Finanzmärkte bändigen und ökologisch-sozial ausrichten

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„Divestment“ Investitionen in Fossile Brennstoffe müssen mittelfristig abgeschrieben werden. Dies fordern auch Aktivist/innen beim Global Divestment Day 2015

Mit diesem Finanzsektor kann man kein ökologisch-soziales Umsteuern erreichen. Dazu müsste er im Verhältnis zur Realwirtschaft kleiner und weniger komplex werden - und wegkommen von der kurzfristigen Renditeorientierung.

Finanzmärkte spielen bei jeder wirtschaftlichen Entwicklung eine entscheidende Rolle. Denn ohne Finanzierung keine Investition, ohne Investitionen keine Veränderung der Wirtschaft. Das gilt auch für die Grüne Transformation. Das Problem ist nur, dass der Finanzsektor heute an so vielen Stellen falsch aufgestellt ist, dass es illusorisch ist zu glauben, mit diesem Finanzsektor könne man ein ökologisch-soziales Umsteuern erreichen. Eigentlich sollte der Finanzsektor Dienstleistungen zur Verfügung stellen, tatsächlich ist er aber zum Kostgänger der Realwirtschaft geworden. Die Übergröße des Sektors und die enorme Geschwindigkeit und Komplexität führen dazu, dass die für Finanzmärkte typische Instabilität zum Problem für andere wirtschaftliche Sektoren wird.

Finanzmarktakteure nutzen dieses System, um mit Geld Geld zu verdienen und der Realwirtschaft Renditen abzuschöpfen, die dann für gesellschaftlich sinnvolle Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen. Profiteure sind die Finanzmarktakteure, die Zeche zahlen die Steuerzahler, die Unternehmen sowie die Verbraucherinnen, Mieterinnen und privaten Kleinanlegerinnen. Nur wenn wir es schaffen, diese grundlegenden Probleme zu lösen, werden die Finanzmärkte eine konstruktive Rolle bei der ökologisch-sozialen Transformation spielen können.

Nach der Krise ist vor der Krise

Tausende Seiten neuer Finanzmarktregeln sind in vergangener Zeit erlassen worden. Darin kommt der Glaube zum Ausdruck, Komplexität mit Komplexität bekämpfen zu können. Doch ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Finanzkrise leider nicht gebannt. Die Risikoaufschläge an den Finanzmärkten waren zu keinem Zeitpunkt so gering wie in dem Moment des höchsten Risikos, nämlich kurz vor Ausbruch der Finanzkrise. Und in der Tendenz können wir auch jetzt wieder eine sorglose Jagd auf Spekulationsrenditen beobachten, die noch gefährlich werden könnte. Die gesamtwirtschaftliche Verschuldung ist heute sogar höher als kurz vor Ausbruch der Krise!

Es gibt daher zwei Aufgaben. Der Finanzsektor muss erstens insgesamt im Verhältnis zur Realwirtschaft kleiner und weniger komplex werden, und er muss wegkommen von der kurzfristigen Renditeorientierung. Investition muss sich wieder mehr lohnen als Spekulation. Dies ist überhaupt erst die Voraussetzung für die Grüne Transformation, da es ansonsten nicht gelingen kann, Gelder effizient und stabil in sinnvolle Projekte zu lenken. Hier dürfen wir nicht nur einzelne Institute oder Produkte betrachten, sondern müssen das gesamte System in den Blick nehmen. Gleiches gilt für die Aufsichtsbehörden, die diese „Makro-Perspektive“ bislang kaum eingenommen haben.

Risiko und Haftung gehören zusammen

Eines wussten wir Grünen schon, seit wir gegen Atomkraftwerke auf die Straße gegangen sind: Wenn die Risiken so groß sind, dass niemals private Akteure haften können, muss der Staat eingreifen. Die Reaktion bei der Atomkraft war der Ausstieg. Die Reaktion bei den Finanzmärkten muss sein: Wir brauchen Mechanismen, wie Finanzinstitute ohne Schaden für die Realwirtschaft abgewickelt werden können. Dazu gehört auch ein Trennbankensystem. Außerdem müssen wir aktiv dafür sorgen, dass Banken nicht zu groß werden, dafür braucht es eine stärkere Fusionskontrolle und ein Entflechtungsinstrument. Nicht zuletzt brauchen wir harte, aber einfache Regeln, die Banken dazu zwingen, ihre Geschäfte mit mehr Eigenkapital zu unterlegen – eine Schuldenbremse für Banken. Verantwortung und Haftung gehören zusammen. Wer Gewinnchancen erhält, haftet auch für die Risiken.

Gesellschaftlich relevante Investitionen sind langfristige Investitionen. Die Orientierung an Kurzfrist-Renditen, die heute einen Großteil der Transaktionen bestimmt, gehört zurückgedrängt. Dazu brauchen wir endlich eine umfassende Finanztransaktionssteuer, die auch Devisen- und Derivatehandel mit einbezieht und relevant besteuert. Gleichzeitig müssen wir Hochfrequenzhandel und Nahrungsmittelspekulation eindämmen.

Raus aus den fossilen Industrien

Diese Schritte reichen jedoch nicht aus. Für eine grüne Transformation braucht es zweitens gezielte Regeln für die systematische Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte. Nur dann fließen über funktionsfähige Finanzmärkte die Gelder auch in die richtigen Investitionen. Die Preise sagen heute nicht die ökologische und soziale Wahrheit. So werden Profite auf Kosten der Allgemeinheit erwirtschaftet, anstatt sinnlose Investitionen unrentabel zu machen.

Vor allem müssen wir raus aus den fossilen Industrien, das Stichwort lautet „Divestment“. Die Vorräte fossiler Brennstoffe sind weit größer als das verbleibende, den Klimazielen entsprechende CO2-Budget der Menschheit. Doch wenn wir die Erderwärmung begrenzen wollen, muss der Großteil der fossilen Energiereserven im Boden bleiben und wäre somit finanziell wertlos. Spätestens wenn Grüne im Bund Klima- und Energiepolitik machen, müssen Investitionen in Fossile mittelfristig abgeschrieben werden.

Geldanlage geht auch nachhaltig

Rund 40 Prozent der deutschen Anleger/innen sind an nachhaltigen Geldanlagen interessiert, sie fühlen sich jedoch allein gelassen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Erforderlich ist deshalb eine Definition für nachhaltige Geldanlagen, die den Ausschluss von bestimmten Investitionszielen beinhalten. In jedem Beratungsgespräch sollte die Frage gestellt werden, ob die Verbraucherin oder der Verbraucher Wert auf die Berücksichtigung nicht-finanzieller Kriterien legt. Für die staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukte braucht es verbindliche Mindestkriterien – der Staat darf nicht Investitionen fördern, die seine eigenen politischen Ziele konterkarieren.

Dies ist der achte Debattenbeitrag zur Konferenz "Baustelle grüne Wirtschaftspolitik: Welche Ordnung muss sein?", die am 26. und 27. Juni in Berlin stattfindet. Alle Beiträge finden Sie in unserem Dossier.