Die senegalesische Regierung ist vor über einem Jahr mit dem Versprechen eines tiefgreifenden Wandels angetreten. Doch kaum im Amt, sieht sie sich mit einem enormen Schuldenberg konfrontiert. Um die Krise zu bewältigen, muss sie nun unpopuläre Maßnahmen ergreifen.

Seit einigen Tagen hängen dunkle Wolken über Dakar und das nicht nur wegen der nahenden Regenzeit. Während sich die Menschen in der Hauptstadt auf mögliche Überschwemmungen vorbereiten, kündigen sich auch finanzpolitische Unwetter am Horizont an. Im Gegensatz zum Frühjahr, als der senegalesische Rechnungshof selbst die Schuldenquote nach oben korrigierte, kommt die Warnung diesmal aus London. Anfang Juli veröffentlichte die britische Bank Barclays einen Bericht, der Senegals ohnehin angespannte Finanzlage in ein noch düstereres Licht rückt: Demnach könnte die tatsächliche Staatsverschuldung Senegals im Jahr 2024 bei 119 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes liegen. Sollten sich diese Zahlen bewahrheiten, wäre Senegal das am höchsten verschuldete Land auf dem afrikanischen Kontinent – noch vor Ländern wie Ghana, Äthiopien oder Sambia, die bereits internationale Umschuldungsverfahren durchlaufen.
Finanzmärkte verlieren Vertrauen in Senegals Zahlungsfähigkeit
Die Reaktion der Finanzmärkte ließ nicht lange auf sich warten: Senegals Staatsanleihen gerieten stark unter Druck und verloren deutlich an Wert. Ein klares Signal von Investor*innen für das schwindende Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit des Landes. Entsprechend stiegen auch die Risikoprämien, also die Renditen, die der Staat Anleger*innen bieten muss, um neue Anleihen zu platzieren. Schon vor dem Kursverfall lag die Verzinsung senegalesischer Eurobonds zwischen 8 und 10 Prozent. Das ist deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Länder. Der Preis, den der Staat für die Aufnahme von Krediten auf den internationalen Finanzmärkten zahlen muss, wird von Expert*innen als zu hoch eingestuft und zeigt, wie teuer die Schuldenaufnahme auf dem privaten Kapitalmarkt geworden ist.
Fast das gesamte Geld des Landes wird für Schulden aufgewendet.
Die Situation hat gravierende Folgen für die öffentlichen Finanzen: Rund 40 Prozent der Staatsausgaben fließen laut dem Nachtragshaushalt 2025 in Gehälter und Schuldendienst und fehlen damit für dringend benötigte Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Ernährungssicherheit, die viele Wähler*innen mit dem versprochenen politischen Wandel der Regierung verbinden. Angesichts drastischer Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit - etwa durch die Auflösung von USAID oder den Kürzungen bei der französischen Entwicklungsagentur AFD - wiegen die geringen Investitionen in diese Bereiche umso schwerer. Premierminister Ousmane Sonko unterstrich dies mit seiner Aussage im Parlament, dass „fast das gesamte Geld des Landes für Schulden aufgewendet wird“. Um der Haushaltskrise entgegenzuwirken, kündigte er deshalb einen staatlichen Sanierungsplan an.
In der Bevölkerung wächst allerdings die Sorge, dass damit harte Einschnitte im Alltag der Menschen einhergehen könnten. Seit Amtsübernahme bemüht sich die Regierung die Steuerbasis durch eine effizientere Steuereintreibung, den Abbau von Steuervergünstigungen und die Kürzung unwesentlicher Ausgaben zu verbreitern. Was das in der Praxis bedeutet, bekamen die Senegales*innen bereits im März deutlich zu spüren. Rund 3.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst und in staatlichen Unternehmen, darunter zahlreiche Hafenarbeiter*innen in Dakar, wurden kurzfristig entlassen. Solche Maßnahmen bergen sozialen Sprengstoff. Viele Menschen haben schon jetzt das Gefühl, die Hauptlast der wirtschaftlichen Krise zu tragen, während der Staat ihnen kaum Gegenleistungen bietet.
Zivilgesellschaft fordert Schuldenerleichterungen
Die Hoffnungen richten sich jetzt ausgerechnet auf den Internationalen Währungsfonds (IWF). Jene Institution, die mit seinen harten Sparmaßnahmen in den 1980er-Jahren für viele Senegales*innen mitverantwortlich für eine der tiefsten Wirtschaftskrisen des Landes ist. Doch in der Not überwiegt der Pragmatismus. Aktuell verhandelt Senegal mit dem IWF über die Wiederaufnahme eines Kreditprogramms. Das könnte den Zugang zu Finanzhilfen sichern und die Kapitalkosten auf den Märkten senken. Eine Einigung mit dem IWF wäre zudem ein wichtiges Signal für andere bilaterale Geldgeber, wie die deutsche Bundesregierung, die die Auszahlung weiterer Budgethilfen an einen Kreditabschluss mit dem Fonds knüpft. Die senegalische Staatsführung steht deshalb unter Zugzwang, schnellstmöglich vollständige und transparente Zahlen vorzulegen, um den dringend benötigten Zugang zu anderen Finanzierungsquellen herzustellen.
Doch weder eine neue Finanzhilfe des IWF noch Maßnahmen zur Ausweitung der Steuerbasis werden ausreichen, um das Schuldenproblem Senegals nachhaltig zu lösen. Zwar ist es richtig, dass Regierungen wie die senegalesische zunehmend auf eigene Einnahmequellen setzen, gerade angesichts schrumpfender internationaler Hilfen. Doch es wäre illusorisch zu glauben, dass sie sich damit allein aus der Schuldenspirale befreien können. Jeder Konsolidierungsversuch bleibt Stückwerk, wenn er nicht von einer nachhaltigen Entwicklung begleitet wird. Eine gerechtere Schuldenordnung gilt bei vielen in Afrika dafür als zentraler Hebel. Zivilgesellschaftliche Gruppen ebenso wie zahlreiche Staatschef*innen fordern Reformen und drängen darauf, dass die Schuldenfrage auch beim G20-Gipfel in Südafrika endlich ganz oben auf die politische Agenda rückt. Das unterstrich zuletzt auch die Lomé-Erklärung. Die Kritik lautet, dass das derzeitige System vor allem den Interessen der Gläubiger*innen dient und Entwicklungsperspektiven in Ländern des sogenannten Globalen Südens blockiert. Viele afrikanische zivilgesellschaftliche Akteur*innen weisen zu Recht darauf hin, dass es mehr braucht als lediglich Sparmaßnahmen oder große Investitionen. Sie fordern umfassende Schuldenerleichterungen, einschließlich der Option eines Schuldenschnitts, damit nachhaltige Entwicklung nicht ein leeres Versprechen bleibt. Nur so sind Länder wie Senegal wirklich besser für den nächsten finanzpolitischen Sturm gewappnet.
Dieser Text erschien zuerst bei Table.Briefings.