Ökologische Finanzreform mit sozialem Ausgleich

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Es bedarf einen sozialen Ausgleich, um die Kosten der grünen Transformation aufzufangen

Die Klimaziele liegen noch in weiter Ferne. Um das Schlimmste zu verhindern, müssen Strukturen grundlegend verändert werden. Wie soll eine Finanzreform gestaltet sein, damit die grüne Transformation gelingt?

Es gibt vielfältige externe Kosten, die nicht in den marktwirtschaftlichen Preisen abgebildet werden. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die ökologischen externen Kosten und die politischen Aspekte einer konsequenten Internalisierung. Nicolas Stern hat in seinem Bericht die Klimakrise zu Recht als das größte Marktversagen der Geschichte bezeichnet. Ein offensichtliches Marktversagen ist, dass die Güterpreise nicht die ökologische Wahrheit sagen.

Die Konsequenz ist nicht nur eine klimaschädliche Überproduktion an Konsumgütern, sondern auch das Drücken von Produktionskosten durch das Ignorieren umwelt- und klimaschädlicher Effekte in der Produktion selbst. Die Folgekosten für den Umweltverbrauch und die Klimaschädigung tragen nicht die Marktteilnehmer/innen. Die Umweltkosten werden abgewälzt auf die Allgemeinheit und weltweit gesehen vor allem auf die ärmeren Menschen im globalen Süden, die im Verhältnis zu den Industriestaaten nur sehr wenig zur Verursachung der Klimakrise beitragen.

Die Preise verschweigen die ökologische Wahrheit

Ernst Ulrich von Weizsäcker hat zusammen mit Karlson Hargroves und Michael Smith in dem Buch „Faktor Fünf“ eine treffende Analyse geliefert. In den 1990ern wurde der Satz geprägt: Der real existierende Sozialismus ist zusammengebrochen, weil er die Preise nicht die wirtschaftliche Wahrheit sagen ließ. Frei nach von Weizsäcker heißt es nun: Der Kapitalismus könnte zusammenbrechen, wenn er den Preisen nicht erlaubt, die ökologische Wahrheit zu sagen. Weiter schreibt er in der Einleitung von "Faktor Fünf":

"Märkte sind ausgezeichnet, um für eine effiziente Verwendung begrenzter Ressourcen zu sorgen und Innovationen anzuregen; aber Märkte sind sehr schlecht, oft sogar kontraproduktiv, wenn es um die Sicherung und den Schutz öffentlicher Güter geht oder darum, den Fortschritt in eine langfristig nachhaltige Richtung zu lenken. […] Die weltweit vorherrschende Mentalität der letzten Jahrzehnte, die den Staat schwächte und verhöhnte und fast alles den Investoren und der Privatwirtschaft überließ, war ein dicker Fehler."

Die Herausforderung zur Bekämpfung der Klimakrise ist immens. Bis 2050 müssen die Industriestaaten weltweit mindestens 90 Prozent der Treibhausgase reduzieren, um die Zwei-Grad Grenze überhaupt noch einhalten zu können. Da reicht es nicht, hier und da ein bisschen an ökologischen Leitplanken zu schrauben. Wir müssen grundlegende Strukturen ändern, um das Schlimmste noch zu verhindern. Die Internalisierung externer Klimakosten bietet ein enormes Potential zur ökologischen Steuerung. Ein krasses Beispiel ist nach Aussagen des Umweltbundesamts der Flugverkehr. Aber auch die fossil-nukleare Energieproduktion, der Autoverkehr, die agroindustrielle Landwirtschaft oder die chemische Industrie sind Bereiche in denen die externen Umweltkosten zum großen Teil nicht eingepreist sind.

Weg mit klimaschädlichen Subventionen!

Doch was kann die Politik tun, um das Marktversagen bei der Preisbildung im Bezug auf externe Kosten auszugleichen? Ein erster wichtiger Schritt ist der Abbau von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen als Teil einer ökologischen Finanzreform. Allein in Deutschland gibt es zusammengerechnet 52 Milliarden Euro an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen. Der schrittweise Abbau dieser Subventionen bringt einen doppelten Mehrwert: Neben der daraus entstehenden Internalisierung externer Kosten werden so auch neue Mittel frei, zum Beispiel für Investitionen in den Klimaschutz, die energetische Gebäudesanierung oder den Ausbau des ÖPNV. Das haben wir Grüne im Bundestag in unserem Konzept des Klimaschutzhaushaltes umgesetzt.

Der zweite Teil einer neuen ökologischen Finanzreform liegt in der angemessenen Besteuerung von Ressourcen. Ökosteuern sind Mengensteuern und keine Wertsteuern. Der Anteil der Ökosteuern am Gesamtsteueraufkommen sinkt daher jedes Jahr. Nimmt man also den Steuerungseffekt, den Ökosteuern haben sollen, ernst, dann braucht es mindestens einen Inflationsausgleich für diese Mengensteuern.

Je effizienter, je teurer

Ernst Ullrich von Weizsäcker geht bei der von ihm vorgeschlagenen ökologischen Finanzreform indes noch deutlich weiter. In seiner Analyse zeigt er, dass eine Verringerung des Ressourcen- und Energieverbrauches bei konstanten Preisen dazu führt, dass Produzent/innen und Konsument/innen mit dem eingesparten Geld noch mehr zu Lasten der Umwelt produzieren und konsumieren können. Das ist der "Bumerang – oder Rebound-Effekt", der die Effizienzgewinne ökologisch auffrisst oder teilweise sogar den Umwelt- und Energieverbrauch noch verschärft. Deswegen schlägt von Weizsäcker eine permanente ökologische Finanzreform vor. Jedes Jahr oder alle fünf Jahre sollten die Energiepreise in dem Maße angehoben werden, in dem in der vorangegangenen Periode die Effizienz gesteigert wurde.

Es gibt aber bei einer ökologischen Finanzreform auch Herausforderungen, wenn die sozialen Auswirkungen nicht mitbearbeitet werden. Die Internalisierung ökologischer Kosten führt kurzfristig zu einer Verteuerung von Preisen, die in vielen Fällen auf die Verbraucher/innen abgewälzt wird. Das würde ohne sozialen Ausgleich zu einer Vergrößerung der ohnehin schon tiefen sozialen Spaltung führen. Die Grundlage dafür, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft funktioniert, ist daher ein gleichzeitiger Ausbau des Sozialstaats und die Verringerung der sozialen Ungleichheit. Eine gespaltene Gesellschaft mit vielen Abgehängten und sozialen Abstiegsängsten wird nicht den Mut für einen konsequenten ökologischen Umbau aufbringen. Ohne die breite Unterstützung aus der Bevölkerung ist die ökologische Revolution nicht zu stemmen.

In der Diskussion muss klar sein: Die Internalisierung externer Kosten ist ein wichtiges Instrument für den ökologischen Umbau, ersetzt aber nicht einen breit aufgestellten ökologischen Instrumentenkasten. Es braucht darüber hinaus auch weiterhin starke Gebote und Verbote in der Umweltpolitik, um die ökologische Transformation voranzutreiben.

 

Dies ist der fünfte Debattenbeitrag zur Konferenz "Baustelle grüne Wirtschaftspolitik: Welche Ordnung muss sein?", die am 26. und 27. Juni in Berlin stattfindet. Alle Beiträge finden Sie in unserem Dossier.