Ziviler Frieden im Sudan – und Deutschlands wichtige Rolle

Kommentar

Im Konflikt im Sudan konzentrieren sich die diplomatischen Bemühungen zu stark auf die beiden Hauptkriegsakteure SAF und RSF, kritisieren Ulf Terlinden von der Böll-Stiftung und Ahmed Kodouda von der Impact Policy Group. Ein Friedensprozess ohne Beteiligung ziviler Akteure sei zum Scheitern verurteilt. 

Blick einem kaputten Fenster auf das zerstörte Zentrum von Khartum, Sudan.
Teaser Bild Untertitel
Ein Blick aus einem Fenster in das Zentrum von Khartum, Sudan, zeigt die Schäden an Ministerien, staatlichen Einrichtungen und großen öffentlichen und privaten Unternehmen nach 23 Monaten intensiver Kämpfe am 14. Juli 2025.

Seit Beginn des Sudankriegs im April 2023 konzentrieren sich diplomatische Bemühungen darauf, die beiden Hauptkriegsparteien – das heißt die sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die „Rapid Support Forces“ (RSF) – an einen Tisch zu bringen. Der bisherige Ansatz ist, dass sich die „Männer mit den Waffen“ auf humanitäre Zugänge und einen Waffenstillstand einigen sollten, bevor über die politische Zukunft des Sudans gesprochen wird. Die Art der Kriegsführung – mit bisher geschätzt 150.000 Toten – erschwert die Vermittlung jedoch massiv und hat zur größten humanitären Krise weltweit geführt. 19 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen, drei Viertel des Landes ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Eine „militärische Lösung“ wird es nicht geben. Deutschland und die EU haben ein Interesse daran, die Krise mit zivilen Mitteln zu bewältigen.

Dieser Konflikt besteht nicht einfach zwischen zwei Parteien. SAF und RSF haben 2021 gemeinsam die zivile Übergangsregierung gestürzt, die seit der Revolution 2019 bestand. Anschließend gingen sie aufeinander los. Ihr Konflikt weitete sich zu einem Krieg mit vielen ausländischen Unterstützern (Ägypten, Iran, Russland, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE)) aus. Neue Milizen und ältere bewaffnete Gruppen schlossen sich den zwei Hauptfraktionen an. In- und ausländische Interessen konkurrieren vehement um die Kontrolle natürlicher Ressourcen wie riesiger Goldreserven und des zweitgrößten Ackerlands Afrikas. Keine Seite kann die andere militärisch besiegen. Mehrere internationale Gesprächsrunden in Dschidda, Genf und Manama scheiterten. Der Krieg hat die ethnischen und regionalen Gräben vertieft, seine Gräueltaten haben Verhandlungen für viele unvorstellbar gemacht. Externe Kräfte wollen zudem, dass „ihre“ jeweilige Fraktion sich nicht auf Kompromisse einlässt.

Zugleich sind zivile Akteurinnen und Akteure systematisch ausgegrenzt worden – politische Parteien, zivilgesellschaftliche Gruppen und soziale Bewegungen, die die Bashir-Diktatur nach drei Jahrzehnten gestürzt hatten. Zwar sind auch Teile dieser Gruppen entlang der Konfliktlinien polarisiert. Doch jeder Versuch eines Friedensprozesses, der diese Kräfte nicht zentral einbezieht, ist zum Scheitern verurteilt. Die Militärs haben in der Geschichte Sudans nie eine stabile Regierung hervorgebracht, ihre Übermacht die Konflikte stets angeheizt. Auch daher müssen die zivil-militärischen Beziehungen von Anfang an auf der Tagesordnung stehen und zum Rückzug der Armee aus der Politik führen.

Internationale Akteure müssen lokale und nationale Friedensbemühungen nun mit aller Kraft fördern, einschließlich der Mobilisierung innerhalb Sudans und in der Diaspora. Dies ist bislang trotz punktueller Unterstützung viel zu kurz gekommen – vor allem, wenn man die gleichzeitige Unterstützung der Kriegsparteien etwa durch Ägypten und die VAE in Rechnung stellt. Nachhaltiger Frieden erfordert einen Ansatz, der die Ursachen angeht. Nur mit Dialog und Versöhnung werden die Folgen der Marginalisierung ganzer Regionen und das Fehlen einer kohäsiven nationalen Identität überwunden werden können. Versuche, den Sudan weiter zu spalten, werden den Konflikt nur verschärfen, denn „ethnisch homogene“ oder wirtschaftlich tragfähige Einheiten würden dabei nicht entstehen. Der jüngste Versuch, internationale Akteure zu organisieren, erfolgte in einer Erklärung der „Quad“, bestehend aus Ägypten, Saudi-Arabien, den VAE und den USA. Sie forderten einen Verhandlungsprozess, der den Krieg durch einen Übergangsprozess hin zu einer zivilen Regierung beenden soll. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird jedoch nur mit einer breit angelegten, gut abgestimmten Kraftanstrengung gelingen, diesen Ansatz in die Realität zu übersetzen.

Deutschland hat ein begründetes Interesse an einem stabilen, friedlichen und demokratischen Sudan. Das Land liegt an einer strategischen Handelsroute, ist für die regionale Sicherheit auch im Nahen Osten relevant, und mit 14 Millionen Vertriebenen der wichtigste Ausgangspunkt von Migration in der Region. Im Sudan genießt Deutschland hohes Ansehen und gilt als ehrlicher Mittler. Es sollte seinen Einfluss nutzen, um sicherzustellen, dass zivile Interessen bei Verhandlungen zwischen den Staaten der Region und den Kriegsparteien nicht kurzsichtigem Pragmatismus geopfert werden, auch damit die Aussicht auf einen demokratischen Übergang gewahrt bleibt. Dies bedeutet, die Stimme ziviler Akteure bei jeder Chance zu verstärken und ihnen Räume zur Organisation anzubieten. Es bedeutet, den steten Verweis auf die Führung der Afrikanischen Union mit kritischem Engagement aktiv zu begleiten. Und es erfordert die Zusammenarbeit mit anderen in Europa, um regionale Kriegsunterstützer unter Druck zu setzen, Überwachungsmechanismen unter anderem zu Menschenrechten und Kriegsökonomie auszubauen, und das bestehende europäische Waffenembargo gegen den Sudan durchzusetzen. 

Der Text erschien zuerst auf Table Briefing am 23. September 2025.

Zum Warenkorb hinzugefügt: