Global Issue Paper Nr. 33
Von Simon Wolf
November 2007
Zusammenfassung
Die Klimadebatte hat in den letzten Monaten auch in Mexiko und Zentralamerika an Bedeutung gewonnen, allerdings im Wesentlichen noch ohne eigene Prägung. Themen und Sichtweisen werden stark von der Diskurshoheit der Länder des Nordens dominiert - ein Phänomen, das auch in den internationalen Klimaverhandlungen zu beobachten ist. Zur Umsetzung einer eigenen, effektiven Klimapolitik wäre jedoch eine Debatte notwendig, die ihren Ausgangspunkt in der spezifischen Situation und den Notwendigkeiten der Region nimmt.
Regionale Besonderheiten
Stärker noch als in Mexiko unterscheiden sich die Ausgangsbedingungen der Länder Zentralamerikas deutlich von denen des industrialisierten Nordens. Die Region war und ist nicht nur in sehr viel geringerem Maße für den globalen CO2-Ausstoß verantwortlich. Sie ist auch den Folgen des Klimawandels viel stärker ausgesetzt. Für diese Länder ist deshalb die Anpassung an den Klimawandel von zentraler Bedeutung.
Mexiko nimmt eine Mittelposition zwischen den Ländern Zentralamerikas und des Nordens ein. Zwar liegen die Emissionen pro Kopf nach wie vor unter dem globalen Durchschnitt, haben aber ein nachhaltiges Niveau bereits deutlich überschritten. Aufgrund der hohen Bevölkerungszahl und der raschen Industrialisierung rückt Mexiko zunehmend in die Gruppe der großen Emittenten auf. Deshalb ist für das Land nicht nur Anpassungspolitik sondern auch Emissionsminderung ein Thema.
Neben der Höhe der Emissionen gibt es einige weitere Besonderheiten, die für die Klimapolitik in der Region relevant sind:
- In den drei hier beschriebenen Ländern (Mexiko, El Salvador und Nicaragua) spielen Landwirtschaft und Entwaldung für die Emissionsbilanz eine größere Rolle als industrielle Prozesse. Emissionsminderung muss dementsprechend auch hier ansetzen.
- Eine weitere wichtige Emissions-Ursache ist die Stromproduktion. Eine nachhaltige Energiezukunft bedeutet nicht zwangsläufig die Ersetzung bestehender Systeme, sondern zum Teil auch das Überspringen des fossilen Zeitalters durch das so genannte „leapfrogging“.
- Einzelne Maßnahmen können gleichzeitig einen Beitrag zur Emissionsminderung und zur Adaptation leisten. Der Schutz des Waldbestandes etwa verbessert nicht nur die globale CO2-Bilanz, sondern schützt lokal auch die Lebensräume und verringert damit Vulnerabilität.
- Der Zusammenhang zwischen globaler und lokaler Wirkung ist auch aus anderer Perspektive wichtig: Aufgrund ihrer sozioökonomische Ausgangslage werden insbesondere die Länder Zentralamerikas als geringe Emittenten auch zukünftig nicht in der Verantwortung zur Reduktion von Klimagasen stehen. Dennoch können sich auch für sie Anstrengungen zur Emissionsminderung auf nationaler und lokaler Ebene auszahlen.
- Die internationale Klimapolitik stellt für diese Länder daher weniger eine Verpflichtung dar als eine Chance in zweierlei Hinsicht: Sie können ihre nationalen Programme sowohl durch die flexiblen Mechanismen als auch durch Anpassungsfonds finanzieren.
Hindernisse und Chancen
Neben den Zusammenhängen von Emissionsminderung und Anpassung auf lokaler und globaler Ebene spielen auch die spezifischen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle für die energie- und klimapolitischen Entscheidungen in diesen Ländern. Im nationalen Kontext gehört dazu in Mexiko das staatliche Monopol der Erdölförderung und die Bedeutung des Staatskonzerns für die Volkswirtschaft, in Nicaragua die virulente Energieknappheit und die Auseinandersetzungen um die Privatisierung der Energieversorgung.
Zudem stellen supranationale Zusammenhänge einen immer wichtigeren Bezugsrahmen dar. Die regionale Energie-Integration in Zentralamerika beeinflusst die nationalen Energiepolitiken genauso wie grenzüberschreitender Handel und Interessen und Einfluss der mächtigen Nachbarn. Vor dem Hintergrund sich abzeichnender Knappheit werden fossile Energieträger immer stärker sowohl zum Ziel als auch zum Instrument staatlichen Handelns. Mexiko und mehr noch Zentralamerika stehen zwischen den (ökonomischen) Interessen der USA, die sich ihren Einfluss in Mittel- und Südamerika - nicht zuletzt wegen der dortigen Rohstoffressourcen - sichern wollen, und dem zunehmenden (politischen) Engagement Venezuelas, das mit Energie-Kooperationen eine regionale Integration unter seiner Führung vorantreiben und auf (innen-)politische Entscheidungen anderer Länder Einfluss nehmen möchte.
Die von diesen Rahmenbedingungen geprägten Entscheidungen zur Energiepolitik in Mexiko und Zentralamerika sind zugleich wichtiger Teil ihrer Klima-(Nicht-)Politik. Hier wird auch die zwar paradoxe, aber nach wie vor bestehende politische und diskursive Trennung von Klima- und Energie-Politik deutlich: Während die Länder erste Anstrengungen zur Senkung ihrer Emissionen unternehmen, werden energiepolitischen Entscheidungen vor allem unter ökonomische Gesichtspunkten gefällt und klimapolitische Auswirkungen weitgehend ausgeblendet. Der derzeitige Boom von Agrokraftstoffen ist ein deutliches Beispiel dafür, wie sich klimapolitische Rhetorik und ökonomische Interessen vermischen können.
Zielsetzung des Arbeitspapiers und Vorgehen
Das Ziel dieses Arbeitspapiers ist es, die klima- und energiepolitische Situation und deren Rahmenbedingungen in Mexiko und Zentralamerika zu beschreiben und Möglichkeiten sowie Hindernisse für eine stärker nachhaltige Entwicklung aufzuzeigen. Für Zentralamerika wird dabei stellvertretend auf die beiden Programmländer der Heinrich Böll Stiftung, El Salvador und Nicaragua eingegangen. Dabei geht es weniger darum, die Klimawissenschaft für die Region zu reproduzieren. Anliegen ist es vielmehr, die politische Situation und die politischen und ökonomischen Prozesse zu beschreiben und einzuschätzen. Wichtiger als eine Aufzählung aller relevanten Fakten ist daher, die Hauptkonfliktlinien aufzuzeigen und Zusammenhänge zu verdeutlichen.
Das Arbeitspapier untergliedert sich in drei Hauptabschnitte:
Im Kapitel zur Emissionsminderung (II) werden die Emissionen der Länder und ihre Ursachen dargestellt, und Anstrengungen und Potentiale zu deren Minderung beschrieben.
Ein hohes Potential für entsprechende Reduktionsmaßnahmen bietet die Energie(bezugs-)politik (Kapitel III). Stärker als von klimapolitischen Zielsetzungen ist diese jedoch von ökonomischen und energiestrategischen Kalkülen geprägt und liegt für viele Regierungen aufgrund der weiter zunehmenden Internationalisierung außerhalb ihres autonomen Entscheidungsbereiches.
Im Kapitel zu Vulnerabilität und Anpassung (IV) geht es darum, die soziale Dimension von Vulnerabilität anhand der regionalen Situation herauszustellen und nach möglichen Antwortstrategien zu fragen.
Abschließend folgt eine zusammenfassende Würdigung der klimapolitischen Situation in der Region (V.) und ein kurzer Ausblick (VI.).