Obwohl die Kohleförderung noch zunimmt, verliert der Sektor fortlaufend Arbeitsplätze. Der Strukturwandel hat alle Kontinente ergriffen. Doch bis heute haben die Kohlekumpel unter Tage einen der gefährlichsten Berufe überhaupt. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas.
Rund sieben Millionen Menschen waren 2012 weltweit in der Kohleindustrie beschäftigt, die meisten davon im Stein- und Braunkohlebergbau. Die Zahl dürfte 2015 niedriger liegen. Vor allem China baut Arbeitsplätze ab. Das weltgrößte Förderland beginnt, seine gewaltigen Vorkommen effizienter auszubeuten. Noch braucht das Land im Vergleich zu den USA ein Vielfaches an Arbeitskräften. In den USA mit ihren modernen Maschinen und optimierten Arbeitsabläufen bauten 2013 etwa 90.000 Menschen vor allem in Tagebauen 0,9 Milliarden Tonnen Kohle ab. In China wurden 5,7 Millionen Menschen für 3,7 Milliarden Tonnen benötigt, überwiegend unter Tage. Und in den USA fielen allein 2013 noch einmal 10.000 Jobs weg, auch weil der Schiefergasboom die Kohleproduktion unrentabel macht.
Weil in China und Indien die Produktivität von sehr niedrigem Niveau aus zügig steigt, werden dort immer weniger Menschen beschäftigt. So ließ die chinesische Regierung Tausende kleine, ineffiziente Minen schließen. Auch Indien braucht immer weniger Arbeiter, um dieselbe Menge an Kohle zu produzieren. Coal India Limited baute seine Belegschaft zwischen 2005 und 2014 von 500.000 auf 350.000 ab. Zugleich nahm die Förderung dieses staatlich kontrollierten Betriebes um mehr als ein Drittel zu. Außerdem haben Indien und China für den eigenen Bedarf in australische Kohleminen investiert. Dies und die umfangreichen Kohleimporte dorther haben dazu geführt, dass Australien zu den wenigen Ländern gehört, in denen die Beschäftigung in dieser Branche wächst.
Auch in der EU fallen jedes Jahr Tausende Jobs weg. 2008 arbeiteten noch 342.000 Kumpels in Zechen und Tagebauen, 2013 nur noch 328.000. Auch in Tschechien, das stark von der Kohle abhängt, sind in der Kohle immer weniger Menschen beschäftigt. Mit einiger Verspätung beginnt selbst in Polen, das den größten Teil seiner Energie aus Kohlekraftwerken bezieht, der Strukturwandel. In Großbritannien ist der Ausstieg fast abgeschlossen: 2016 werden vermutlich nur noch zwei Zechen aktiv sein, eine Altanlage und eine Neugründung, beide im Besitz der Belegschaft.
Im deutschen Steinkohlebergbau hatten 1950 noch fast 600.000 Menschen gearbeitet, davon 360.000 unter Tage. Heute sind es 12.100, und im Jahr 2018 soll ganz Schluss sein. Im Braunkohletagebau sanken die Zahlen von 130.000 im Jahr 1990 auf heute 21.000, die dort direkt arbeiten, also Kohle abbaggern oder in Kraftwerken verstromen.
Während der Kohlebergbau weltweit als Arbeitgeber an Bedeutung verliert, werden die erneuerbaren Energien wichtiger. Dort waren 2013 direkt oder indirekt 6,5 Millionen Menschen beschäftigt, 800.000 mehr als 2012. Diesen Angaben der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien zufolge dürften beide Branchen heute auf ähnlichem Level liegen. In Deutschland und der EU liegen die
Erneuerbaren schon vorne. In den Entwicklungs- und Schwellenländern wird allerdings oft nur der Kohlebergbau selbst untersucht, nicht aber Projektentwicklung, Transport und Kraftwerksbetrieb. In vielen Fällen ist zudem unklar, was alles zu den indirekten Jobs zählt.
Zumindest Trends lassen sich aber aus den Zahlen ablesen. China ist weltweit der Antreiber bei den erneuerbaren Energien. Sie beschäftigten dort im Jahr 2013 bereits über 2,6 Millionen Menschen. Neue Jobs gibt es vor allem durch den Zuwachs bei der Installation und der Herstellung der Anlagen. Brasilien folgt mit etwa 900.000 Jobs, die USA mit 600.000, Indien mit 400.000. Deutschland belegt Platz fünf. Seit 2004 hat sich die Beschäftigung in der Erneuerbaren-Branche verdoppelt. 2013 waren es über 370.000. Zum Vergleich: Die Braunkohleindustrie weist 70.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze aus.
Die Arbeitsbedingungen im Erneuerbaren-Sektor schneiden insgesamt besser ab als die in der Kohlewirtschaft, wenngleich es auch dort Risiken gibt, etwa in den chemischen Betrieben, die Solarzellen herstellen. Doch die Beschäftigten in den Kohleminen riskieren ihre Gesundheit und ihr Leben deutlich mehr. Der Kohlenstaub setzt sich in den Lungen fest und führt zu chronischen Lungenkrankheiten. Bergwerksunfälle gehören wegen der dramatischen Umstände und der hohen Opferzahlen zu den intensiv wahrgenommenen Katastrophen. Nach 150 Jahren Erfahrung unter Tage gibt es kaum eine Branche, bei der die Kenntnisse und Vorschriften über Unfallverhütung so ausgereift sind wie in der Kohleindustrie. Wenn dennoch Unglücke passieren, zeigt sich fast immer, dass aus Kostengründen oder Nachlässigkeit die Sicherheitsstandards für die dort Arbeitenden nicht eingehalten wurden oder die technischen Anlagen versagten.
In China, zeitweilig für 80 Prozent aller weltweiten Todesopfer im Kohlebergbau verantwortlich, bessert sich die Situation. Die kleinen Minen, die geschlossen werden, sind auch die besonders gefährlichen. In den 1990er-Jahren starben jedes Jahr 5.000 bis 7.000 Kumpels. 2010 waren es noch 2.400 Menschen. 2014 soll die Zahl auf 930 gefallen sein.
Als Sinnbild für die Arbeit im Bergbau hält sich in den westlichen Industrieländern noch immer der hart arbeitende, mit Ruß verschmierte Kohlekumpel. Meist liegt der Frauenanteil auch unter 20 Prozent. In den vormals sozialistischen Ländern hingegen arbeiten mehr Frauen unter Tage. In vielen Teilen der Welt ist es nicht einfach für sie, in der Kohleindustrie Arbeit zu bekommen. Wenn sie es schaffen, werden sie schlechter bezahlt als Männer und müssen in den Minen sexuelle Übergriffe befürchten.
Einer Studie von Greenpeace über nachhaltige Energiepolitik zufolge werde der Kohlesektor bis 2030 weltweit weitere zwei bis drei Millionen Jobs verlieren. Die Erneuerbaren-Industrie wachse schnell genug, um solche Verluste zu kompensieren. In Reparaturberufen wurden 2014 im deutschen Steinkohlebergwerk Ibbenbüren noch einmal 54 Auszubildende eingestellt. Es war der letzte Jahrgang.