Bericht aus der Westbank über die eigene Familie in Gaza

8. Januar 2009
Von Hadeel al-Qazzaz
Von Hadeel al-Qazzaz.

Es war ein normaler Urlaubstag. Die Kinder schauten Fernsehen und schalteten sich durch die Sender. Plötzlich stolperten wir über die Eilmeldung auf Al Jazeera – der Gaza-Streifen wird von Israel angegriffen. Ich habe sofort versucht meine Mutter und Geschwister in Gaza anzurufen. Seit drei Jahren ist das Telefon unsere einzige Kommunikationsmöglichkeit, da ich keine Genehmigung bekomme nach Gaza zu reisen. Die Nachrichten berichteten, dass auch unsere Wohngegend in Gaza mit angegriffen wurde. Ich war in extremer Sorge, denn die Gebäude stehen in Gaza fast Wand an Wand.

Bei uns in Ramallah hatte niemand mit derart massiven Angriffen gerechnet, weder die Politanalysten noch die Familien mit Angehörigen in Gaza. Die ersten Luftangriffe schlugen gleichzeitig an 40 Zielen ein und das zur morgendlichen Hauptverkehrszeit. Im Fernsehen mussten wir mit ansehen wie die Zahl der Toten auf 200 hochschnellte. Dann, endlich, nach 2 Stunden, der Anruf meiner Schwester. Zwei Häuser der Familie wurden beschädigt, aber alle sind am Leben! Wenig später höre ich die erlösende Stimme meiner Mutter. Sie steht unter Schock und versuchte alle Familienangehörige zu erreichen. Ich versuche sie zu beruhigen, ohne zu wissen wie.

Und in Ramallah? Nur wenige Menschen in der Westbank gingen an den ersten Tagen des Angriffs auf die Straße. Unsere ersten Versuche Menschen zu mobilisieren verlaufen im Nichts. Zu kompliziert scheinen die Beziehungen zwischen Hamas und Fatah zu sein. Fatah kontrolliert die Westbank. Als dann doch kleinere Demonstrationen stattfinden, werden Teilnehmer von Sicherheitskräften eingeschüchtert sobald sie kontroverse Slogans von sich geben.

Alle stehen unter Schock und wir erkennen, dass 18 Monate lang tatenlos vergingen (seitdem Hamas die politische Kontrolle in Gaza übernommen hat) und nun eine Katastrophe eingetreten ist. Die beängstigende Lähmung nimmt von Allen und Allem Besitz. Es ist nicht nur die Angst um unsere Angehörigen in Gaza, sondern auch die Unsicherheit wie es politisch weitergehen wird: Es ist die Angst um die Zukunft unserer Kinder.

Hadeel al-Qazzaz kommt aus dem Gaza-Streifen und lebt mit ihrer Familie in der Westbank.

Dossier

Krise in Gaza

Am 27. Dezember 2008 begann mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen Israels Offensive „Gegossenes Blei”. Zwar herrscht seit dem 18. Januar 2009 eine Waffenruhe, aber eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht. Hintergründe und Stimmen zu dem Konflikt finden Sie in unserem Dossier.