No Women, No Peace

Rede

Es war ein langer Weg, bis die Umsetzung der UN-Resolution 1325 für die Prävention von Krieg und sexualisierter Gewalt gegen Frauen ins Rollen geriet. Barbara Unmüßig spricht anlässlich des 20. Jahrestags der Resolution darüber, welcher Schritte und Handlungen es bedarf, um dem Ziel von weiblicher Partizipation in Konfliktphasen näher zu kommen.

Bild von Barbara Unmüßig

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

schön, dass ich sie heute Nachmittag zu diesem Gespräch der Heinrich-Böll-Stiftung anlässlich des 20. Jahrestags der Verabschiedung der Resolution 1325 willkommen heißen darf.

Meine Willkommensgrüße gehen ganz besonders an unsere vier Panelistinnen. Es freut mich sehr, dass du Nomarussia heute mit uns diskutierst und wir uns wiedersehen. Nomarussia Bonase hat 2017 den Anne-Klein-Frauenpreis der Heinrich-Böll-Stiftung erhalten für all ihre Initiativen, die eben auch der Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung dienen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung und insbesondere unser Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie begleitet die UN-Resolution 1325, die vor 20 Jahren verabschiedet wurde, eigentlich von Beginn an. Nicht ganz ohne Stolz kann ich sagen, dass wir wesentliche Anteile daran haben, dass die Resolution in Deutschland bekannt ist und es entsprechende Netzwerke gibt, die Druck auf politische Entscheidungsträger*innen machen, dass sie überhaupt umgesetzt wird.

Es ist deshalb gut, wenn wir - wie mit dieser Online-Veranstaltung - das Erstrittene würdigen und gleichzeitig den Blick dafür schärfen, was weiterhin getan werden muss, damit sexualisierte Gewalt in Kriegen und Konflikten verhindert und geahndet wird, geschlechtsspezifische Ursachen von Konflikten Bestandteil bei deren Prävention wird und Frauen gleichberechtigt in allen Konfliktphasen beteiligt werden.  

Als die UN-Resolution 1325 am 31. Oktober 2000 verabschiedet wurde, war sie ein Meilenstein, ein Durchbruch, der unermüdlicher Lobbyarbeit engagierter Frauen zu verdanken war. Endlich sollten Frauen in der Außen- Sicherheits- und Friedenspolitik nicht als Additiv gedacht werden.

22 Frauen werden in unserem Online Dossier und stellvertretend für die vielen Frauen aus allen Regionen der Welt für ihren Einsatz zum besonderen Schutz von Frauen und Mädchen, für Frieden und Sicherheit porträtiert.

Bilanz nach 20 Jahren:

Vor zehn Jahren, nach der ersten Dekade der Resolution, war ich bei einer ähnlichen Veranstaltung, bei der wir Bilanz gezogen haben, was seit der Verabschiedung der Resolution eigentlich erreicht wurde. Das war – jenseits des Kampfesgeistes der Frauen – deprimierend. Gerade einmal 24 von insgesamt 192 UN-Mitgliedern hatten Nationale Aktionspläne entwickelt. Die Bundesrepublik Deutschland war damals nicht dabei.

Im letzten Jahrzehnt hat unser stetiger Druck auf Regierungen einiges mehr erreicht: auf die UN-Resolution 1325 folgten 9 weitere Resolutionen, die vor allem das Thema sexualisierte Gewalt in Konflikten stärker thematisieren und sich immer wieder auf die Umsetzung der UN-Resolution 1325 beziehen. Mittlerweile treiben viele Regierungen (83), v.a. in der EU mit Nationalen Aktionsplänen die Umsetzung der Resolution 1325 und ihrer Ziele systematischer als je zuvor voran. Schweden brachte   2014 mit ihrem Konzept für eine feministischen Außen- und Sicherheitspolitik einen wichtigen Stein ins Rollen. Frankreich, Norwegen, Kanada und Mexiko folgten dem Beispiel. 

Die deutsche Bundesregierung will zum Internationalen Frauentag 2021 ihren mittlerweile dritten Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 vorlegen. Ein Entwurf, den die Zivilgesellschaft kommentieren soll, war für Ende August versprochen, liegt aber immer noch nicht vor.

In Kolumbien umfasst der Friedensvertrag zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen über hundert Maßnahmen, die die Geschlechterperspektive berücksichtigen oder sich speziell auf Frauen beziehen. Das war vor allem das Ergebnis der beharrlichen und wirksamen Arbeit kolumbianischer Frauenorganisationen und stellte eines der ersten Beispiele für integrative Friedensprozesse dar. Die Resolution 1325 war ein entscheidendes Instrument für die Frauenbewegung in Kolumbien. Kolumbien ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, dass Papier geduldig ist. Frauenorganisationen, mit denen wir dort zusammenarbeiten, berichten, wie wenig sie einbezogen werden und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet sind, um den leider ohnehin lahmenden Friedensprozess zu begleiten.

Auf den Philippinen wurden die Friedensverhandlungen zwischen der philippinischen Regierung und den Moro-Rebellen von der ersten weiblichen Chefunterhändlerin der Welt angeführt – Miriam Coronel Ferrer.

Seit dem 12. September 2020 gibt es wieder einen innenafghanischen Dialog in Doha. Zum ersten Mal nach 19 Jahren Krieg gibt es Friedensverhandlungen: Die Taliban sprechen mit einer Delegation der afghanischen Regierung, in der auch vier Frauen sitzen. Immerhin! Diese Beispiele zeigen deutlich: Frauen können Change Agents und nicht nur Opfer sein. Es braucht den politischen Willen dazu!

Defizite und Handlungsbedarf:

Dennoch sind das Ausnahmen. Heute 20 Jahre später müssen wir feststellen: Noch immer sind nicht genug Frauen beteiligt, wenn es ums Friedenschließen und Konfliktlösung geht. Bis heute sind nicht mal 10 Prozent der Beteiligten an Verhandlungstischen weiblich.

In der UN-Resolution 2493, die Deutschland am 29. Oktober 2019 eingebracht hat, heißt es u.a.

"…zur weitaus umfassenderen Umsetzung der Agenda für Frauen und Frieden und Sicherheit [sind wir] nach wie vor tief besorgt darüber, dass Hindernisse für die volle Durchführung der Resolution 1325 (2000) fortbestehen und Frauen in vielen formalen Verfahren und Organen im Zusammenhang mit der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit häufig unterrepräsentiert sind, dass es relativ wenige hochrangige Frauen in nationalen, regionalen und internationalen Institutionen, die mit politischen Fragen und Friedens- und Sicherheitsfragen befasst sind, gibt, dass es an angemessenen geschlechtersensiblen humanitären Re-aktionsmaßnahmen und an Unterstützung für Führungsrollen von Frauen in diesem Bereich fehlt, dass die Agenda für Frauen und Frieden und Sicherheit nicht ausreichend finanziert wird und dass dies die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beeinträchtigt…"

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bedrohlich und bestürzend ist, dass Frauenaktivistinnen weltweit um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie sich für Prävention und Frieden einsetzen. Von Kolumbien bis Afghanistan erleben sie massive persönliche Bedrohungen, es gibt Entführungen, Vergewaltigungen und Morde.

Die UN-Resolution 1325 ist zwar völkerrechtlich bindend, es gibt Pflichten für Staaten, aber keine Sanktionen. Außerdem fehlen konkrete Zeitvorgaben, Quotenregelungen, Monitoringmechanismen.

Es reicht zudem nicht, Frauen formal an Friedensverhandlungen zu beteiligen. Es bedarf konkreter Verabredungen in den Friedensprozessen, er bedarf konkreter Projekte. Es reicht nicht, sie zu verabschieden. Resolutionen müssen umgesetzt werden, Mechanismen institutionalisiert werden, mit finanziellen Ressourcen unterlegt sein und die Umsetzung systematisch nachgehalten werden. Dazu braucht es eine noch viel aktivere Rolle der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten. Es braucht Pionierinnen und Vorbilder, die es wirklich ernstnehmen mit der Prävention von Krieg und sexualisierter Gewalt sowie mit der vollen Beteiligung von Frauen in allen Konfliktphasen.

Laut und deutlich und überall müssen wir es ins Bewusstsein rücken: No Women, No Peace.

Ich wünsche uns allen eine spannende und inspirierende Diskussion.