Senegal: Regierung gestärkt - Opposition gespalten

Wahlanalyse

Trotz Schwierigkeiten bei den Wahlen gab es eine hohe Wahlbeteiligung. Dank des einfachen Mehrheitswahlrechts, bestätigt das Ergebnis die Mehrheit der Regierung und zeigt die Zersplitterung und damit Schwäche der Opposition.

Wahlplakat der senegalesischen Regierungskoalition „Benno Bokk Yakaar"
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Die Regierungskoalition „Benno Bokk Yakaar“ gewinnt zweit Drittel aller Parlamentssitze

Die Ergebnisse von Senegals Parlamentswahlen Ende Juli lassen sich sowohl als Erfolg für die Regierungskoalition als auch als Warnung angesichts der Präsidentschaftswahlen 2019 interpretieren. Die Regierungskoalition "Benno Bokk Yakaar" (BBY) stellt 125 der 165 Abgeordneten im neu gewählten Parlament. Die knappe Mehrheit der Stimmen erhielten dagegen mit 50,58 Prozent alle Oppositionsparteien zusammen.

Nach einem von Spannung und zum Teil gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhänger/innen von Regierungskoalition und Opposition geprägten Wahlkampf sowie bis zuletzt Schwierigkeiten bei der Bereitstellung der Wahlausweise, verlief der Wahltag weitgehend ruhig. Die Wahlbeobachtungsmission der Afrikanischen Union (AU) bewertete die Wahlen als insgesamt transparent, trotz der Schwierigkeiten bei der Organisation. 90 Prozent der Wahlbüros öffneten mit Verspätung, so die AU. 

Am Vorabend der Wahlen hatte es heftig geregnet, was in vielen Wahllokalen am Sonntag zu Verspätung führte. In Touba, der zweitgrößten Stadt nach Dakar und circa 200km von der Hauptstadt entfernt im Landesinneren, stürmten die Stimmberechtigten die Wahllokale, nachdem sie stundenlang vergeblich gewartet hatten. Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde dort schließlich bis Mitternacht verlängert.

Überraschend ist die mit offiziell 54 Prozent angegebene Wahlbeteiligung, so hoch wie bei bisher keiner Wahl im Senegal. Dies ist umso erstaunlicher angesichts der vielen Wählenden, die aufgrund fehlender Wahlausweise oder weil sie am Wahltag durch zum Teil schlechte Organisation ihr Wahllokal nicht ausfindig machen konnten, nicht wählen konnten.

Mehr Stimmen für die Opposition, mehr Parlamentssitze für die Regierungskoalition

Eine Woche nach der Wahl stehen die offiziellen Wahlergebnisse fest: Die Regierungskoalition "Benno Bokk Yakaar" (BBY) hat in 42 der 45 Départments die meisten Stimmen bekommen und stellt so dank des einfachen Mehrheitswahlrechts, „the winner takes it all“, 125 der 165 Abgeordneten. Neben den Abgeordneten in Senegal kann BBY 12 der 15 Abgeordneten der Diaspora, die bei dieser Wahl zum ersten Mal gewählt wurden, für sich beanspruchen.

Zweitstärkste Kraft mit Mehrheit in zwei Départements ist die "Coalition gagnante Wattu Senegal" des ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade, die 19 Abgeordnete stellt. Wade kehrte als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen in die senegalesische Politik zurück und hat in Touba (Département Mbacké), der heiligen Stadt der Mouridenbrüderschaft, die Mehrheit der Stimmen auf sich verbuchen können, was ihm fünf Abgeordnete sichert. Wade, selbst Mouride, konnte hier punkten und trotz der erheblichen Unruhe in Touba am Wahltag die Mehrheit der Stimmen einholen.

Drittstärkste Kraft mit sieben Sitzen ist die Koalition "Manko Taxawu Senegal" (MTS) um den Dakarer Bürgermeister Khalifa Sall. Aktuell wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von Staatsgeldern im Gefängnis, gilt er als potentieller Gegenkandidat für Macky Sall bei den Präsidentschaftswahlen 2019. Als gewählter Abgeordneter werden seine Anwälte nun versuchen aufgrund der parlamentarischen Immunität eine Freilassung zu erwirken.

Die restlichen 14 Abgeordneten gehen mit jeweils ein bis drei Sitzen an verschiedene Koalitionen der Opposition. Mit Blick auf das Paritätsgesetz von 2010 ist es ein Erfolg, dass durch diese Vergabe der verbleibenden Sitze an die Oppositionskoalitionen drei der vier Spitzenkandidatinnen ins Parlament einziehen: Aissata Tall Sall, Aida Mbodj und Sokhna Dieng Mbacké. Der Anteil an weiblichen Abgeordneten im neuen Parlament dürfte mit circa 37 Prozent nach aktuellen Prognosen etwas niedriger liegen als in der letzten Legislaturperiode (43 Prozent). Dies liegt vermutlich daran, dass bei Koalitionen mit ungerader Anzahl an Abgeordneten tendenziell ein Mann mehr als Frauen ins Parlament geschickt werden, da die Spitzenkandidaten mehrheitlich männlich sind.
 
Vergleicht man die aktuellen Wahlergebnisse im urbanen und ländlichen Raum, wird deutlich, dass die Regierungskoalition BBY gemäß den Einschätzungen im Vorfeld vor allem im ländlichen Raum die Mehrheit der Stimmen bekommen hat. Aufgrund des einfachen Mehrheitswahlrechts führte dies jedoch auch in den meisten Départements um große Städte dazu, dass BBY alle Abgeordneten des Départements stellt, selbst wenn wie in Thies eine Koalition der Opposition in der Stadt Thies die meisten Stimmen bekommen hat.

Professor Babacar Gueye, Experte für Verfassungsrecht an der Dakarer Universität Cheikh Anta Diop und Vorsitzender des Collectif des Organisations de la Société Civile pour les Elections (Cosce), das von zivilgesellschaftlicher Seite die Wahlen beobachtet hat, erklärt diesen Erfolg von BBY im ländlichen Raum mit dem Programm zur ländlichen Entwicklung Programme d’Urgence de Développement Communautaire (PUDC)[1] sowie des von Macky Salls Regierung eingeführten Familiengeldes und der kostenlosen Basiskrankenversicherung.

Das Ergebnis in der Hauptstadt ist umstritten

Bis zur Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse beanspruchten sowohl BBY als auch MTS die Mehrheit im Départment der Hauptstadt Dakar für sich. Nun steht die Regierungskoalition als Sieger in Dakar fest und MTS legte Einspruch beim Verfassungsgericht ein. MTS forderte zudem den Rücktritt des Innenministers, der für die Organisation der Wahlen verantwortlich war.

Das Beispiel Dakar zeigt deutlich, wie die Vielzahl an Parteien der Opposition insgesamt schadet: Alle Oppositionsparteien zusammen erhielten in Dakar 181.260 Stimmen, die Regierungskoalition 114.603, das heißt 66.657 mehr Stimmen für die Opposition. Da diese nicht gemeinsam angetreten sind und das einfache Mehrheitswahlrecht gilt, bekommt die Regierungskoalition alle sieben Sitze für Dakar, die Opposition keinen einzigen.

Auch beim Wahlergebnis auf nationaler Ebene zeigen sich die Absurditäten des aktuellen Wahlrechts: die Regierungskoalition bekam mit 49,48 Prozent nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, stellt aber mit 125 von 165 Abgeordneten weit über die Hälfte der Parlamentarier/innen. Nach den Wahlen wurde immer wieder auf die Präsidentschaftswahlen 2019 verwiesen: erzielt Macky Sall dort ein ähnliches Ergebnis, wird er sich einem zweiten Wahlgang stellen müssen.

Die Zersplitterung der Opposition stärkt die Regierung

Prof. Gueye zieht folgendes Fazit der Wahlen: „Das Ergebnis bestätigt aktuell die Mehrheit der Regierung und zeigt die Zersplitterung und damit Schwäche der Opposition. Es macht deutlich, dass es auf Seiten der Opposition niemanden gibt, hinter dem alle stehen.“ Die Opposition ist mit ihrem Ziel diese Mehrheit zu schwächen oder gar die Kohabitation einzurichten deutlich gescheitert. Das Regierungshandeln für Benno Bokk Yakaar ist vorerst gestärkt.

Schafft es die Opposition sich bis zur Präsidentschaftswahl 2019 auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, könnte sie ernsthafte Chancen haben. Bleibt die Opposition so zersplittert, stärkt das weiterhin die Regierungskoalition.

 

[1] PUDC wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) im Auftrag der Senegalesischen Regierung durchgeführt, Pilotphase 2015-2017, Budget: 422 Milliarden F CFA (ca. 640 Millionen Euro).