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Ökologische Marktwirtschaft: Externe Kosten

Externe Kosten sind ein zentraler Begriff in der umweltpolitischen Debatte. Dennoch oder gerade deshalb wird das Konzept der externen Kosten oft falsch verstanden. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen zu Ökologie und Nachhaltigkeit.

Lesedauer: 21 Minuten

Externe Kosten – Wahrheit und Legende

Externe Kosten sind ein zentraler Begriff in der umweltpolitischen Debatte. Dennoch oder gerade deshalb wird das Konzept der externen Kosten oft falsch verstanden. Ohne jeden Zweifel ziehen viele wirtschaftliche Aktivitäten unerwünschte ökologische und ökonomische Konsequenzen nach sich. Der Teil dieser Konsequenzen, der bei der Preisbildung für die Aktivität nicht beachtet wurde, wird auch als Externalität bezeichnet. Typische Beispiele hierfür sind beispielsweise Lärm oder Abgase aus dem Straßenverkehr. Es ist völlig unstrittig, dass es diese negativen Effekte gibt und das die Existenz von Externalitäten verhindert, dass der Markt seine allokative Effizienz entfalten kann. Daher wird schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts darüber nachgedacht, wie man diese Form des Marktversagens beseitigen kann. Doch ein Königsweg ist hier keineswegs gefunden. Nach wie vor ist es bei vielen Effekten äußerst umstritten, ob es sich wirklich um Externalitäten handelt. Es kommt noch erschwerend hinzu, dass die von einer Externalität verursachten Schäden häufig sehr schwer einzuschätzen sind. Doch selbst, wenn die Schäden bekannt sind, fehlen typischerweise Marktpreise mit denen man Externalitäten in externe Kosten umrechnen kann. Daher ist man gezwungen Preise abzuleiten und normative Abgrenzungsentscheidungen zu treffen, welche die Höhe der berechneten externen Kosten entscheidend determinieren. In diesem Beitrag sollen die Hintergründe und Probleme des Konzeptes der externen Kosten dargestellt und an einem Berechnungsbeispiel aus dem Straßenverkehr gezeigt werden, dass jede Angabe zur Höhe von externen Kosten nur mit größter Vorsicht verwendet werden sollte.

Was sind externe Kosten?

Externe Kosten sind heute ein Schlagwort in der umweltpolitischen Diskussion. Sie stehen in der Öffentlichkeit meist synonym für Umweltschäden, für deren Existenz der Verursacher haften sollte. Tatsächlich sind externen Kosten aber nichts anderes, als in Geld bewertete externe Effekte, welche eine ineffiziente Allokation der gesellschaftlichen Produktionsfaktoren zur Folge haben. Unter dem Begriff externe Effekte versteht man wiederum die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten (Produktion, Konsum) auf Andere, ohne dass sich diese Folgen in Preisen der Aktivitäten niederschlagen. Es handelt sich also um Nutzenverluste bei Anderen, die vom Verursacher nicht in seiner Kostenkalkulation berücksichtigt werden. Genau genommen sind externe Kosten also die Folge eines Interessenkonfliktes. Ohne Rivalität um eine knappe Ressource können auch keine Externalitäten entstehen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen. Der Lärm eines Flugzeuges kann während Start und Landung eine Externalität darstellen, doch über den Wolken ist der Lärm egal, denn Niemand hört ihn. Da Externalitäten also aus Interessenkonflikten entstehen kann man auch sagen, dass sie von den Betroffenen gemeinsam verursacht werden. Zudem muss auch klargestellt werden, dass das Problem der externen Kosten von reziproker Natur ist. Durch die Vermeidung von Kosten bei der Gruppe der bislang Geschädigten, entstehen Zusatzkosten bei den Verursachern und dadurch geht ihnen Nutzen verloren. Mit anderen Worten, man kann vermiedene externe Kosten nicht mit einem erreichbaren gesellschaftlichen Gewinn gleichsetzen.

Die Ermittlung von externen Kosten hat daher keineswegs in erster Linie den Sinn, einen Kompensationsbetrag zu ermitteln, der anschließend von den Verursachern der Externalitäten an die Geschädigten transferiert werden sollte. Der Hintergedanke besteht vielmehr darin, eine optimale Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen zu ermöglichen, denn die fehlende Berücksichtigung der externen Kosten führt zu einer verzerrten Produktions-, Konsum- und Infrastruktur in einer Volkswirtschaft, was sich wohlfahrtsmindernd auswirkt. Das bekannteste Beispiel für eine so verzerrte Struktur ist die Übernutzung der weltweiten Fischbestände. Da die Fischer nicht für die Nutzung der Fischgründe zahlen müssen, kommt es zu einer Übernutzung der Bestände und die künftigen Fangmengen gehen zurück. Die Externalität ist der Bestandsrückgang, der Schaden ist die reduzierte künftige Fangmenge und die externen Kosten sind die künftigen Einkommensverluste der Fischer. Doch obwohl dieses Problem schon seit Jahrzehnten diskutiert wird, hat sich noch keine praktikable Lösung gefunden, was dafür spricht, dass die Erfassung und Internalisierung externer Kosten in der politischen Praxis ein erhebliches Problem darstellt. Zudem sollten einige Punkte über das mit der Internalisierung externer Kosten anzustrebende Ziel klargestellt werden. Auch im Zustand der optimalen Ressourcenallokation fallen weiterhin Schäden an. Allerdings würde ihre Beseitigung der Volkswirtschaft Nutzenverluste bescheren, die größer sind als die aus den Schädigungen resultierenden Nutzenverluste.

Das bedeutet, dass die neoklassische Wohlfahrtstheorie nach dem nutzenoptimalen Belastungsniveau sucht, nicht nach dem minimalen. Das volkswirtschaftlich optimale Belastungsniveau ist in der Theorie dann erreicht, wenn die Grenzschäden den Grenzvermeidungskosten entsprechen. Mit anderen Worten: Die in Geld ausgedrückten Nutzenverluste, die eine zusätzliche Einheit Schaden verursacht, entsprechen im volkswirtschaftlichen Optimum dem Betrag, der zu ihrer Vermeidung ausgegeben werden müsste. Die bloße Existenz von Schäden an Umweltgütern ist also noch keine Rechtfertigung für ihre Bekämpfung. Leider zeigt sich, dass diese Grenzkosten für viele dieser Effekte stark orts- und situationsabhängig sind, weshalb eine allgemeine Berechnung extrem erschwert wird. Um ein nutzenoptimales Niveau zu bestimmen, werden daher umfangreiche Informationen benötigt. So werden neben den vom eigentlichen externen Kosten auch die korrespondierenden Vermeidungskosten benötigt, die ebenfalls stark orts- und situationsabhängig anfallen. Ferner gilt es, auch den Nutzen der Aktivitäten zu berücksichtigen, wenn das nutzenoptimale Belastungsniveau berechnet werden soll. Im Prinzip geht es also darum, in der derzeitigen Situation zu prüfen, ob die Kosten zusätzlicher Investitionen in die Verringerung externer Effekte durch die verminderten Schäden zu rechtfertigen sind.

Warum ist es so schwierig externe Kosten zu berechnen?

Externe Kosten lassen sich in keiner Statistik ablesen. Um sie zu berechnen muss man zuerst definieren welche Folgen von Konsum und Produktion denn wirklich Externalitäten darstellen. Das ist bereits in manchen Fällen ein echtes Problem und es wird häufig nach politischen Opportunitäten entschieden und nicht nach strengen wissenschaftlichen Kriterien. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Berücksichtigung von Verkehrsstaus. Bei einer überlasteten Straße verlangsamt jeder zusätzliche Fahrer auch alle anderen Straßennutzer und bezieht das nicht in seine Konsumentscheidung ein. Staukosten werden aber fast exklusiv von den Verursachern, den Autofahrern, getragen. Die Nutzer beeinträchtigen einander in Stausituationen gegenseitig, verursachen aber keine Kosten für den Rest der Gesellschaft.

Daher werden Staus in der Regel nicht zu den externen Kosten gezählt, was die EU Kommission aber nicht daran gehindert hat, die Einbeziehung von Staukosten in Straßenbenutzungsgebühren vorzuschlagen. Dann besteht das Problem, die von Externalitäten verursachten Schäden akkurat zu erfassen. Es reicht nicht aus einen Trend zu kennen, man muss eigentlich wirkliche Schadenfälle zuordnen können. Dieser Anforderung sind die Naturwissenschaften, aber häufig nicht gewachsen. So ist es praktisch unmöglich etwa die Folgen von Kohlendioxidemissionen auf wetterbedingte Schäden akkurat abzuschätzen, auch wenn es als gesichert gelten kann, dass sie zu einer allgemeinen Klimaerwärmung beitragen. Doch selbst wenn diese Hürden genommen sind, besteht noch ein weiteres erhebliches Problem auf dem Weg zur Ermittlung externer Kosten. Denn Externalitäten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie über keinen ansetzbaren Marktpreis verfügen. Man ist also häufig gezwungen, die Kosten aus Proxy-Variablen abzuleiten.

Weitere Probleme beim Ermitteln externer Kosten

Die Auswahl der Ableitungsverfahren hat ebenfalls großen Einfluss auf das Endergebnis, denn einige neigen dazu die Preise der Externalitäten zu überschätzen, andere haben die Tendenz zur Unterschätzung. Die wichtigsten Verfahren sind die Zahlungsbereitschaftsanalyse und der Vermeidungskostenansatz. In der Wohlfahrtsökonomie wird davon ausgegangen, dass die Zahlungsbereitschaft einer Person für ein bestimmtes Gut von ihrer individuellen Präferenzordnung abhängt. Aus diesem Grund kann sie auch als Ausdruck der Wertschätzung für das Gut betrachtet werden. Wenn man die Zahlungsbereitschaft für ein bislang preisloses Gut  ermitteln kann, so kann sie als Ersatz für einen Marktpreis dienen und damit einen Wertansatz bei der Berechnung externer Kosten liefern. Da zudem davon ausgegangen wird, dass jeder Mensch selbst am besten einschätzen kann, welchen Nutzenverlust er aufgrund von Externalitäten wie dem Lärm erleidet, sind auf der Basis von Zahlungsbereitschaften ermittelte Preise gegenüber autoritären Bewertungsmethoden zu bevorzugen. Die Zahlungsbereitschaft kann auf verschiedene Art und Weise ermittelt werden. Zu nennen wären hier vor allem die Marktdivergenzmethode (Hedonic Pricing) und die Befragungsmethode (Contingent Valuation).

Die gängigste Form der Marktdivergenzanalyse ist eine Miet- und Immobilienpreisanalyse die zur Berechnung von externen Kosten des Lärms verwendet wird. Hierbei wird auf real existierende Marktpreise zurückgegriffen, um die Wertschätzung der Menschen für die Umweltqualität abzuleiten. Hierzu werden die Preise für Güter beobachtet, deren Wert mit der Umweltqualität zusammenhängen. Aus der Entwicklung dieser Preise bei verschiedenen Belastungen wird dann auf die Wertschätzung der Marktteilnehmer für die Umweltqualität geschlossen. Dieses Vorgehen ist aber nur dann Erfolg versprechend, wenn der beobachtete Markt einige Grundanforderungen erfüllt. So muss er ausreichend groß sein, den Marktteilnehmer die Wahl zwischen verschiedenen Umweltqualitätsniveaus ermöglichen und geringe Transaktionskosten aufweisen. Es ist zu betonen, dass die Marktdivergenzanalyse Wohlfahrtsverluste durch verschlechterte Umweltqualität tendenziell unterschätzt, da sie Umweltauswirkungen, die den beobachteten Markt nicht betreffen, ignoriert.

Bei Zahlungsbereitschaftsbefragungen wird eine möglichst repräsentative Stichprobe von Personen nach ihrer Zahlungsbereitschaft für bestimmte Güter befragt. Es wird also ein hypothetischer Markt unterstellt, für den die Befragten angeben sollen, welche Preise sie für die angenommenen Güter zu zahlen bereit wären. Der große Vorteil dieser Methode besteht darin, dass auch Güter untersucht werden können, die sich ansonsten einer Beurteilung entziehen würden. Aus diesem Grund werden Befragungen häufig eingesetzt, wenn immaterielle Güter wie beispielsweise die Trauer oder Schmerz bewertet werden sollen, welche beispielsweise als Folge von Verkehrsunfällen auftreten. Bei diesem Verfahren hat das Befragungsdesign zentralen Einfluss auf die Ergebnisqualität. So ist es entscheidend, den Befragten den nachgefragten Sachverhalt so genau zu vermitteln, dass sie in der Lage sind, die Entscheidungssituation komplett zu erfassen – und sie damit auch realistische Antworten geben können. Ein sehr großes Problem des Befragungsansatzes besteht darin, dass die Befragten strategisches Verhalten an den Tag legen und bewusst falsch antworten können. Da sie ja davon ausgehen können, die angegebenen Preise nie zahlen zu müssen, sind derlei Manipulationen in der Tat sehr häufig zu beobachten. Grundsätzlich liefern Befragungen somit eher zu hohe Ergebnisse.

Der Vermeidungskostenansatz, versucht gar nicht erst die die von einer Externalität verursachten Schäden zu erfassen, sondern befasst sich nur mit den Ausgaben zur Vermeidung von Externalitäten. Typischerweise kommt er zur Anwendung wenn die Schäden kaum kalkulierbar sind, wie es beispielsweise beim Klimawandel der Fall ist. Ein Verfahren zur Ermittlung von Vermeidungskosten ist der Zertifikatshandel für Kohlendioxid, denn der Preis der Zertifikate entspricht den Grenzkosten der Vermeidung der am Handel Teilnehmenden, wenn ein bestimmtes Emissionsmaximum erreicht werden soll. Die Vermeidungskosten sind allerdings stark technologie- und situationsabhängig, weshalb es sehr schwierig ist ihre Entwicklung für andere Zeitpunkte und Rahmenbedingungen zu prognostizieren.

Internalisierung von externen Kosten

Sollte trotz dieser grundsätzlichen Probleme ein belastbarer Satz an externen Kosten ermittelt werden, stellt sich die Frage nach deren Internalisierung. Um eine Internalisierung zu erreichen stellt die ökonomische zwei Grundansätze bereit, die sich vor allem in der Frage unterscheiden, wer die Kosten der Beseitigung der Schäden tragen soll.

Der ältere Ansatz geht zurück auf Pigou (1920). Die Grundidee besteht darin, dass der Verursacher einer Externalität dazu gebracht werden soll, die externen Kosten seines Handelns bei seiner Konsum- oder Produktionsentscheidung zu berücksichtigen (Polluter Pays Ansatz). Im Prinzip geht es darum, die privaten Grenzkosten des Verursachers an die sozialen Grenzkosten so weit anzunähern, dass das nutzenoptimale Schadensniveau zustande kommt. In der Regel bedeutet dies, die privaten Grenzkosten durch Steuern oder Gebühren so weit zu erhöhen, bis sie den sozialen Grenzkosten entsprechen. Durch diese Kostensteigerung verschiebt sich die Konsum- oder Produktionsmenge in Richtung des nutzenoptimalen Niveaus. Allerdings hat dieses Konzept einige gravierende Nachteile, die eine praktische Umsetzung schwierig machen. So muss die optimale Konsummenge vor Erhebung der Steuer bekannt sein, wenn das Optimum erreicht werden soll. Das wiederum setzt eine genaue Kenntnis über die Höhe der externen Kosten voraus. Zudem ist zu beachten, dass es für das Erreichen des gesellschaftlichen Optimums unwichtig ist, wer die Einnahmen aus einer solchen Steuer erhält. Wichtig ist nur, dass der Verursacher zahlt, denn es geht nicht um eine Kompensation der Geschädigten, sondern um eine Optimierung der gesellschaftlichen Ressourcenallokation. Trotz dieser Schwächen soll die Internalisierung nach Maßgabe der Politik in aller Regel über eine Pigousteuer erfolgen. Das aktuellste Beispiel hierfür ist der Vorschlag der EU Kommission zur Einbeziehung der Kosten von Stau, Lärm und Luftverschmutzung in die Berechnung  von Straßenbenutzungsgebühren.

Die meisten Volkswirte bevorzugen aber ein 1960 von Ronald Coase entwickeltes Konzept, welches vorsieht, dass die Kosten der Beseitigung der Externalitäten von Demjenigen zu tragen sind, der dieses Ziel mit dem geringsten Aufwand erreichen kann (Cheapest Cost Avoider Approach). Es handelt sich also um eine Abwendung vom Verursacherprinzip. Der Grundgedanke von Coase greift auf die reziproke Natur der Externalitäten zurück, also darauf, dass die Besserstellung des einen immer zu einer Schädigung des anderen führt, wenn in die bestehenden Prozesse regulierend eingegriffen wird. Die Grundlage einer Lösung nach Coase ist die Existenz von eindeutigen Eigentumsrechten an den umstrittenen Gütern. Wenn diese bestehen und auch entsprechend durchgesetzt werden können, dann können sich die beteiligten Parteien bei Abwesenheit von Transaktionskosten, steht’s auf ein optimales Schadensniveau einigen, wobei derjenige die Kosten der Vermeidung trägt, der dafür die geringsten Aufwendungen hat. Das Ergebnis wäre unter Optimalbedingungen immer Pareto-Optimal.

Auch bei Coase kann es zu dem gleichen Resultat kommen, wie bei Pigou, es ist aber nur ein mögliches Ergebnis. Es kann also nach Coase effizient sein, wenn beispielsweise ein lärmgeplagter Anwohner eine Lärmschutzwand baut oder den Autofahrern eine Kompensation zahlt, damit diese weniger fahren. Eine Lösung der Externalitätenproblematik auf Basis des Coase Theorems, wäre einer Pigoulösung mit hoher Wahrscheinlichkeit überlegen, da sie theoretisch immer ein optimales Ergebnis erreicht. Aus Sicht der Beteiligten besteht zudem ein großer Vorteil darin, dass die Geldströme nicht an den Staat gehen, sondern unter den Betroffenen verbleiben. In der Praxis spielen Verhandlungslösungen nach Coase keine wesentliche Rolle. Auch der europäische Emissionshandel fällt nicht hierunter. Schließlich handeln hier nur die Versursacher im Rahmen eines vorgegebenen Caps – eine direkte Verhandlung zwischen Emittenten und all denjenigen, die die Folgen des Klimawandels spüren, gibt es hier nicht. Im Bereich des Klimaschutzes kann ein Coase-Ansatz noch am ehesten in den Verhandlungen um ein Nachfolgeabkommen zu Kyoto gesehen werden. Hier sitzen alle „Nutzer“ des Weltklimas an einem Tisch und versuchen, einen Ausgleich zu organisieren.

Externe Kosten im Straßenverkehr

Der Straßenverkehr ist das Rückgrat von arbeitsteiliger Wirtschaft und individueller Mobilität. In Deutschland entfallen im Personenverkehr knapp 88 Pro-zehnt der Verkehrsleistungen auf Busse und Pkw. Im Güterverkehr schultert der Lkw 70 Prozent der Transportleistung. Diese Anteile sollte man immer im Kopf haben, wenn man liest, dass die Straße den Löwenanteil der externen Kosten des Verkehrs verursacht. Wirklich aussagekräftig können nur Angaben in Durchschnittskosten pro Kilometer oder noch besser in Form von Grenzkosten sein. Trotz der großen Bedeutung des Straßenverkehrs darf man nicht übersehen, dass er auch negative Effekte verursacht. In der umweltpolitischen Debatte wird oft argumentiert, dass der Straßenverkehr deshalb so dominant sei, da er externe Kosten verursacht. Um diese Argumentation zu untermauern wurden viele Berechnungen von externen Kosten durchgeführt. Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer der neuesten Schätzungen von externen Kosten des Straßenverkehrs präsentiert und kommentiert werden. Am konkreten Beispiel soll gezeigt werden, wie Abgrenzungen, Methoden und Wertansätze das Ergebnis beeinflussen können.

Laut Berechnungen von INFRAS betrugen die externen Kosten des deutschen Straßenverkehrs im Jahr 2005 76,9 Milliarden Euro. Dieser Betrag verteilt sich auf sieben Kostenblöcke. Mit 41,7 Milliarden Euro sind die Unfallkosten der bestimmende Faktor für den Gesamtbetrag. Weitere wichtige Bestandteile sind die Klimakosten mit 10,7 Milliarden Euro, Lärm mit 8,7 Milliarden Euro und Luftverschmutzung mit 7,1 Milliarden Euro. Die Kosten von Lärm und Luftverschmutzung stehen im Wesentlichen für Gesundheitskosten, so dass Umweltschäden vor allem im Bereich der Klimakosten anfallen. Im Folgenden soll auf die verwendete Methodik zur Berechnung von Unfallkosten und Klimakosten  genauer eingegangen werden:

Unfallkosten sind bei der Berechnung von externen Kosten des Straßenverkehrs eigentlich immer der wichtigste Kostenblock. Gesellschaftliche Kosten von Unfällen sind über die Kfz-Versicherung bzw. die Krankenversicherungsbeiträge des Unfallverursachers bereits zu einem erheblichen Teil internalisiert. Das die Unfallkosten dennoch so hoch angegeben werden liegt an dem so genannten Risk-Value (RV). Er trägt im Jahr 2005 fast 39 Milliarden Euro zu den angegebenen externen Unfallkosten bei. Der RV repräsentiert immaterielle Kosten menschlichen Leides, steht also für Trauer, Schmerz und ähnliche Gefühle. Dieser RV wurde im Wesentlichen mit Hilfe von Zahlungsbereitschaftsbefragungen ermittelt. Es wurde ermittelt, wie viel die Befragten bereit wären zu zahlen, wenn dadurch Unfallopfer vermieden werden könnten. Wie erwähnt neigt dieses Verfahren zu einer Überbewertung der Kosten. Der so ermittelte RV beträgt pro Getöteten 1.634.043 Euro. Für einen Schwerverletzten schlagen 212.426 Euro und für einen Leichtverletzten 16.340 Euro zu Buche.

Diese Wertansätze liegen bis zu viermal so hoch wie beispielsweise in Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen. Das zeigt wie groß die Bandbreite der ansetzbaren Werte hier ist. Ein weiterer interessanter Aspekt besteht darin, dass die Opferzahlen nicht der Verkehrsstatistik entnommen, sondern hochgerechnet wurden. Dies betrifft vor allem die Zahl der Leichtverletzten, die um den Faktor 2,92 erhöht wurde. Zudem wurden die von Fußgängern und Radfahrern verursachten Unfälle herausgerechnet, was den Anstieg der Opferzahlen wiederum etwas gedämpft hat. Insgesamt wurde die Zahl der Leichtverletzten von 307.691 auf 885.114 erhöht. Zudem wurden gegenüber der Unfallstatistik zusätzlich 18.559 Schwerverletzte und 24 Tote eingerechnet, was in der Summe zu einer Steigerung der externen Unfallkosten um 13,4 Milliarden Euro geführt hat. Begründet wird die Abweichung von der Statistik mit Nichterkennung von Verletzungen, Bagatellverletzungen und der Umgehung polizeilicher Aktivitäten. Allerdings muss bei dieser Begründung auch die Frage gestellt werden, ob eine Bagatelle wirklich mit mehr als 16.000 Euro bewertet werden sollte.

Vieles ist noch in Bezug auf Externalitäten umstritten

Doch die hohe Bedeutung des RV trägt noch eine weitere Fragwürdigkeit in sich. So ist es keineswegs unumstritten, dass der RV überhaupt eine Externalität ist. Immerhin fallen die Schäden, in diesem Fall Schmerzen, Trauer etc, vor allem bei den Auto- und Motorradfahrern an. Diese wissen aber, dass sie sich einem Unfallrisiko aussetzen, wenn sie losfahren. Mit anderen Worten das Risiko wurde bereits vor der Konsumentscheidung berücksichtigt und damit internalisiert. Dies zeigt, wie stark normativen Entscheidungen die Höhe der externen Unfallkosten prägen. Zudem gibt es ja die Möglichkeit ein Schmerzensgeld einzuklagen, wenn man den Unfall nicht verursacht hat. Aus diesen Gründen wird der RV in manchen Studien als vollständig internalisiert angesehen. Diese Beispiele zeigen, dass die Unfallkosten mit der gleichen wissenschaftlichen Fundierung auf einen Bruchteil des angegebenen Wertes reduziert werden können.

Auch die Klimakosten sind keineswegs so eindeutig, wie es die blanke Zahl suggeriert. Hier ist es zumindest relativ unstrittig, dass man es mit einer Externalität zu tun hat. Auch die direkte Emissionsmenge ist eindeutig. Sie lag 2005 bei knapp 150 Millionen Tonnen. Die interessante Stellschraube liegt in diesem Fall an den Kosten, die pro emittierte Tonne veranschlagt werden. Im Falle der INFRAS Studie wurde ein Kostensatz von 70 Euro pro Tonne angenommen. Dieser Satz wurde aus der Methodenkonvention des Umweltbundesamtes übernommen und steht für Schadenskosten pro Tonne Kohlendioxid. An diesem Ansatz ist methodisch nichts auszusetzen. Doch man kann auch auf einen Vermeidungskostenansatz zurückgreifen.

Dieser kann die externen Kosten des Klimawandels sowohl steigern, als auch senken. So kann man wie folgt argumentieren: Da es für das Klima gleichgültig ist, ob eine Tonne CO2 aus einem Auto oder einem Kraftwerk stammt, macht es Sinn gesamtwirtschaftliche Vermeidungskosten anzusetzen. Die politischen Emissionsvorgaben sind schließlich auch nicht sektoral aufgeteilt sondern betreffen nur die Gesamtemissionen. Daher sollte die Vermeidung von Emissionen dort durchgeführt werden, wo es am billigsten ist. Dementsprechend ist die Tonne Kohlendioxid mit dem Preis zu bewerten, der sich im europäischen Emissionshandels als Marktpreis pro Tonne Kohlendioxid gebildet hat. Dieser beträgt derzeit 25 bis 30 Euro pro Tonne. Auf diese Weise könnten also die Klimakosten halbiert werden, wenn man eine andere wissenschaftlich fundierte Methode benutzt. Würde man hingegen auf sektorale Vermeidungskosten zurückgreifen, hätte dies einen deutlichen Anstieg der Klimakosten zur Folge, denn die sektoralen Vermeidungskosten sind im Straßenverkehr extrem hoch. Sie werden auf etwa 250 bis 300 Euro pro Tonne geschätzt.

Bereits anhand dieser beiden Kostenblöcke ließ sich zeigen, dass die Höhe der externen Kosten des Verkehrs in Deutschland auch deutlich geringer ausfallen könnte, wenn man andere Abgrenzungen und Definitionen getroffen hätte. Das gilt auch noch in weiteren Feldern, die noch angesprochen werden sollten. Ein ganz wichtiger Fall ist die Behandlung der Steuern und Abgaben, die der Straßenverkehr bereits heute zu entrichten hat. Immerhin zahlten die deutschen Autofahrer im Jahr 2005 gut 53 Milliarden Euro an den Fiskus, den Löwenanteil davon in Form der Mineralölsteuer. Es ist unstrittig, dass die direkten Kosten, also die Kosten der Bereitstellung von Infrastruktur, Verkehrspolizei und so weiter von diesen Einnahmen zu tragen sind. Diese direkten Kosten liegen nach Schätzungen der Bundesanstalt für Straßenwesen bei knapp 17 Milliarden Euro pro Jahr. Damit bleibt 2005 ein Überschuss von 36 Milliarden Euro der als Internalisierungsbeitrag gesehen werden könnte.

 Damit wären die für 2005 berechneten externen Kosten auf einen Schlag halbiert. Doch in der oben genannten Studie werden diese Gelder explizit nicht mit den externen Kosten des Straßenverkehrs verrechnet. Dies ist aber eigentlich ein offener Widerspruch zur Idee der Pigoubesteuerung, denn es geht ja bekanntlich nur darum, eine effiziente Ressourcenallokation zu erreichen. Was dann mit dem Geld gemacht wird, spielt keine Rolle, da die Übernutzung des Gutes ja durch den gestiegenen Preis bereits bekämpft wurde. Andererseits gibt es auch Stakeholder, welche die Staukosten als extern definieren. Hierzu zählt beispielsweise die EU Kommission. Die Autoren der INFRAS Studie, berechnen ebenfalls Staukosten mit verschiedenen Verfahren, rechnen sie aber nicht zu den externen Kosten. Sie geben je nach Berechnungsmethode Staukosten zwischen 19,6 und 223,6 Milliarden Euro an. Folgt man also dem Ansatz Staukosten als extern einzustufen, ließen sich die externen Kosten des Straßenverkehrs um den Faktor 3 steigern.

Die Berechnung von externen Kosten ist also zwangsweise mit extremen Unsicherheiten behaftet. Aus diesem Grund wird die Einbeziehung des Straßenverkehrs in den europäischen Emissionshandel gelegentlich diskutiert, da sich so zumindest Klimakosten über einen Vermeidungskostenansatz internalisieren lassen, was die Berechnung der Schadenskosten überflüssig macht.

Die Einbeziehung des Straßenverkehrs in den Emissionshandel ist jedoch hoch problematisch. Der Zertifikatshandel ist eine Mengenlösung, es wird eine maximale Emissionsmenge festgesetzt. Daher müssten diejenigen am Handel teilnehmen, die auch die Emissionsmenge kontrollieren. Das wären in diesem Fall die Autofahrer. Es ist aber vollkommen unpraktikabel 40 Millionen Autofahrer an der Börse handeln zu lassen. Auch eine Kontrolle der Emissionen wäre nicht wirklich möglich, was die Mengensteuerung ad absurdum führen würde.

Eine Einbeziehung der Autohersteller ist ebenfalls nicht zielführend. Diese haben keinen Einfluss auf die tatsächliche Emissionsmenge. Ein Porsche GT der im Jahr nur 1.000 Kilometer fährt ist nun einmal emissionsärmer, als ein Fiesta mit 15.000 Kilometer pro Jahr. Durch die Autohersteller lässt sich somit die Emissionsmenge nur sehr unvollständig steuern, weshalb sie die falschen Adressaten sind. Im Stromsektor müssen ja auch nicht die Kraftwerksbauer die Zertifikate vorhalten. Zudem muss bei einem Emissionshandel ein möglichst großer Markt sein, damit er effizient wird. Ein geschlossener Markt nur für Autohersteller, wie er öfter einmal vorgeschlagen wurde, kann nicht effizient sein und bietet extreme Möglichkeiten für strategisches Verhalten der wenigen Marktakteure.

Wenn überhaupt wäre eine Einbeziehung der Tankstellenbetreiber denkbar, denn die Kohlendioxidemissionen sind ja von der verbrannten Kraftstoffmenge fast vollständig determiniert. Allerdings haben diese wiederum keine technischen Möglichkeiten die Emissionen zu reduzieren, sie können nur weniger verkaufen. Die Wirkung wäre gleich der einer einfachen Erhöhung der Mineralölsteuer. Der Mineralölsektor, der in seiner Eigenschaft als Raffineriebetreiber bereits am Emissionshandel teilnimmt, würde als zusätzlicher Nachfrager für Zertifikate entsprechend seine Absatzmenge auftreten. Da die Nachfrage nach Benzin und Diesel nur vergleichsweise schwach auf Preisänderungen reagiert, wäre eine erhebliche Verknappung an Zertifikaten die Folge. Eine Einbeziehung des Straßenverkehrs in den Emissionshandel hätte vor allem eine Preiserhöhung für Zertifikate zur Folge. Steigende Strompreise und erhebliche existenzbedrohende Zusatzbelastungen für energieintensive Industrien wären die Konsequenz, aber kaum Einsparungen im Verkehrssektor. , Alles in allem spricht daher das Verhältnis von Aufwand und Ertrag gegen die Einbeziehung des Straßenverkehrs in den Emissionshandel, zumal die hohe Mineralölsteuer bereits eine Internalisierung der externen Kosten darstellt.

Externe Kosten führen zu Vergeudung knapper Güter

Als Fazit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass externe Kosten zur Vergeudung knapper Güter führen, was besonders im Fall von Umweltgütern kritisch ist. Externe Kosten führen zu niedrigen Preisen und damit zu falschen Anreizen für das Handeln der Anbieter und Nachfrager am (Verkehrs-)Markt. Doch man sollte sich auch der Grenzen des Konzeptes „Externe kosten“ bewusst sein. Die wenigen hier diskutierten Beispiele zeigen bereits, dass es eigentlich keine „wahre“ Höhe von externen Kosten gibt. Das Ergebnis ist vielmehr von normativen Entscheidungen abhängig, die bei der Berechnung der externen Kosten zu treffen sind.

Dies wurde am konkreten Beispiel verdeutlicht. Entscheidet man sich beispielsweise die Staukosten als externe Kosten des Straßenverkehrs zu zählen, so lassen sich diese leicht vervielfachen. Sowohl die Möglichkeit erhebliche Kostenblöcke als extern definieren zu können, als auch die Ableitung der Preise – selbst wenn diese wissenschaftlich fundiert ist - liefert so große Spielräume bei der Berechnung, dass die Ergebnisse große Bandbreiten aufweisen können. Daher werden solche Entscheidungen häufig aufgrund von politischen Opportunitäten getroffen. Ohne Kenntnis der Abgrenzungen und Methoden ist der Aussagewert von Angaben zur Höhe von externen Kosten daher praktisch gleich Null. Aus diesem Grund sollten Untersuchungen zu externen Kosten bestenfalls als Hilfe genutzt werden, um politische Entscheidungen vorzubereiten oder um diese ex post zu kontrollieren. Eine monetäre Bewertung von Umweltschäden wird aber nie als Ersatz einer politischen Grundsatzentscheidung dienen können.

Dieser Artikel wurde mit der Unterstützung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ermöglicht.