Transnationale Unternehmen sind zu mächtigen globalen Akteuren geworden. Soziale und ökologische Unternehmensverantwortung sowie Unternehmenshaftung sind die notwendigen Antworten darauf. Umstritten ist, ob es dafür zuallererst staatlicher und zwischenstaatlicher Regelungen bedarf, oder ob freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ausreichen. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen zu Wirtschaft und Finanzen.
Von Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 2005
Um zwischenstaatliche international verbindliche Regeln hat sich die UNO jahrzehntelang bemüht. Ihren Versuch, unternehmerisches Handeln entlang von Sozial, Menschenrechts- und Umweltstandards in einem verbindlichen Verhaltenskodex für Transnationale Unternehmen zu verankern, hat sie Anfang der 90er Jahre aufgegeben. UN-Generalssekretär Kofi Annan setzt seit Ende der 99er Jahre auf neue multilaterale Kooperationsformen wie globale Partnerschaften und hofiert dabei vor allem die Privatwirtschaft. Kofi Annans Initiative für einen Globalen Compact zwischen UNO und Wirtschaft dokumentiert diesen neuen Kooperationsansatz der UNO.
Konzeptioneller Widerspruch des Global Compact
Der Global Compact wird von seinen Verfechtern als Vorzeigeprojekt in Sachen unternehmerischer Rechenschaftspflicht und sozialer Verantwortung gehandelt. Dem eigenen Anspruch nach soll der Global Compact als „wertorientierte Plattform" durch die Vermittlung von good-practises Unternehmen dazu ermuntern, sich im Sinne der zehn Prinzipien des Global Compact zu engagieren. Er ist damit als Lern- und Dialogforum konzipiert, bei dem es um positive Beispiele und institutionelles Lernen geht.
Verhaltensvorschriften oder gar rechtsverbindliche Pflichten sind dabei logischerweise ebenso wenig vorgesehen wie unabhängige und regelmäßige Überwachungen oder gar Sanktionen. Denn es gibt neben einer Absichtserklärung zum Beitritt kaum Regelungen, gegen die ein Mitgliedesunternehmen im Global Compact verstoßen könnte. Mit der Teilnahme am Global Compact erklären die Konzerne lediglich ihre Bereitschaft, ihre Geschäftspolitiken an die 10 Prinzipien anzupassen dafür tun müssen sie erst mal sehr wenig. Zugleich jedoch ist den Mitgliedsunternehmen erlaubt, die Symbolkraft des durch das hohe Ansehen der UN gestützten Global Compact für ihre Vermarktungsstrategien und ihre Imagepflege zu verwenden. Die inzwischen über 1700 Mitgliedesunternehmen, u.a. große Player wie Nike, Shell und BP, nutzen diese Möglichkeit ausgiebig, um ihre ökologische, menschenrechtliche und arbeitsrechtliche Geschäftspraxis zu „belegen". Nach den Erfahrungen von Boykotten und erhöhter Kritikfähigkeit der Öffentlichkeit haben viele Unternehmen verstanden, dass ihre Reputation ein hohes Gut ist, das sich nicht unterschätzen lässt.
Viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften setzen genau hier mit ihrer Kritik oder grundsätzlichen Ablehnung des Global Compact an. Einigen Mitgliedern des Global Compact, wie Total oder Nike, werden Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung der Sozialstandards der ILO vorgeworfen. Die zehn Prinzipien des Global Compact seien schnell unterschrieben; ihre Einhaltung werde aber nicht von unabhängiger Seite überprüft. Einige NGOs wie die „Alliance for a Corporate –Free UN" warnen gar vor einem Ausverkauf der Vereinten Nationen an die großen Konzerne. Statt am Gemeinwohl orientierte Interessen zu vertreten, verteile die UNO Gütesiegel und Unbedenklichkeitsstempel, ohne ernsthaft und überprüfbar Gegenleistungen und einzuhaltende Pflichten von den Unternehmen zu verlangen.
Schwer wiegt auch der Vorwurf, die freiwilligen Selbstverpflichtungen des Global Compact verzögerten oder verhinderten die Aufnahme von Verhandlungen für völkerrechtsverbindliche Regelungen unter dem Dach der UNO. NGOs und Gewerkschaften fordern seit vielen Jahren in entsprechenden Kampagnen die Verankerung verbindlicher Unternehmensregeln auf globaler Ebene.
Skepsis und Kritik am Global Compact sind berechtigt. Faktisch tut der Global Compact so, als sei er ein Regulierungsinstrument oder ein Verhaltenskodex. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die ebenfalls auf Freiwilligkeit beruhenden Leitsätze der OECD gehen da weiter. Sie gelten immerhin für alle Unternehmen mit ihrem Sitz in den 33 OECD Unterzeichnerstaaten und schließen arbeitsrechtliche und ökologische Themen sowie rudimentäre Beschwerdemechanismen ein. Der Global Compact dagegen ist nicht einmal dem soft-law zuzuordnen. Einige NGOs wie Amnesty International oder Oxfam sind dem Global Compact beigetreten, um ihre Kritik bzw. dessen Weiterentwicklung konstruktiv von innen heraus voranzutreiben.
Glaubwürdigkeitslücke schließen!
Nicht ganz von der Hand zu weisen ist der Vorwurf, dass der Global Compact immer mehr als grundsätzliche Alternative, denn als ein komplementäres Instrument zu zwischenstaatlichen verbindlichen Regeln betrachtet wird. Dem kann die UNO nur mit ernsthaften Schritten begegnen, diese Glaubwürdigkeitslücke auf mehreren Ebenen zu schließen.
Der Global Compact braucht mehr Transparenz (Informationspflichten) und vor allem einen unabhängigen Überwachungs- und Beschwerdemechanismus mit Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung. Ein erster positiver Schritt in diese Richtung ist, dass in Zukunft Mitgliedsunternehmen schriftliche Beschwerden über ein anderes Mitglied einreichen dürfen, das nicht im Sinne der Prinzipien des Global Compact agiert hat.
Glaubwürdigkeit und Integrität für den Global Compact wird es nur geben, wenn das eigene Instrumentarium und die Governance-Mechanismen weiter entwickelt werden. Nur dann sollten die Mitgliedsunternehmen den Prestige-Bonus des Global Compact in Anspruch nehmen dürfen. Mitgliedsunternehmen positionieren sich dazu keinesfalls einheitlich. Während manche eine solche Entwicklung definitiv verhindern wollen, befürworten andere strengere Regeln. Unübersehbar ist, dass Unternehmenslobbies, bspw. die einflussreiche International Chamber of Commerce und große transnationale Konzerne, jegliche Verbindlichkeit im Rahmen des Global Compact ablehnen und national wie international großen Druck auf die Regierungen ausüben. Damit versuchen sie, verbindliche soziale und ökologische Regeln für Handel und Investitionen zu verhindern bzw. bestehende Umwelt- und Sozialnormen wieder aufzuweichen, weil sie als Wettbewerbsnachteil gesehen werden. Vor allem Vorreiterunternehmen, die soziale, menschenrechtliche sowie ökologischer Standards einhalten und ausbauen wollen, sehen im Global Compact ein wichtiges Instrument, im globalen Wettbewerb für ihre Unternehmenspolitik belohnt denn „bestraft“ zu werden. In welche Richtung sich das Kräfteverhältnis zwischen den Mitgliedsunternehmen verschiebt, muss die Zukunft zeigen.
Die Perspektiven müssen jenseits des Global Compact liegen
Es ist offensichtlich, dass der Global Compact zur Regulierung der globalen Konzerntätigkeit allenfalls ein komplementäres Element sein kann, und auch nur dann, wenn er seine Vorbildfunktion auch wirklich ausfüllt. Er ist keine Alternative zu rechtlich verbindlichen Regelungen für die Konzerntätigkeit. Dies wird nicht allein dadurch deutlich, dass es nach Schätzungen der UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) weltweit rund 70.000 transnationale Unternehmen mit ca. 850.000 ausländischen Tochtergesellschaften gibt. Allein diese Größenordnung zeigt schon den globalen Handlungsbedarf auf.
Der Ansatz der Freiwilligkeit kann ein sinnvolles Instrument sein, reicht aber für die Herausforderungen der Globalisierung nicht aus. Selbstregulierung kann nicht die geeignete Antwort alleine sein. Um die Glaubwürdigkeit der UNO zu stärken, muss sie die Erarbeitung eines völkerrechtlich verbindlichen Abkommens zur Regulierung der Aktivitäten von transnationalen Unternehmen vorantreiben. Ein wichtiger Ausgangspunkt dafür sind die von der Unterkommission der UN-Menschenrechtskommission erarbeiteten und im August 2003 verabschiedeten „Normen der Vereinten Nationen für die Verantwortlichkeit transnationaler und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte“ . Sie haben das Potenzial, Verantwortlichkeiten und Pflichten von Unternehmen auf die Basis nationaler Rechtsinstrumente und zwischenstaatlicher verbindlicher Abkommen zu stellen.
Freiwillige und gesetzliche Regelungen für eine umfassende soziale, wirtschaftliche und ökologische Unternehmensverantwortung müssen sich ergänzen und dürfen nicht länger Lippenbekenntnis bleiben.
Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht.