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Umweg Poznan - im Schneckentempo nach Kopenhagen

Lesedauer: 5 Minuten
Die Erde - erst im Kochtopf, dann im Eimer?

17. Dezember 2008
Von Lili Fuhr
Von Lili Fuhr

Nach dem Abschluss der Klimaverhandlungen herrscht Katerstimmung im polnischen Poznan. Die Erwartungen waren zwar von vornherein nicht groß: Bei der Konferenz handelt es sich um einen Zwischenschritt auf dem Weg nach Kopenhagen, wo im Dezember 2009 ein neues Klimaabkommen verabschiedet werden muss. Trotzdem sind Wut und Enttäuschung groß. Für viele Beobachter waren die beiden Wochen in Poznan ein Rückschritt, da die Klimaverhandlungen auf den Stand von vor 12 Monaten, nach Verabschiedung der Bali Road Map (PDF), zurückgeworfen worden sind. Was ist passiert?

Zwei wichtige Mitbringsel haben die Industrieländer vergessen, als sie ihre Koffer für Poznan packten: Konkrete Ziele für die Reduktion von Emissionen und Zusagen, Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung sowie Anpassung und Technologietransfer in die Entwicklungsländern zu finanzieren.

Während sich die Gespräche in Poznan immer einen Schritt vor, eineinhalb Schritte zurückbewegten, hat die Welt mit großer Aufmerksamkeit nach Brüssel geschaut, wo die EU das Klima- und Energiepaket in letzter Runde verhandelte. Das Ergebnis ist eine Katastrophe. Hier ein Zitat aus der gemeinsamen Presseerklärung von WWF, Oxfam, Greenpeace, CAN-Europe and Friends of the Earth Europe:

Die Welt wartet auf Obama

„Dies ist ein schwarzer Tag für die europäische Klimapolitik. Die Staatsoberhäupter und Regierungen Europas haben ihre Versprechen gebrochen und sich vom weltweiten Kampf gegen den Klimawandel abgewandt. Angela Merkel, Silvio Berlusconi, Donald Tusk und Nicolas Sarkozy sollten sich schämen. Sie haben sich für die Profite der verschmutzenden Industrien entschieden – und gegen den Willen der Bürger Europas, die Zukunft ihrer Kinder und das Elend von Millionen von Menschen in aller Welt. Das Europaparlament kann und muss bei den schlechtesten Teile der Vereinbarung, die heute geschlossen wurde, nachbessern.“

Die EU hat damit ihren Anspruch auf eine Führungsrolle in den internationalen Klimaverhandlungen verspielt. Das schadet nicht nur der Gemeinschaft selbst, es schwächt den gesamten Prozess.

Die Welt wartet auf Obama. Sollte er seine Versprechungen einlösen, könnten sich die Ausgangsbedingungen für ein Kopenhagen-Abkommen 2009 in der Tat verbessern. Dass die USA bislang in Sachen Klimapolitik eine „lahme Ente“ waren, darf anderen nicht als Vorwand dafür dienen, nichts oder weniger als nichts zu tun. Auch die Finanzkrise - oft als Grund dafür genannt, dass die Industrieländer zögern - wird als willkommene Ausrede genutzt, den Klimaschutz zurückzufahren. Genau das Gegenteil müsste heute aber passieren!

Neuer Wind aus dem Süden

Überrascht hat hingegen viele eine neue Dynamik, die spätestens bei den Verhandlungen vergangenen Juni in Bonn ihren Anfang nahm: Einige Entwicklungsländer waren dort mit  konkreten und ehrgeizigen Vorschlägen aufgetreten. Diese haben sie inzwischen ausgebaut und erneut eingebracht. Einige Entwicklungsländer haben sich nationale Ziele gesteckt, nationale Klimaaktionspläne vorgelegt oder weitere Maßnahmen und Ziele für das kommende Jahr angekündigt. Eine interessante Wende! Auf einmal übernehmen Länder wie Südafrika, Indien, Mexiko und Brasilien die Führung in der Klimapolitik und werden zu treibenden Kräften in einem ansonsten stockenden Prozess.

Die Industrieländer haben das Vertrauen verspielt, das der zerbrechliche Konsens von Bali hervorgebracht hatte. Weder haben sie seither eigene Ziele und Vorschläge entwickelt, noch auf die Vorschläge der Entwicklungsländer reagiert. Es wird Monate dauern, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Diese Zeit aber haben wir nicht. Was kann und muss in den kommenden Monaten passieren?

Zunächst einmal muss die EU die Wochen vor den Klimaverhandlungen in Bonn Ende März 2009 dazu nutzen, ihre Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik wiederzugewinnen und einen ausgereiften Vorschlag für Finanzierung und Technologietransfer an die Entwicklungsländer einzubringen. Sollten dann die USA, ebenfalls bis Mitte 2009, konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt haben, könnte man zumindest hoffen, dass der für Juni 2009 geplante erste Entwurf eines Verhandlungstextes für Kopenhagen tatsächlich eine Grundlage bietet, um die es sich zu streiten lohnt.

Eine nachhaltige Energiewende

In der Zwischenzeit müssen die Industrieländer dafür sorgen, dass die vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländer rasch Gelder bekommen, mit denen sie auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren können. Bis 2013, wenn der neue Deal in Kraft tritt, kann das nicht warten.

Die Verhandlungen in verschiedenen Arbeitsgruppen und Untergruppen sind inzwischen so komplex, dass dort kaum eine politische Debatte zu Strategien und Visionen zu erwarten ist. Diese Aufgabe liegt bei den Staats- und Regierungschefs, die das Thema „Klima“ 2009 ausnahmslos ganz oben auf ihre Agenda setzen und bei den Verhandlungen Präsenz zeigen müssen.

Und schließlich: Die anstehenden Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft müssen unbedingt dazu genutzt werden, eine nachhaltige Energiewende herbeizuführen. Andernfalls werden wir auf Jahrzehnte hinaus an Technologien gebunden sein, die uns in der Klimaklemme festhalten.

Trotz der recht verhaltenen Stimmung in Poznan hat einer alles dafür getan, Motivation und Hoffnung zu stärken: Bei seinem Kurzbesuch forderte Friedensnobelpreisträger Al Gore den Aufbau von Kapazitäten (capacity building) in den Industrieländern, damit diese endlich Klimaschutz wichtiger nehmen, als die Beschäftigung mit den Simpsons oder Paris Hilton. Er sprach sich weiter für eine Stabilisierung der Emissionen auf 350 ppm aus und beendete seine, von Beifall begleitende, Rede mit einem lauten und deutlichen „Yes we can!”


Lili Fuhr
ist Referentin für Internationale Ökologiepolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie bloggt unter http://www.klima-der-gerechtigkeit.de/.