Regenbogenfelder: Koreanische Bäuer*innen lassen heimische Reissorten wieder aufblühen

Background

Seit Jahrtausenden ist Reis mehr als nur ein Nahrungsmittel. Er ist Kultur, Erinnerung und überlebenswichtig. In Korea bringen einige entschlossene Bäuer*innen heimische Reissorten zurück, die im Laufe der Geschichte verloren gegangen sind. Ihre regenbogenfarbenen Felder erzählen eine Geschichte von Widerstandsfähigkeit, Kreativität und einer Zukunft mit Wurzeln in der Vergangenheit.

Four people crouch at the edge of a green rice field, looking inside.
Teaser Bild Untertitel
In the heat of summer 2025, city dwellers pause to enjoy Woobo Farm’s Rice Flower Tour.

Das Getreide, das die Zivilisation geprägt hat

Seit Menschen die Erde bebauen, prägt Getreide den Lauf der Menschheitsgeschichte. Der Dokumentarfilm „Rice and Wheat: 20,000 Years of Struggle macht dies deutlich. Unter allen Getreidesorten waren Reis und Weizen mehr als nur tägliche Nahrung. Sie waren Energie für das Überleben der Menschheit, die Grundlage von Zivilisationen und Säulen der Kultur.

Heute steht dieses Fundament unter neuem Druck. Der Klimawandel und die Zerstörung der Ökosysteme bringen die Grundnahrungsmittel der Welt in eine prekäre Lage. So wie frühere Generationen darum kämpften, Getreide anzubauen und zu erhalten, werden künftige Generationen vor neuen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, die Nahrungsmittel anzubauen, die uns ernähren.

In Korea ist Reis das Getreide, das am engsten mit dem täglichen Leben verbunden ist. Es wird „Bap” genannt und steht bei fast jeder Mahlzeit auf dem Tisch. Doch nur wenige halten inne, um über die Geschichte jedes einzelnen Korns nachzudenken.

Was macht Reis „heimisch”?

Wie viele Reissorten wachsen auf diesem Planeten? Einige Forscher*innen haben weltweit etwa 5.000 verschiedene Sorten identifiziert. Andere gehen davon aus, dass die Zahl bei einer detaillierteren Klassifizierung sogar 100.000 erreichen könnte.

Long-stemmed grain with thin, curved panicles in a green field.
Noin-dadagi (photo: Woobo Farm)

Wenn Menschen an Weizen, Gerste oder Reis denken, stellen sie sich meist ein goldenes Feld vor. Aber diejenigen, die ein Feld mit heimischem Reis aus Korea sehen, sind oft erstaunt. Die Körner erscheinen in regenbogenartigen Farben und Formen, jedes mit seinem eigenen unverwechselbaren Geschmack. In Korea arbeiten Bäuer*innen daran, Sorten wiederzubeleben, die während der japanischen Kolonialzeit verschwunden sind. Sie bezeichnen heimischen Reis als „eine alte Zukunft”.

In den 1910er Jahren, als Korea unter Kolonialherrschaft stand, untersuchten Beamte den Reis auf der gesamten Halbinsel. In zwei Jahren sammelten sie fast 4.000 Proben und dokumentierten mehr als 1.400 heimische Sorten in der umfassenden Liste der koreanischen Reissorten.

Dense rice field with partly bent panicles in various ripening stages.
Soemeori-jijang Rice (photo: Woobo Farm)

Aber was bedeutet „heimisch“ eigentlich? Ein Bericht der koreanischen Behörde für ländliche Entwicklung aus dem Jahr 2016 gab eine einfache Definition: Pflanzen, die entweder natürlich in Korea wuchsen oder seit Generationen hier angebaut wurden. Für Reis bedeutete dies Sorten, die nicht importiert oder gentechnisch verändert waren, sondern sich allmählich an die lokalen Böden und Klimabedingungen angepasst hatten.

Der Landwirt LEE Geun-i von der Woobo Farm, einer der Vorreiter der Wiederbelebung alter Reissorten, erklärt es persönlicher: Heimischer Reis ist „in der Geschichte des Reisanbaus auf der koreanischen Halbinsel verwurzelt und trägt seine eigene Lokalität, Ökologie, Kultur und Geschichte in sich”.

 

Samen mit Geschichten

Koreas heimischer Reis wächst oft höher als Hybridsorten, seine Spelzen sind mit feinen Härchen namens Kkarak übersät und er hält Schädlingen mit überraschender Kraft stand. Vor allem aber zeichnet er sich durch seine Vitalität und Vielfalt aus.

Schon die Namen selbst erzählen Geschichten. Noin-dadagi, wie das weiße Haar eines Ältesten. Hwado, leuchtend rot wie Feuer. Metdoechi-chal, so grob wie die Borsten eines Wildschweins. Schwarzer Sesamreis, gesprenkelt wie Sesamkörner. Soemeori-jijang-Reis, rosa und geformt wie ein Kuhkopf. Weidenreis, schlank wie ein Baum. Gerstenreis, der Gerste ähnelt. Joljjang-Reis, kurz und kompakt. Gawi-chal, der einst während des Chuseok-Festes gegessen wurde.

Close-up of bent rice panicles with ripe grains against a blurry background.
Metdoechi-chal (photo: Woobo Farm)

Eine Sorte hat ihre eigene Legende. Jodongji wurde wegen seines Geschmacks so geschätzt, dass er einst unter der Kolonialherrschaft als empfohlene Sorte beworben wurde. Seine Geschichte beginnt mit JO Joong-sik, einem Bauern in Yeoju. Er bemerkte einen einzelnen Halm, der anders aussah, bewahrte dessen Samen auf und stellte fest, dass sie schnell wuchsen, einen guten Ertrag brachten und hervorragend schmeckten. Die Sorte verbreitete sich schnell in Zentral-Korea. Aus Respekt fügten die Nachbarn dem Namen von JO den Ehrentitel dongji (同知; bedeutet „stellvertretender Magistrat”) hinzu, und so wurde er zum Namen der Sorte. Heute bemühen sich sowohl die Stadt als auch die lokalen Bäuer*innen darum, Jodongji als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkennen zu lassen.

Vom Niedergang zur Wiederbelebung

Trotz dieses Reichtums wäre der heimische Reis beinahe verschwunden. Nur kleine Mengen sind erhalten geblieben, und viele Koreaner*innen wissen nicht einmal, dass es ihn gibt. Der Niedergang begann unter der Kolonialherrschaft, als die Selbstversorgung in der Landwirtschaft abgeschafft wurde und japanische Sorten, die ertragreicher und leichter zu mahlen waren, die heimischen Sorten ersetzten. Nach der Befreiung setzte sich dieser Trend durch eine auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtete Politik fort, sodass für ältere Saatgutsorten kaum noch Platz blieb.

Ripe, curved rice panicles with blurred background showing faint buildings.
Black Sesame Rice (photo: Woobo Farm)

Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. In den letzten Jahrzehnten begannen die Bäuer*innen, diesen Verlust in Frage zu stellen. Kleine Gruppen begannen, Saatgut zu sammeln, wieder anzubauen und andere zu unterrichten. Ihre Arbeit zeigt, dass das, was fast in Vergessenheit geraten war, wieder zurückkehren kann. Ein Getreide ist mehr als nur Nahrung, es birgt Geschichte und Kultur. Die Wiederbelebung des heimischen Reises ist der Beweis dafür, dass beides wieder angebaut werden kann.

Landwirt*innen hüten alte Sorten

Obwohl heimischer Reis fast verschwunden ist, sind einige Bäuer*innen entschlossen, ihn zurückzubringen. Im Mittelpunkt steht die Nationale Vereinigung der lokalen Reisbäuer*innen, angeführt von Persönlichkeiten wie LEE Geun-i von der Woobo Farm. Seit fast fünfzehn Jahren arbeitet er als Hüter des heimischen Reises.

Jedes Frühjahr, vor der Aussaat, veranstaltet der Verband das Nationale Festival für heimischen Reis. Die Bäuer*innen tauschen Saatgut aus und präsentieren Produkte aus heimischem Reis: Bier, Eiscreme, Schokolade, Süßigkeiten und Sirup. Die Besucher*innen genießen Musik, Kunsthandwerk und Gemeinschaft. Diese Zusammenkünfte erinnern die Menschen daran, dass es in der Landwirtschaft auch um Kultur und Kreativität geht.

Single green rice plant with open flowers among long leaves.
The quiet beauty of rice in bloom, as grains begin their journey toward harvest. (photo: KIM Dong-gyu)

LEE erinnert sich, dass zum Ende der Joseon-Dynastie fast jedes Dorf seinen eigenen Schnaps braute. Ändert man den Reis, ändert sich die Hefe; ändert man das Wasser, ändert sich der Geschmack. Um 1910 gab es in Korea mehr als 375.000 Tavernen, jede mit ihrem eigenen Geschmack. Diese Tradition verschwand mit der Kolonialherrschaft und der Industrialisierung. LEE träumt davon, sie wiederzubeleben, nicht aus Nostalgie, sondern als moderne Kultur der Vielfalt und des Stolzes.

Im Jahr 2025 startete er zwei Projekte. Das Projekt „Selbstversorgungs-Reisfeld” ermöglicht es Stadtbewohner*innen, am gesamten Zyklus der Landwirtschaft teilzunehmen – Aussaat, Umpflanzen, Ernte, Mahlen – und den Wert der selbst angebauten Lebensmittel kennenzulernen. Das „108 Taverns Project“ lädt Menschen dazu ein, traditionellen Schnaps zu brennen, mit dem Ziel, Identität und Gemeinschaft wiederherzustellen. Im selben Jahr startete die Woobo Farm auch die „Rice Flower Tour“, bei der Familien durch blühende Felder spazieren und die stille Freude des Reises spüren können, der im Wind tanzt.

Regenbogenfelder in ganz Korea

Auch außerhalb der Woobo Farm engagieren sich Menschen für den Schutz heimischer Reissorten. In Changwon, neben dem Junam-Stausee, der für seine Zugvögel bekannt ist, liegt die Junami Farm, die von WOO Bong-hee und seiner Frau JUNG Sun-hye betrieben wird. Seit langem bauen sie heimischen Reis auf der fruchtbaren Gimhae-Ebene an, wo der Nakdong-Fluss ins Meer mündet.

Ripe rice field with broad leaves in front, buildings and mountains behind.
Lotus leaves rising among ripening rice stalks at Junami Farm. (photo: KIM Dong-gyu)

WOO ist sich über seine Entscheidungen im Klaren: „Erstens dürfen sie nicht umfallen. Zweitens müssen sie gut schmecken. Drittens muss der Ertrag stabil sein.“ Er bewirtschaftet derzeit etwa 33 Hektar, wobei heimischer Reis 30 bis 40 Prozent ausmacht. 

Für WOO ist heimischer Reis niemals unveränderlich. „Hwado war früher tiefrot, aber jetzt sind seine Grannen weiß geworden, wahrscheinlich als Anpassung an den lokalen Boden und das Klima.“ Nicht alle Sorten gedeihen überall. „Bukheukjo aus dem Norden eignet sich nicht für Changwon.“

Eines seiner Reisfelder war einst ein Lotusteich. Jetzt wächst dort Reis, und zwischen den Halmen ragen Lotusblätter empor. Er bewirtschaftet auch Felder in der Nähe des Flughafens Gimhae, mit dem Ziel, einen Teil der Ernte im Winter als Futter für Zugvögel zu verwenden. Er ist überzeugt, dass eine solche ökologische Landwirtschaft sowohl von den Bürger*innen als auch von den politischen Entscheidungsträger*innen unterstützt werden sollte.

Colorful illustration of rice grains on stalks with Korean text.
Poster for the 10th National Native Rice Festival, “Native Rice, Reconnecting,” held in Yeoju on April 4, 2025. (image: Woobo Farm)

Weiter südlich in Jeollanam-do betreibt der Landwirt KIM Young-dae die Maktong-Reismühle. Der Name Maktong bedeutet „klarer Kot” und erinnert auf spielerische Weise daran, dass saubere Lebensmittel zu einem sauberen Körper führen. KIM vermeidet den Einsatz schwerer Maschinen, bewirtschaftet seine Felder von Hand und vertreibt verschiedene heimische Reissorten. Manche halten ihn für exzentrisch, aber für KIM ist Überzeugung wichtiger als Konventionen.

Über die Landwirtschaft hinaus: Kultur, Gemeinschaft und Kunst

Die Bäuer*innen, die heimischen Reis wiederbeleben, haben raue und starke Hände. Was sie anbauen, ist nicht nur alter Reis. Es sind wiederhergestellte Erinnerungen, kulturelle Vielfalt, die in den Körnern steckt, und eine Möglichkeit, die Welt durch den Geschmack einer Mahlzeit neu zu interpretieren. Rot, schwarz, braun, golden, weiß und sogar rosa – zusammen bilden sie Regenbogenfelder, jedes mit seinem eigenen Geschmack, Aroma und seiner eigenen Textur. Diese Felder gehören nicht mehr nur den Bäuer*innen. Sie sind gemeinsame Landschaften der Kultur und Fantasie.

Reis ist mehr als nur ein Nahrungsmittel. Er ist eine Plattform, eine Sprache, eine Welt, in der Ökologie, Kunst und Identität aufeinandertreffen.

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