürgerenergiegesetz NRW verpflichtet Betreiber von Windparks, den umliegenden Gemeinden eine finanzielle Beteiligung anzubieten. Wir hoffen, dass wir auch andere Regionen motivieren können, ambitionierte Wege zu gehen. Außerdem erwirtschaften wir jährlich eine sechsstellige Summe für unsere Bürgerstiftung und ermöglichen damit eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Projekte, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen.
Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Amt als Bürgermeisterin?
Als Studentin habe ich Kommunalpolitik als träge und Behörden als verstaubt empfunden. Die Erkenntnis, dass wir Kommunalpolitik neu denken und Behörden ebenso modern und dynamisch aufstellen können, war für mich eine echte Wende. Mit Strukturen nicht einverstanden zu sein, ist das eine. Das andere ist, sie aktiv zu verändern. Unsere Demokratie macht es möglich, eine tolle Erkenntnis. In der Kommunalpolitik setzen wir die Gesetzgebung um und können vor Ort viel gestalten. Mit den Bürgerinnen und Bürgern neu Demokratie zu leben, bietet wiederum die Möglichkeit, auch die große Gesetzgebung zu beeinflussen.
Wie haben Sie es geschafft, sich als junge Frau im eher konservativen Coesfeld durchzusetzen?
Ich durfte lernen, dass jung und Frau keine Attribute mehr sind, die ein „Durchsetzen“ in konservativen Strukturen verhindern. Im Gegenteil: Mein Erfolgsmodell war, mit neuen Ansätzen bestehende Strukturen aufzubrechen und damit für viele andere eine Stimme zu sein, die sich zuvor nicht mitgenommen gefühlt haben. Es geht heute weniger darum, wer etwas macht, sondern darum, wie jemand etwas macht. Wie setzen wir Dinge um, wie kommunizieren wir, wie beteiligen wir und wie machen wir Politik vor Ort erlebbar? Wer hierzu Antworten findet, findet auch Mehrheiten.
Zu den Plänen der Stadt gehört, Windstrom zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff zu nutzen. Übernimmt sich eine Kommune damit nicht?
Nur weil das Thema Wasserstoff in eigener Produktion noch fern wirkt, sollten wir es nicht außer Acht lassen. Schaut man auf unsere Lage und die Möglichkeiten der Anbindung, bietet sich bei uns die Produktion von grünem Wasserstoff einfach an. Mit dem Industriepark Nord.Westfalen haben wir dazu eine einmalige Infrastruktur, die uns das ermöglicht. Für die Umsetzung benötigen wir nun vor allem Unterstützung von Land und Bund bei der Finanzierung eines Groß-Elektrolyseurs. Standort, Umsetzung und Einbindung haben wir bereits auf den Weg gebracht.
Das Interview führte Jörg Staude.