Brandenburg: Auf Sand gebaut

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Massentierhaltung - flächendeckend: Vorhandene und genehmigte Nutztieranlagen in Brandenburg

Die Landesregierung setzt auf immer mehr Mastbetriebe. Doch der Widerstand formiert sich. Bürgerinitiativen betreiben bereits ein Volksbegehren – und erwarten schon den Volksentscheid. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Fleisch wird in Brandenburg groß geschrieben. Wer im Restaurant ein fleischloses Gericht verzehren möchte, muss sich häufig mit „Gemüse- und Sättigungsbeilage“ begnügen. Vegetarische Gerichte sind am ehesten in touristischen Regionen wie Potsdam, Rheinsberg oder dem Spreewald zu finden – die meisten Einheimischen wollen Fleisch.

Das kommt auch in Brandenburg überwiegend aus Mastanlagen. Auf den knapp 30.000 Quadratkilometern Landesfläche werden zwar nicht überdurchschnittlich viele Nutztiere gehalten – die Tierdichte liegt knapp bei der Hälfte des bundesweiten Durchschnitts –, doch bei den Betriebsgrößen und damit bei der Massentierhaltung liegt Brandenburg bundesweit auf den Spitzenplätzen: Bei der Rinderhaltung stand das Land 2010 mit durchschnittlich 216 Tieren pro Betrieb auf Platz zwei hinter Mecklenburg-Vorpommern (263/Bundesschnitt: 87), bei der Schweinehaltung mit 1.125 auf Platz drei (Bundesschnitt: 459) und bei der Hühnerhaltung mit 7.853 Tieren auf Platz vier (Bundesschnitt: 2.132).

Anzahl von Rindern, Schweinen und Geflügel in Brandenburg

Während der Rinderbestand seit 2005 nahezu konstant blieb und die Zahl der Schweine schwankt, boomt die Produktion von Hähnchen (Broilern). Zwischen 2010 und 2013 stieg sie um 21 Prozent. Seien es Milchkühe, Zuchtferkel oder Legehennen – zu den insgesamt 14 Millionen Tieren, die in Brandenburg in 664 Nutztieranlagen gehalten werden, sollen in den kommenden Jahren noch einige hinzukommen. Ende 2014 waren 18 neue Anlagen bereits genehmigt, zwölf weitere beantragt. Vor allem die Hähnchenmast, wo es derzeit rund 6,6 Millionen Plätze gibt, boomt. Im Potsdamer Landwirtschaftsministerium wird in naher Zukunft ein Anstieg auf acht Millionen Mastplätze erwartet.

Die Landesregierung aus SPD und Linken unterstützt die Entwicklung. Brandenburg brauche mehr Nutztiere, findet Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), ein gelernter Agrarwissenschaftler. Die Böden der märkischen Streusandbüchse seien schlecht und die Arbeitsplätze würden gebraucht. Woidke weiß sich dabei mit dem Landesbauernverband einig: Mit Ackerbau alleine könnten die Landwirte nicht überleben.

Entgegen kommt der Politik, dass Investoren aus den Niederlanden, aber auch aus Niedersachsen, neue Produktionsstandorte in Ostdeutschland suchen. Denn in ihren Heimatregionen werden die Umweltauflagen verschärft. Zudem sind riesige Schlachthöfe entstanden, die jetzt ausgelastet werden müssen. So investiert der Geflügelproduzent Rothkötter aus dem niedersächsischen Meppen in eine Hähnchenmastanlage mit 380.000 Plätzen in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin), um Überkapazitäten in seinem Schlachthof in Wietze bei Celle abzubauen. Der niederländisch-belgische Fleischkonzern Plukon betreibt große Schlachthöfe in Brenz (Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern) und  in Storkow (Landkreis Oder-Spree), zu dessen Auslastung neue Mastanlagen gebraucht werden. Eng verbunden mit Plukon ist etwa das niederländische Unternehmen Agrifirm, das in der Prignitzgemeinde Gumtow zwei Hähnchenmastanlagen mit insgesamt 400.000 Mastplätzen bauen will. Zwei Vollarbeitsplätze sollen dadurch entstehen.

Der landesweit größte Schweinemastbetrieb mit insgesamt 62.000 Tieren steht in Tornitz bei Vetschau im südbrandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Das Unternehmen Bolart GmbH, das dort 160 Leute beschäftigt, will den Betrieb auf knapp 80.000 Plätze erweitern. Ungefähr genauso viele Tiere wollte ursprünglich der niederländische Unternehmer Harry van Gennip in der Gemeinde Haßleben in der Uckermark schlachtreif mästen. Doch ein Teil der Anwohner wehrte sich. Denn der Ort weiß, was Massentierhaltung bedeuten kann. Von 1978 bis 1991 stand dort eine der größten Schweinemastanlagen der DDR mit 136.000 Tieren. Die Böden waren von Gülle, Desinfektionsmitteln und Medikamentenresten verseucht, die Seen in der Umgebung kippten um. Die ganze Gegend stank.

Die neuen Großschlachthöfe sind nicht ausgelastet und brauchen Zulieferer

Das Dorf war gespalten, als die Pläne des Niederländers bekannt wurden. Die einen hofften auf neue Jobs, die anderen fürchteten um ihre Gesundheit. Eine Bürgerinitiative versuchte das Vorhaben zu verhindern. Nicht ganz vergeblich: Die Landesbehörden genehmigten nur eine verkleinerte Anlage mit 36.000 Mastplätzen. Zehn Arbeitsplätze sollen entstehen.

Widerstand gegen Massentierhaltung regt sich mittlerweile im ganzen Land. Bürgerinitiativen versuchen die Projekte zu verhindern. 2014 hat sich das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg gegründet. Mit einer Volksinitiative gegen Massentierhaltung mit 34.000 Unterschriften ist das Bündnis im Landtag abgeblitzt. Nun versucht sie, die Landesregierung über ein Volksbegehren zum Handeln zu bewegen. 80.000 Unterschriften sind dafür erforderlich. Gelingt dies und lehnt das Parlament erneut ab, kommt es zur Volksabstimmung.  
 

Quellen:

  • S. 26: Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung, Tierzuchtreport 2014, S. 24, 43, 84, http://bit.ly/1B9wi1l.
  • S. 27: BUND Brandenburg, Karte der Massentierhaltung, http://bit.ly/1FW2vEY. – Statistisches Bundesamt, Landwirtschaft auf einen Blick, 2011, S. 25, 27, 29, http://bit.ly/1BHOjUU