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Klimaschutz durch Wälderschutz

Über die Möglichkeiten von REDD in Brasilien

5. Dezember 2008
Von Thomas Fatheuer und Anne Schnieders
Von Dr. Thomas Fatheuer unter Mitarbeit von Anne Schnieders

In den Grenzen Brasiliens findet sich das größte Regenwaldgebiet der Erde. Der Amazonasstaat ist damit einer der entscheidenden Akteure in den Verhandlungen um die Einbeziehung von Wäldern in ein internationales Klimaregime. Waren die Diskussionen um Wald und Klima lange Zeit ein Exerzierfeld für Spezialisten, beginnt nun eine etwas breitere Öffentlichkeit, sich dafür zu interessieren und einzumischen. Insbesondere Organisationen indigener Völker und anderer traditioneller Gruppen beteiligen sich an den Debatten, zuweilen als „Koalition der Völker des Waldes“.

Doch die notwendigen Lernprozesse finden inmitten eines verminten politischen Feldes statt, in dem Fronten bereits aufgebaut sind und teils mit harten rhetorischen Bandagen gekämpft wird. Fast alle wichtigen Akteure der Zivilgesellschaft und der Regierung haben inzwischen eigene Positionen erarbeitet und kämpfen für selbige. Die notwendige Beteiligung der „Stakeholder“ läuft Gefahr, zu einem Ringen um Gefolgschaft zu werden.

Klimaschutz und Walderhalt – die ideale Verbindung?

Walderhalt als eine zentrale Säule des Klimaschutzes ist spätestens seit Bali ein wichtiges Element der Verhandlungen über ein künftiges Klimaregime. Für die einen ist dies eine klassische Win-win-Situation, bei der es nur Gewinner gibt: Durch die Reduzierung von Entwaldung können CO2-Emissionen schnell und kostengünstig eingespart werden, ohne in Konflikt mit den Entwicklungsinteressen der großen „emerging economies“ zu geraten. Gleichzeitig können durch diese enorme Geldmittel aufgebracht werden, um die letzten großen Waldgebiete der Erde zu erhalten, den Lebensraum indigener Völker zu bewahren und die immense Biodiversität dieser Gebiete zu schützen.

Eine solche Klimapolitik ist faszinierend und ungeheuer attraktiv. Der Haken liegt nicht bei den hier skizzierten Zielen, sondern den Finanzierungsmechanismen. Ein großes Lager der Befürworter von REDD (→ Definition) geht davon aus, dass die notwendigen Mittel für einen umfassenden Schutz der Wälder der Erde nur über einen internationalen Emissionshandel zu bekommen sind.

Und das bedeutet letztlich, dass Emissionen im Norden gegen CO2-Einsparungen durch weniger Entwaldung verrechnet werden müssen. Dies ist dann aber keine Win-win-Situation mehr, sondern ein klassischer Zielkonflikt – es sei denn, man geht davon aus, dass es egal ist, wo denn Emissionen reduziert werden, ob im Norden oder Süden. Dann gilt die einfache Formel: CO2 = CO2. Bei den Klimaakteuren des Nordens hat sich aber ein weitgehender Konsens herausgebildet, dass umfassende Ziele wie die Begrenzung des Klimawandels auf maximal 2˚C über vorindustriellem Niveau nur durch drastische Einsparungen im Norden und den Umbau des jetzigen Energie- und Industriemodells zu erreichen sind. Hier wird der Zielkonflikt zwischen Wald- und Klimaschutz deutlich: die Einbeziehung von Wäldern in ein internationales Klimaregime könnte die notwendigen Änderungen im Norden behindern oder verzögern, wenn REDD als „Off-Setting-Mechanismus“ für die Klimaziele der Industrieländer funktioniert, also den Druck auf diese Länder mindert.  Ein Problem der aktuellen Debatte ist, dass viele REDD-Akteure diesen Konflikt eher wegdiskutieren wollen, indem sie REDD als Win-win-Lösung verkaufen.

Der gesamte Text ist hier als PDF-Datei (9 Seiten, 130 KB) zum download verfügbar.

Thomas Fatheuer leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro.

Was ist REDD?

Die Abkürzung REDD steht für „Reducing Emissions from Deforestation and Degradation“.

Weltweit stammen zirka 20 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen aus der Abholzung und Zerstörung von Wäldern. Eine deutliche Reduzierung der Entwaldung kann aus diesem Grund zu einem Instrument des Klimaschutzes werden. Die Idee hinter REDD will dem in den Wäldern gespeicherten Kohlenstoff einen materiellen Wert beimessen. Der Walderhalt kann so zu einer rentablen Alternative gegenüber seiner Zerstörung werden.

Erscheint die Grundidee hinter REDD relativ einfach, so ist seine Umsetzung, konkrete Ausgestaltung und technische sowie methodische Grundlage jedoch äußerst komplex. Es existieren unterschiedlichste Vorstellungen zur Umsetzung von REDD: mit verbindlichem Emissionshandel oder über eine freiwillige Finanzierung; auf internationaler, nationaler oder lokaler Ebene; finanzielle Anreize für Waldschützer oder Waldzerstörer; innerhalb oder außerhalb eines Post-Kyoto-Abkommens usw. Das eingängige Akronym liefert so für die aktuellen Debatten einen weitgefassten Sammelbegriff, der an unterschiedliche Vorstellungen, aber keinen bestimmten Mechanismus gebunden ist.

Dossier

Biodiversität, Klima und Wandel in Amazonien

In diesem Dossier finden Sie Hintergrundinformationen zu Amazonien, die Dokumentation der Konferenz „Klima und Wandel in Amazonien“ und Informationen zu den in der Region geführten Debatten zu Klima, Wald und Biodiversität.