Warschau Walk Out – NGOs verlassen die UN-Klimakonferenz

Geschätzte 800 NGO-Vertreter/innen haben aus Protest die Klimaverhandlungen in Warschau verlassen (siehe Berichte in ARD, heute, spiegel online). Die Gründe dafür sind klar: Die ohnehin geringen Erwartungen wurden noch unterboten, Industrieländer haben ihre Ambitionen gesenkt, statt sie zu erhöhen, Finanzierungszusagen gibt es so gut wie keine. Außerdem blockieren einige der Hauptverantwortlichen für den Klimawandel auch noch die Etablierung die Vereinbarung, eines Mechanismus für die Kompensation von Klimawandelschäden (“loss & damage“). Hinzu kommt die starke Einflussnahme der fossile Lobby auf den UN-Prozess und die Pro-Kohle-Haltung der polnischen Regierung.

Die Frage, wer geht und wer bleibt, hat innerhalb der NGO-Community in den Verhandlungen jedoch zu erheblichen Auseinandersetzungen geführt. Mit dabei beim “Walk Out” waren unter anderem Greenpeace, WWF, der BUND, Action Aid und Oxfam. Aber auch der internationale Gewerkschaftsbund ITUC, die Youth organisations, Frauenrechtsgruppen und viele kirchliche Verbände. Dazu viele kleine NGOs und Verbände aus der ganzen Welt. Die philippinische Delegation hat den walk out der NGOs in Solidarität ein Stück begleitet.

Es gibt aber auch gute Gründe, warum einzelne NGO-Vertreter/innen oder Organisationen im Konferenzzentrum geblieben sind, um ihre Arbeit effektiv weiter zu führen: Einige haben hier auf der internationalen Bühne die einzige Möglichkeit, ihre nationalen Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch auch die Anzahl derjenigen, die in den letzten Stunden der COP tatsächlich in den Verhandlungen Schadensbegrenzung betreiben können und die entsprechenden Informations- und Einflusskanäle besitzen, ist sehr gering. Für einige war es sicherlich keine einfache Entscheidung. Dazu lief der Kommunikationsprozess innerhalb der NGO community nicht optimal: Eine vereinbarte “Arbeitsteilung” zwischen denjenigen, die den Veranstaltungsort verlassen haben sind und denjenigen, die sich entschieden haben zu bleiben, gab es aber nicht – auch wenn manche(r) sich das gerne so zurecht drehen würde.

Nach dem "Walk Out" fuhren die meisten Verbände zum “convergence space” in der Innenstadt, wo in den letzten zwei Wochen vor allem Climatate Justice Gruppen und junge polnische Klimaaktivist/innen ihre Veranstaltungen und Versammlungen abgehalten haben. Dort verkündete Greenpeace-Chef Kumi Naidoo gleich eine erste frohe Botschaft zum Erfolg des Protests: Die drei Umweltminister der jetzigen und folgenden COP-Gastgeber (Polen, Peru, Frankreich) bitten um ein Gespräch mit den Organisationen und sind sogar bereit, sich außerhalb des Konferenzzentrums zu treffen.

Wie lange der Geist der Gemeinsamkeit über Logo- und Organisationsgrenzen hinweg über den heutigen bewegenden Tag anhalten wird, lässt sich nicht abschätzen. Auf jeden Fall hat die feierliche Aufbruchstimmung im convergence space auf der einen und das starke internationale Presseecho auf die Aktion auf der anderen Seite ein bisschen Hoffnung gegeben, dass die Zivilgesellschaft vielleicht doch nicht ganz so machtlos dasteht, wie viele von uns sich in den letzten 2 Wochen gefühlt haben. Aber die Tatsache, dass mehrere hundert Menschen die Verhandlungen verlassen haben, zeigt auch, dass wir unsere Hausaufgaben nicht erledigt haben: Bis zur nächsten COP in Lima bleiben den NGOs jetzt genau 12 Monate, um den Druck auf nationaler Ebene zu erhöhen. Damit es die Regierungen nicht noch einmal wagen, mit leeren Händen, wenig Kompromissbereitschaft und Business-as-usual-Mentalität anzureisen.

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Der Beitrag ist erstmalig in leicht abgewandelter Fassung auf unserem Blog "Klima der Gerechtigkeit" erschienen.

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