Die Krise der EU: Mitbestimmung, Schulden und die Rolle der jüngeren Generation

Der Form nach beschränkt sich die demokratische Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union auf eine Wahl alle fünf Jahre. Das bedeutet, die meisten jüngeren Bürgerinnen und Bürger Europas haben bis sie 30 werden nur zweimal Gelegenheit, an diesen Wahlen teilzunehmen. Dies steht in scharfem Gegensatz zu der großen Zahl von EU-Verordnungen und -Programmen, die tagtäglich unser Leben und unsere Rechte beeinträchtigen – vom Umweltschutz bis hin zu Grundlinien der Wirtschaftspolitik.

Dieses Problem bestand schon vor der aktuellen Schuldenkrise. Während die EU wirtschaftlich florierte wurde dieses Demokratiedefizit jedoch überdeckt, da alle Seiten zu profitieren schienen. Folglich war es seinerzeit weder Thema auf EU-Ebene, noch für die Parteien, noch für die meisten EU-Bürgerinnen und -Bürger.

Zweimal gewählt – und Du bist alt

Um die demokratische Teilhabe der Völker Europas zu verbessern, müssen die Institutionen der EU demokratisiert werden, im besonderen die Exekutive und die ökonomischen Apparate. Diese Insitutionen – die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) – sind Zweidrittel der Troika, die für die humanitäre und soziale Krise verantwortlich ist, die auf die Schuldenkrise folgte.

Vorschläge wie die Europäische Bürgerinitiative sind ein Schritt in die richtige Richtung, um die Bindung der Bürgerinnen und Bürger an die EU zu stärken. Bereits bestehende Wege der Einflussnahme sind nämlich kompliziert, schwer verständlich und eine Einbahnstraße. Allerdings könnten die Vorteile eines Verfahrens, das es den Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, sich unmittelbar an die Kommission zu wenden, dadurch wieder ad absurdum geführt werden, dass das von ihnen gewählte EU-Parlament bei diesem Prozess außen vor bleibt.

Eine demokratische Zentralbank

Die europäischen Parteien sollten hier entsprechend vorsichtig agieren, denn leicht könnte eine solche Bürgerinitiative dazu führen, dass sie ihre Rolle als Zwischenhändler verlieren und zu einem ohnmächtigen bürokratischen Apparat degradiert werden, der für die Wahlberechtigten keine Rolle mehr spielt.

Die meisten jungen Europäerinnen und Europäer mögen sich nicht mehr konstruktiv an Europapolitik beteiligen. Wenn die Troika südeuropäische Länder dazu zwingt, den Schuldendienst über die Finanzierung von Bildung, Gesundheits- und Rentenwesen zu stellen, dann bleibt jungen Menschen meist nicht viel anderes übrig, als defensiv gegen solche Maßnahmen zu protestieren, beispielsweise gegen die Schließung von Krankenhäusern oder die Verarmung von Rentern durch die Kürzung ihrer Bezüge.

Solche offensichtlichen Ungerechtigkeiten lässt junge Menschen in Europa glauben, jeder Versuch, sich innerhalb der EU Gehör zu verschaffen, sei aussichtslos und könne bestenfalls zu kleinen Zugeständnissen führen, die im Vergleich zur politischen Generallinie und den Verordnungen (die ohne öffentliche Zustimmung getroffen werden) ganz untergehen.

Mitspracherecht statt Feigenblatt

Zwar sind Elemente von direkter Demokratie und von Volksabstimmungen nicht der einzige Ansatz, sie könnten aber dazu beitragen, dass junge Menschen sich wieder stärker mit Europa identifizieren. Man denke dabei nur an den Brief der EZB an die Regierung Spaniens vom August 2011, in dem nachdrücklich Reformen gefordert wurden, darunter eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.

Folge dieser Politik war, dass Firmen ihre Profite behalten und gleichzeitig zahlreiche Beschäftigte entlassen konnten. Dank dieser von der EZB verordneten Lösung beträgt die Arbeitslosigkeit in Spanien heute 27 Prozent – und für die 18- bis 30-jährigen sogar 57 Prozent. Was wäre geschehen, hätten diese jungen Menschen bei der Entscheidung über diesen Brief und die zu treffenden Maßnahmen ein Mitspracherecht gehabt?

Die wichtigste Voraussetzung, will man jungen Menschen das politische Engagement wieder schmackhaft machen, ist sie bei wichtigen Entscheidungen wirklich einzubeziehen – nicht nur als Alibi und im luftleeren Raum. Wir müssen uns fragen, macht es Sinn, wie in Athen geschehen, eine Million Unterschriften dafür zu sammeln, dass jeder Student einen Computer erhält, wenn gleichzeitig  Universitäten geschlossen werden, um so den Staatshaushalt zu sanieren.

Der Beitrag wurde von Bernd Herrmann aus dem Englischen übersetzt.