Kulturwandel: Kreative Ansätze für die Rechte der Natur

Initiative

Rechte der Natur bedeuten bzw. erfordern nicht nur einen rechtlichen Paradigmenwechsel, sondern auch tiefgreifenden kulturellen Wandel einen Wandel menschlicher Relationen zur Mitwelt. Umso vielfältiger ist die Landschaft an künstlerisch-aktivistischen Akteur:innen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern, die sich der Sache annehmen: in Hörspielen und Theaterstücken, Ausstellungen und Publikationen, kunstbasierter Forschung, Workshops und Versammlungen (und vielem mehr).

Ein Plakat, auf dem ein Affe und ein Mensch vor schwarz-rotem Hintergrund zu sehen sind, für das Theaterstück "Anwälte der Natur" des "RambaZamba-Theaters.

Ein Theater für das Anthropozän

In Deutschland und dem deutschsprachigen Raum schafft das Theater des Anthropozän gemeinsam mit dem Berliner RambaZamba-Theater unter Leitung des Regisseurs Frank Raddatz Erfahrungs- und Diskussionsräume für andere Weltbilder und Mensch-Natur-Beziehungen. Mit Theaterstücken wie Anwälte der Natur (erschienen im Henschel-Verlag) und wissenschaftlich-künstlerischen Kollaborationen – beispielsweise im Kongress der Zukünfte – werden die Rechte der Natur und die Stellung des Menschen im Anthropozän sichtbar gemacht und disziplinenübergreifend diskutiert.

Dem Theater kommt im Kontext sich wandelnder Rechtssysteme historisch ebenso wie in der Gegenwart eine besondere Rolle zu. So schreibt Frank Raddatz in seinem Text "Die Auferstehung des politischen Theaters – zu den Rechten der Natur auf der Bühne" (erschienen im Sammelband Rechte für Flüsse, Berge und Wälder, Hg. Matthias Kramm, 2023, oekom Verlag):

"Die Bühne ist inhaltlich mit dem Recht und dessen Geschichtlichkeit verwoben. Aber auch formal, indem sie das Prozesshafte des Rechts und damit seine politische, also verhandelbare Dimension vor Publikum mit ästhetischen Mitteln aushandelt. Wie die Gerichtsverhandlungen dem Gesetz, verleihen die szenischen Vorgänge den Narrationen der Mythen und szenischen Vorlagen Sichtbarkeit."

Einen solchen Denkansatz verfolgen – von anderer Seite und auf internationaler Ebene – auch die Organisator:innen der International Rights of Nature Tribunals, wenn sie immer wieder dringliche Fälle der Rechte der Natur auf die Bühne ihrer faktenbasierten – wenn auch nicht rechtlich bindenden – Gerichtsprozesse bringen, und damit performativ 'Präzedenzfälle' für die Rechte der Natur schaffen.

Blick in eine prächtige Baumkrone.

Rechte der Natur

Unsere Beziehung zur Natur ist massiv gestört. Um Mensch und Umwelt nachhaltig zu schützen, brauchen wir neue Ansätze – wie das Verleihen von Rechten an die Natur.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers Rechte der Natur, das zeigt, wie sich dieser Ansatz praktisch umsetzen lässt und welche Chancen er bietet. ▶ Zum Dossier Rechte der Natur.


Klangkunst & Audiofeatures

Andere Arten von Erfahrungsräumen bietet der Rundfunk: Von Interviews über Buchbesprechungen bis hin zu Audiofeatures hat u.a. das Deutschlandradio in den letzten Jahren wiederholt Sendungen zum Thema produziert, die inzwischen auf einer eigenen Überblicksseite zum Thema versammelt sind.

Grundlegend für die Idee der Rechte der Natur ist ein Weltbild, in dem die Natur nicht als 'Gegenspielerin', die es zu besiegen oder als Pool an Ressourcen, die es auszubeuten gilt, betrachtet wird. Vielmehr ist sie den Menschen eine 'mehr-als-menschliche', lebendige Mitwelt:

"Sobald wir aufhören, die nicht-menschlichen Wesen für Objekte zu halten, wir ihnen also Zugang gewähren zum Kollektiv in Form neuer, noch nicht festumrissener Entitäten, die zögern, beben, perplex machen, können wir ihnen auch ohne weiteres die Bezeichnung Akteure zugestehen",

so der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour. Diesen und andere Denker:innen der Rechte der Natur versammelt die deutsche Hörfunkautorin Barbara Eisenmann in ihrem Audiofeature Another Earth, another Globe, invoked by another People, in dem sie die philosophischen Hintergründe der Idee stimmungsreich vertont.

Mit akustischen Mitteln lässt sich dieser Mitwelt buchstäblich eine Stimme geben:

"Was würden die Flüsse der Welt uns sagen, wenn sie mit uns sprechen könnten? Und wie kommunizieren sie untereinander?"

In der sechsteiligen Hörspielserie Die Konferenz der Flüsse lassen die Autor:innen Frank Raddatz und Denise Reimann die Flüsse der Welt zur Sprache kommen, über Kultur- sowie Umweltgeschichte und die Frage der Eigenrechte der Natur diskutieren, und schließlich die "aquakulturelle Revolution" ausrufen.

Konfluenzen und Botschaften

Ein solcher 'Zusammenfluss' von Gewässern hat in Europa in der Tat stattgefunden: Organisiert von der Embassy of the North Sea, TBA21 und den Aktivist:innen des Mar Menor versammelte die Confluence of European Water Bodies im Jahr 2023 in der spanischen Provinz Murcia die Anliegen zwölf europäischer Gewässer bzw. ihrer Vertreter:innen – ganz in der Nähe der spanischen Salzlagune Mar Menor, des ersten natürlichen Rechtssubjekt Europas. Sie startete am 18. September 2023 unter anderem mit einer Proclamation of European Waters to the people of Europe vor dem europäischen Parlament. 2024 folgte eine weitere Ausgabe der Confluence in Venedig, mit über 20 Gewässern und ihren Vertreter:innen.

Confluence of European Water Bodies
Logo Embassy of the North Sea

Beteiligt war daran auch die niederländische Initiative Embassy of the North Sea ["Botschaft der Nordsee"], die an der Schnittstelle von künstlerischen Ansätzen, diplomatischer Vertretung und publizistischen Beiträgen zu einer Anerkennung der Nordsee und anderer natürlicher Ökosysteme aufruft. Ihr Plan bis 2030: Der Nordsee zuhören, für sie sprechen und diplomatisch für sie verhandeln.

Logo Marsz Odry

Weitere Beiträge

Lokal organisieren Initiativen Veranstaltungsreihen, Wanderungen und weitere Formate zur Anerkennung von Flüssen (wie Spree.Berlin, die deutsch-polnische Osoba Odra oder die britische Gruppe Love Our Ouse), andere arbeiten in Workshops mit moralischen Imaginationen, um die nicht-menschliche Welt einzubeziehen; der britische Nature-Writer und Bestsellerautor Robert MacFarlane veröffentlicht 2025 ein Buch zum Thema. Um nur einige wenige zu nennen. Der Natur ihre Rechte ‚zurückzugeben‘ und das damit verbundene Weltbild zu verändern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – oder soll es werden.


Stand 2024. Aktuelle Entwicklungen um die Rechte der Natur sind auf der Open-Access-Plattform des EcoJurisprudence Monitor zu finden.

Literatur & Links