Rheinland-Pfalz: Wo die Kleinen dominieren

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Eher schwach besetzt: Schwerpunkte der Rinder- und Schweinehaltung in Rheinland-Pfalz nach Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Tierbesatz im Land-/Bundesvergleich 2010

Historisch bedingt, dominieren hier kleinräumige Strukturen. Die Politik fördert Öko- und schonenende konventionelle Landwirtschaft – und die Menschen wehren sich gegen Großställe. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Rheinland-Pfalz, heißt es, ist das Land der Reben und Rüben. Hier findet das Leben überwiegend im ländlichen Raum statt. Nur 16 Prozent der Fläche ist urban. Landwirtschaftlich dominiert der Wein-, Obst- und Gemüseanbau, regional auch der Anbau von Zuckerrüben. Fleischproduktion und tierische Erzeugnisse haben dadurch eine weitaus geringere wirtschaftliche Bedeutung als bundesweit.  

Die Produktion tierischer Erzeugnisse hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Noch in den 1960er-Jahren wurde ein großer Teil der Tiere in mittleren und kleinen Herden gehalten. Geschlachtet und gewurstet wurde am Hof oder in nahe gelegenen Schlachtereien. Bundesweit ist heute die industrielle Tier- und Fleischproduktion ein profitabler Wirtschaftszweig. Geflügel und Schweine werden dabei eher in Fabriken als auf Bauernhöfen „produziert“. Während sich aber in anderen Bundesländern immer noch eine Expansion der Tierhaltung, insbesondere bei den problematischen Intensivanlagen, abzeichnet, ist Rheinland-Pfalz nach wie vor von kleinbäuerlichen Strukturen geprägt. Es existiert hier praktisch keine Massentierhaltung.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie liegen sowohl in der geografischen Lage und Struktur des Bundeslandes, haben aber auch historischen Ursprung. Nicht zuletzt bemüht sich auch die Landespolitik um den Erhalt kleinbäuerlicher Betriebe.

Die Fläche von Rheinland-Pfalz besteht zu über 42 Prozent aus Wald und zu 41,7 Prozent aus landwirtschaftlicher Fläche, die sich auf zahlreiche Hügel und Täler erstreckt. Das Klima zeichnet sich durch milde Winter, gemäßigte Sommer und hohe Niederschlagsmengen aus. Einige Regionen zählen zu den wärmsten in Deutschland, während andere ein raues Klima aufweisen. Aufgrund von Klima und Bodenbeschaffenheit ist für die Landwirte der Anbau von Wein, Obst und Gemüse mit ihrer hohen Wertschöpfung besonders attraktiv, während die Herstellung tierischer Erzeugnisse mit höherem Aufwand verbunden ist. Die Seehäfen für den Import von Futtermitteln sind weit entfernt. Und die Landschaft ist für eine auf Fleischexport angelegte Produktion zu kleinräumig; lange war sie dafür auch zu wenig durch Verkehrswege erschlossen.

Kleinbäuerliche Strukturen lassen sich auch historisch erklären. In Rheinland-Pfalz galt bei Erbschaften die Realteilung statt des Anerbenrechts. Nicht der älteste Sohn übernahm automatisch den Hof, sondern der Familienbesitz wurde unter den nächsten Erben aufgeteilt. Dadurch entstanden immer kleinere Parzellen. Dies erschwert noch heute den Aufkauf größerer Flächen für eine industrielle Landwirtschaft.

Wer kleine Felder hat, sucht die Wertschöpfung bei Wein, Obst und Gemüse

Das Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten in Rheinland-Pfalz hat zudem einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Förderung ökologischer und schonender konventioneller Landwirtschaft gelegt. Dies kommt insbesondere kleinen Betrieben zugute. So erhalten Betriebe, die auf Ökolandbau umstellen ebenso eine jährliche Prämie wie solche, die mit Fruchtfolge anbauen. Die Folge: Der Ökolandbau ist in den letzten vier Jahren um fast die Hälfte gestiegen und nimmt mittlerweile 7,4 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Rheinland-Pfalz ein. Ebenso werden der Erhalt und die Ausweitung von Grünland gefördert, wodurch Weideflächen für die Tierhaltung erhalten bleiben.

Neben den Maßnahmen der Landespolitik gibt es auch ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement gegen industrielle Anlagen. So verhinderte eine Bürgerinitiative in der Eifel gemeinsam mit der Kommunalpolitik und der Verwaltung die Ansiedlung einer Legehennen-Großanlage.

Kleine Betriebe, die Fleisch und andere tierische Erzeugnisse produzieren, sind allerdings trotz der Fördermaßnahmen zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Die Konzentration auf Großunternehmen in einigen wenigen Regionen Deutschlands führt dazu, dass Infrastruktur, zum Beispiel in Form von Schlachthöfen auch in Rheinland-Pfalz verloren geht. Denn die kleinen Schlachtbetriebe können die Vorschriften, die ursprünglich für große EU-Schlachtbetriebe bestimmt waren, nur schwer erfüllen. Die großen Schlachthöfe nehmen hingegen keine kleineren Mengen von Schlachtvieh an, da der Gewinn der Großschlachtereien auf maximaler Effizienz basiert, die mit kleinen Anlieferungen nicht zu erreichen ist. So lassen sich regionale, umweltverträglichere Produktionsketten nicht aufrechterhalten.

Für Rheinland-Pfalz wird deutlich, dass gewachsene Strukturen und eine gezielte Förderpolitik des Landes kleinbäuerliche Strukturen begünstigen können. Dennoch besteht weiterer politischer Handlungsbedarf, und auch die Konsumenten sollten noch stärker umdenken. Ökologisches Wirtschaften ist auf kleineren Flächen mit geringeren Herdengrößen am leichtesten zu gewährleisten. Und wenn auf den Weiden für das Milchvieh die Artenvielfalt erhalten bleibt, zeigt sich die große Bedeutung der kleinbäuerlichen Strukturen für den Erhalt der Umwelt.  

 

Quellen:

  • S. 36: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Landwirtschaft und Weinbau, 2013, Folien 5 u. 6, http://bit.ly/1NxTSZi.
  • Jörg Breitenfeld, Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu Deutschland, in: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz 09/2014, S. 843, http://bit.ly/1E7ug3j.
  • Statistisches Bundesamt, Landwirtschaft auf einen Blick, 2011, S. 25, 27, 29, http://bit.ly/1JlT6g9.
  • S. 37: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Karten zum Rinderbestand, http://bit.ly/1NHL7cN, zum Schweinebestand, http://bit.ly/1E7bMjp. S. 54 f., ergänzend: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Agrarstrukturen in Deutschland 2010, S. 31, 33, http://bit.ly/1gYPoht