Braunkohle: Rohstoff der Superlative

Die größten Vorkommen, die größten Maschinen, die größten Schäden: Braunkohle bietet viele Rekorde, und Deutschland ist der weltgrößte Produzent. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas. Jetzt umsonst downloaden oder bestellen!

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Deutschland ist Weltmeister der Braunkohleförderung. In Europa ist ein Drittel der nutzbaren Braunkohle bereits verfeuert

Braunkohle ist der einzige Energierohstoff, der in Deutschland ausreichend vorhanden ist und nicht importiert werden muss. Auf rund 40 Milliarden Tonnen (40 Gigatonnen) werden die Reserven in den drei großen deutschen Braunkohlerevieren geschätzt. 2014 stammte ein Viertel des in Deutschland produzierten Stroms dorther. Gleichzeitig stoßen die Braunkohlekraftwerke ein Viertel der gesamten deutschen CO2-Emissionen aus.

Bei der Förderung steht Deutschland auf Platz 1, und das schon seit Beginn der industriellen Produktion von Weichbraunkohle. Die größten Reserven lagern aber mit 91 Gigatonnen in Russland, danach folgen Australien (44), Deutschland (40), die USA (31) und Indonesien (9). Die Fachleute unterscheiden zwischen Weich-, Hart-, Matt- und Glanzbraunkohle; für die Energieversorgung und damit für die energiepolitische Diskussion ist die Weichbraunkohle entscheidend.

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Kohleatlas

Der Kohleatlas liefert Daten und Fakten zur weltweiten Nutzung von Kohle. Der Kohleatlas deckt die wahren Kosten der Kohle auf und regt zum kritischen Nachdenken über unser Energie- und Wirtschaftssystem an. Die gute Nachricht: Es geht auch dezentral, ökologisch und sozial gerechter.

Zu den gigantischen Dimensionen der Braunkohlereserven passt, dass für ihren Abbau die größten Maschinen der Welt im Einsatz sind: die Schaufelradbagger. Die größten sind über 200 Meter lang und knapp 100 Meter hoch. Sie können täglich bis zu 240.000 Kubikmeter Kohle oder Abraum bewegen, der das Flöz bedeckt.

In allen Braunkohlerevieren Deutschlands, Polens und Tschechiens sind machtvolle regionale Monopole entstanden

Wie in allen Ländern, die die Braunkohle lange genutzt haben, waren auch in Deutschland die Anfänge der Förderung ländlich geprägt. In der Lausitz nahe der Neiße oder in der Ville, einem Höhenzug im Rheinland, bauten Einzelbesitzer in „Bauerngruben“ unter Tage oder in kleinen Senken Braunkohle ab. Sie verkauften den Brennstoff im Nebenerwerb, oder Grundherren ließen Kleinbauern und Tagelöhner nach Kohle graben. Mit besserem Gerät stieg die Pro­duktivität sprunghaft. Erste Bagger wurden eingesetzt, zudem Pumpen, um das Grundwasser abzusenken. Der Einsatz von Maschinen machte die Braunkohle billiger, vor allem im Vergleich zur Steinkohle, die weitgehend per Hand unter Tage gefördert wurde. Der Bau der Eisenbahn erschloss den Kohlerevieren auch entferntere Märkte. Wurden 1873 im Deutschen Reich elf Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut, waren es 1913 schon 87 Millionen Tonnen.

Das nationalsozialistische Regime forcierte den Braunkohleabbau, weil er in sein Konzept der Energieautarkie passte. Techniken wie die Verflüssigung von Kohle zur Benzinherstellung galten als kriegswichtig. Die Leuna-Werke bei Bitterfeld fuhren ihre Jahreskapazität bis Kriegsende auf fast fünf Millionen Tonnen im Jahr hoch. Das 1935 von der Braunkohle-Benzin AG (Brabag) errichtete Synthesewerk Schwarzheide entwickelte sich zu einem der wichtigsten Treibstofflieferanten der Wehrmacht. Mindestens 13.000 Kriegsgefangene schufteten in den Brabag-Werken, die fast eine Million Tonnen „deutsches Benzin“ produzierten. Nach dem Krieg ersetzte Erdöl die Kohle als Energieträger. Nur in Südafrika ist das Verfahren noch von Bedeutung.

In den 1950er-Jahren entstanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR tiefe Tagebaue, in denen die Schaufelradbagger erst den Abraum, dann die Braunkohle abtrugen. Die meiste Kohle kommt heute aus Nordrhein-Westfalen. Dort betreibt die RWE Power AG drei Tagebaue (Garzweiler, Hambach und Inden) im Rheinischen Revier, der größten Braunkohlelagerstätte Europas. 2014 lieferte sie 93,6 Millionen Tonnen Kohle. Im Lausitzer Revier werden in fünf Tagebauen (Jänschwalde, Cottbus-Nord, Welzow-Süd, Nochten und Reichwalde) von der Vattenfall Europe Mining AG 61,8 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) schließlich lieferte 20,9 Millionen Tonnen aus zwei Tagebauen (Profen und Vereinigtes Schleenhain) südlich von Leipzig. Ein kleines Gebiet bei Helmstedt mitberücksichtigt, stammt die heutige Produktion von Braunkohle zu rund 55 Prozent aus dem Westen und zu 45 Prozent aus dem Osten des Landes.

Mit dem Ende der DDR brach die Braunkohleförderung ein. Heute liegt der ostdeutsche Anteil bei 45 Prozent der gesamtdeutschen

In Deutschland war die Gewinnung von Strom aus Braunkohle zunächst eine Initiative von Schwerindustriellen. Sie mündete schon bald in Konzerne mit privaten und öffentlichen Eigentümern. In der BRD wuchs das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) zum größten Stromanbieter; bis heute bilden hier kommunale Aktionäre mit eigenen Stadtwerken zur Verteilung des Stroms die stärkste Besitzergruppe. In der DDR wurde die Braunkohleproduktion verstaatlicht. Jetzt gehört sie überwiegend dem privatwirtschaftlich operierenden schwedischen Staatskonzern Vattenfall, der sie jedoch auf Geheiß der umweltpolitisch engagierten Regierung verkaufen will.

Während der Abbau der Vorkommen in Russland und China nahezu von Anfang an auf politische Weisung und nach Plan geschah, blieb er im viertgrößten Förderland, den USA, privatwirtschaftlich. Die Vorkommen, verstreut entlang des Golfes von Mexiko und großflächig in Montana und Nord-Dakota an der Grenze zu Kanada, wurden von den Native Americans schon lange genutzt. Vermutlich wiesen sie die ersten europäischen Siedler auf die Lagerstätten hin.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die kommerzielle Nutzung der „poor man’s coal“, wie sie wegen des geringen Heizwertes hieß. Die erste kommerzielle Mine Nord-Dakotas öffnete 1873. Um 1920 waren es schon 104 Zechen, zudem zwölf Tagebaue. Verwendet wurde die Kohle in Dampfschiffen, Eisenbahnen und für die Kohlekraftwerke, die überall in der Nähe der Minen entstanden.

Als die Bahn ihre Antriebstechnik auf Dieselöl umstellte, die Wasserkraft des Mississippi zunehmend genutzt wurde und billiges Erdgas die Märkte flutete, verlor der Braunkohlebergbau an Bedeutung. 1950 wurde bisher am wenigsten gefördert. Der Ölpreisschock und der enorme Energiehunger der amerikanischen Haushalte und der Industrie ließen die Braunkohle erneut in den Fokus von Bergbauunternehmen rücken. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren wurden wieder zahlreiche Flöze erschlossen. Heute wird Braunkohle in den USA nur noch im Tagebau gewonnen.