Dem Frieden begegnen: Zeit zu zerstören, Zeit aufzubauen

Torbogen
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Torbogen in der Altstadt von Akko, Israel

Israel braucht Mechanismen, die die Sicherheit des Landes garantieren und dafür sorgen, dass sich Gaza nicht für einen weiteren Krieg bewaffnet.

Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sich Hamas im Krieg mit Israel zum Sieger erklären kann – und das sogar ernst meint. Und es ist schwer nachzuvollziehen, dass irgendwer im Gazastreifen diese Ansicht teilt. Hamas begann diesen Krieg zu einer Zeit als die Organisation schwächer war als in den vergangenen sieben Jahren – und ging daraus, zumindest für den Augenblick, stärker hervor denn je. Die Stärke von Hamas lässt sich nicht danach berechnen, wie viele Raketen oder Tunnels der Gruppe verbleiben oder wie viele Kommandeure und Soldaten überlebt haben.

Die Stärke von Hamas bemisst sich an dem Maß, in dem die Gruppe von Palästinensern im Westjordanland, in Gaza sowie in der arabischen Welt unterstützt wird.

Palästinenser, gleich welchem politischen Lager sie angehören, glauben, der Krieg wurde nicht gegen Hamas, sondern gegen alle Palästinenser – und gegen Palästina – geführt. Vor dem Krieg hatte Hamas den Forderungen der Palästinensischen Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas nachgegeben, um eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Es war eine Regierung, der keine Vertreter von Hamas angehörten, und Hamas sicherte zudem zu, mit Israel dürfe weiterhin allein Abbas über Sicherheit und andere Fragen verhandeln. Hamas ging es darum, dass die Gehälter von 40.000 Beschäftigen bezahlt werden und der Grenzübergang in Rafah wieder geöffnet wird. Im Gegenzug wollte Hamas es der Palästinensischen Autonomiebehörde erlauben, diesen Grenzübergang mit einigen Tausend eigenen Truppen zu sichern.

Ende der Gaza-Blockade?

Am Ende des Krieges ist schwer zu sagen, welche Ziele Hamas ohne den Krieg nicht hätte umsetzen können. Eines aber ist klar, die Blockade von Gaza ist zum Thema der internationalen Politik geworden, und es scheint, als sei sie nicht länger hinnehmbar.

Hamas wird zahlreiche Grenzkontrollen zulassen müssen, ebenso dass nach Gaza eingeführte Waren genau überprüft werden - die Gruppe hat hier keine Wahl, denn die Menschen in Gaza müssen in die Lage versetzt werden, ihr Leben und ihre Häuser wiederaufzubauen.

Wasser, Strom und Baumaterial werden dringend benötigt. Durch den Krieg wurden in Gaza mindestens 350.000 Menschen obdachlos. Es ist lebenswichtig, dass Zement, Stahl und anderes Baumaterial nach Gaza geliefert werden. Das muss jedoch so geschehen, dass Hamas nicht von Neuem Bunker und Tunnel baut – oder sich wieder Raketen und Sprengstoff organisiert.

Momentan rechnen es die meisten Palästinenser Hamas hoch an, Israels Versuch, Gaza von der Welt abzuschneiden, durchkreuzt zu haben. Jene Veränderungen aber, die die Palästinenser sich wirklich wünschen, werden nur durch zukünftige Verhandlungen zustandekommen. Für solche Verhandlungen ist maßgeblich, dass dienjenigen palästinensischen und arabischen Spitzenpolitiker die sich aufrichtig um Frieden mit Israel bemühen, für ihre Politik belohnt werden – und nicht jene, die auf Gewalt gegen Israel setzen.

Damit es dazu kommt, müssen die Palästinenser begreifen, dass der Zorn Israels, der sie traf, ausgelöst wird von der „Widerstandsmentalität“, von Hass und von Fanatismus. Gleichermaßen wichtig ist: Israels Spitzenpolitiker müssen einsehen, dass Wiederaufbau einhergehen muss mit dem aufrichtigen Versuch, Frieden zu schließen und eine Partnerschaft aufzubauen.

Grenzen militärischer Macht

Damit es zu einer Konvergenz der Interessen von Ägypten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, der PLO und Israel in Fragen von Sicherheit und Stabilität kommt, muss Israel sich damit abfinden, dass seine Herrschaft über die Palästinenser endet. Die Chancen für eine derartige Konvergenz regionaler Interessen kann Israel in die Lage versetzen, Mechanismen zu fordern und zu schaffen, durch die angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den islamischen Extremismus wirkliche Sicherheit in der Region entsteht.

Der Krieg hat fraglos gezeigt, dass die Ausübung militärischer Macht an Grenzen stößt. Hamas, der Islamische Dschihad und andere Kämpfer in Gaza haben das stärkste Militär im Nahen Osten vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Die Grenzen der Gewaltanwendung wurden Israel noch nie so deutlich vor Augen geführt wie in den zurückliegenden 50 Tagen. Israel ist in der Lage, Gaza erneut zu erobern. Israel hat gezeigt, dass es ganze Viertel in Schutt und Asche legen kann. Und Israel kann die gesamte politische und militärische Führungsriege von Hamas gefangennehmen und töten. Es gibt jedoch gewisse kriegerische Handlungen, denen wir als Juden uns nicht schuldig machen dürfen, die für uns tabu bleiben müssen. Es gibt Formen des militärischen Vorgehens, die so viel Leid erzeugen, dass sie für Israel außer Frage stehen. 

Die Zeit ist reif für einen Wandel. Der Wiederaufbau wird gewaltige Ressourcen verschlingen, finanziell wie materiell. Auch setzt der Wiederaufbau guten Willen voraus. Und zum Wiederaufbau sollte der politische Wille gehören – der Wille, jenen, die wir uns als Nachbarn wünschen, die Hand zu reichen, um in Sicherheit leben zu können, mit Hoffnung und in Frieden. Die Drohungen, die Israels Regierung während des Kriegs ausgesprochen hat, müssen nun dem aufrichtigen Willen weichen, eine neue Zukunft aufzubauen. Feindschaft und Hass müssen dem echten Verlangen Platz machen, in Frieden zu leben.

Israel braucht Mechanismen, die die Sicherheit des Landes garantieren und dafür sorgen, dass sich Gaza nicht für einen weiteren Krieg bewaffnet. Mauern und Zäune, die die Menschen vereinzelt und abgeschottet haben, konnten Israel nicht vor Tunneln und Raketen schützen. Diejenigen auf der anderen Seite, die Waffen entwarfen, planten und bauten waren sich darüber im Klaren, dass sie Israel nicht würden besiegen können. Ihnen war aber auch klar, dass sie uns viel Schmerz und Leid zufügen könnten. Teils wurzeln ihre böse Absichten in kompromisslosem Hass und religiösem Fanatismus. Ein Großteil jedoch kommt von der unerträglichen Lage, in der sie leben. Das muss sich ändern. 

Hoffnung auf eine besseres Leben

Wenn wir wollen, dass die Menschen in Gaza sich der grausamen Anführer, die sie gewählt haben, entledigen und sie für die Zerstörung von Gaza verantwortlich machen, dann müssen heute zwei Dinge geschehen. Für diese Menschen muss die Hoffnung auf ein besseres Leben entstehen – ein Leben in Freiheit; und dieses bessere Leben muss auf das Konto der gemäßigten Politiker gehen.

Die Menschen in Israel und speziell jene, die nahe Gaza leben, müssen gleichfalls die Chance erhalten, ihr Leben neu aufzubauen in der Hoffnung, dass dies der letzte Angriff aus Gaza gegen sie war. Niemand kann sich damit abfinden, das durchzumachen, was sie durchgemacht haben. Die wirklichen Helden dieses neuen Kapitels werden nicht die Soldaten sein, die in den Krieg zogen, ihren Mut bewiesen und ihr Leben aufs Spiel setzten, sondern auf beiden Seiten diejenigen, die jetzt den Mut haben, jenen auf der anderen Seite die Hand zu reichen, die Geografie der Angst und des Hasses zu überwinden, fest entschlossen eine neue Partnerschaft zu schließen, die nicht zerstört, sondern aufbaut. Jeder von uns kann der anderen Seite die Hand reichen, selbst vom Schreibtisch aus, durch unsere Computer und Smartphones. Die Zeit des Hasses ist vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, wieder aufzubauen.