Schleswig-Holstein: Mit Weiden und Wiesen für Wasser-, Tier- und Bodenschutz

Teaser Bild Untertitel
Ausschnitt aus der Grafik: Facetten der Erosion in Schleswig-Holstein

Je mehr die Weidewirtschaft zurückgeht, umso gefährdeter sind die charakteristischen Knicklandschaften. Hecken und Baumreihen reduzieren die Winderosion, doch die Maismonokulturen brauchen Platz – und verderben obendrein die Gewässer. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Schleswig-Holstein ist als überwiegend flaches Land bekannt. Seine Böden unterscheiden sich in die Marschen entlang von Elbe und Nordsee, die Geest als Streifen in der Mitte und das Hügelland zur Ostsee hin. Agrarbetriebe nutzen von der knapp eine Million Hektar landwirtschaftlicher Fläche gut zwei Drittel als Ackerland und den Rest als Wiesen und Weiden, die den Boden das ganze Jahr über mit Pflanzen bedecken und so vor Erosion schützen.

Bodenverlust durch Wind ist in Schleswig-Holstein lange schon ein großes Problem. Ursprünglich haben Wälder großflächig dafür gesorgt, dass die Erde nicht verweht wird. Doch seit dem Mittelalter wurde der Wald abgeholzt oder mit Tieren beweidet, sodass er keine Chance hatte, nachzuwachsen. Der häufig starke Wind trug fruchtbare Erde davon und legte Sandschichten – manchmal in Dünenstärke – an anderen Orten ab.

Die Geestböden sind mit ihrer dünnen Krume über sandigem Boden besonders empfindlich. Überweidung konnte die Flächen zerstören, wenn die Grasnarbe ausgerissen wurde. Als Äcker genutzte Flächen konnten abgetragen werden, wenn die umbrochenen Felder zu lange dem Wind ausgesetzt waren. Schnell drohten Not und Abwanderung. Doch nach und nach entwickelten die Bewohnerinnen und Bewohner Methoden, um den Bodenschutz zu verbessern. Sie legten Knicks und Wallhecken an und prägten mit ihnen eine neue Kulturlandschaft.
Die heute so charakteristischen Pflanzungen sind im späten 18. Jahrhundert angelegt worden und dienten auch als Weidebegrenzungen für das Vieh. Anfang der 1950er-Jahre legten Bauern planmäßig Windschutzhecken an, die mit angepassten Pflanzenarten selbst im laublosen Winter noch eine Dichte erzielen, die bis heute den Wind bremst und Erosion verhindert. Auch Wiesen und Weiden schützen vor Bodenverlust durch Wind. So wundert es nicht, dass mit 316.000 Hektar fast ein Drittel der Agrarfläche Schleswig-Holsteins als Dauergrünland genutzt wird.

Doch es ist auf verschiedene Weise von industrieller Tierhaltung bedroht. Ställe ersetzen die Weiden für Milch- und Mastvieh, Weiden werden zu Äckern umgepflügt. In einigen Regionen der Geest hat sich die Ackerfläche in weniger als zwanzig Jahren von einem Viertel auf die Hälfte verdoppelt. Zwar säen einige Betriebe in einzelnen Orten inzwischen wieder Dauergrünland ein, aber der Trend bleibt besorgniserregend. In weitaus mehr Regionen nämlich, auch in solchen mit großem Erosionsrisiko, füttern inzwischen viele Betriebe Kühe, Schweine und Geflügel zunehmend mit Mais und Importsoja anstelle von Gras.

Negativ hat sich auch ausgewirkt, dass der Strom aus Biogasanlagen zu stabilen Preisen vergütet wird, auch wenn die Energie aus Maismonokulturen stammt. Zwar hat die letzte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes den Zuwachs neuer Biogasanlagen auf Maisbasis praktisch beendet. Doch da waren die Auswirkungen auf die Böden bereits zu erkennen. Weil für Milch, Fleisch und erst recht für Produkte aus Ökolandbau keine Festpreise galten, konnten Biogasbetriebe zeitweilig mehr Pachtgeld und auch höhere Kaufpreise für Agrarflächen bieten.

Auch die Anwohnerschaft, die Tourismusbranche und Umweltschutzorganisationen begannen, sich über Maiswüsten zu empören und die Knicks zu retten. Hinzu kommt: Mais begünstigt Überdüngung, Nitratbelastungen im Grundwasser, einen rasanten Artenverlust und wiederum steigende Bodenerosion. Aktuell sinkt der Maisanbau in Schleswig-Holstein leicht – um 3 Prozent 2014 und geschätzte 5 Prozent 2015. Doch noch immer sind es über 165.000 Hektar. Bei der Verwertung sinkt der Biogasanteil und liegt aktuell bei 47 Prozent. Die Mehrheit der Flächen produziert also inzwischen für die Tröge der industriellen Massentierhaltung. Eine Weidehaltung mit Maß kann stattdessen ebenso ökologisch sinnvoll zum Bodenschutz beitragen wie eine Biogasanlage, die zum Beispiel Kleegras zu Strom und Wärme verarbeitet.

Facetten der Erosion in Schleswig-Holstein

Die Intensivtierhaltung zählt zu den Hauptursachen für die Belastungen in den Gewässern des nördlichsten Bundeslandes – und damit auch in den Meeren vor seinen Küsten. Der Grad der Schädigung ist alarmierend: 15,9 Prozent der Wasserkörper im Ostseeküstenbereich und 3,6 Prozent der Wasserkörper im Küstenbereich der Nordsee sind bereits in – nach amtlicher Terminologie – „schlechtem“ Zustand. Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 haben sich alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis 2015 alle Grundwasservorkommen, das Wasser der Flüsse, der Seen und Küstengewässer der Nord- und Ostsee in einen „guten“ ökologischen Zustand zu überführen. Da die industrielle Tierhaltung und der intensive Ackerbau mit synthetischen Düngern und Pestiziden seither aber zugenommen haben und Umweltauflagen abgesenkt wurden, wird das Ziel verfehlt. Die Bundesregierung zieht daraus jedoch nicht die Konsequenz, der industriellen Landwirtschaft klare, bundesweit einheitliche Grenzen zu setzen, sondern zielt auf eine Verlängerung der Frist bis 2027. 

 

Quellen:

  • S. 17: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Die Bodennutzung in Schleswig-Holstein 2013,  S. 7, 17 http://bit.ly/1lGL9tR
  • Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein, Winderosion in Schleswig-Holstein, S. 7, 15, 39 http://bit.ly/1lGKKYt
  • Umweltbundesamt, Ökologischer Zustand der Küstengewässer der Nordsee, http://bit.ly/1MbKi9l
  • Text: Ackerflächenwachstum, http://bit.ly/1RjdvHd